
Review: Michael Segets
Auf der Website von Mathias Schüller steht geschrieben, dass er auf der „Suche nach dem Besonderen, seinem ureigenen Klang“ sei. Ich kenne zwar nur die letzten drei seiner nunmehr fünf Alben, würde aber behaupten, dass Schüller seinen markanten, unverwechselbaren Sound längst gefunden hat: „Das zarte Geräusch des Flügelschlages einer Libelle“ knüpft nahtlos an „Wodka Wodka Superstar“ (2020) und „Dunkel:Rot“ (2023) an. Aber ein Künstler spürt wahrscheinlich immer dem nächsten, perfekten Ausdruck nach.
Auf dem aktuellen Longplayer fährt Schüller die rockigen Anteile, die allerdings bei „Reichtum & Ruhm“ nochmal anklingen, etwas zurück. „Das zarte Geräusch des Flügelschlages einer Libelle“ bietet durchgängig anspruchsvolle Singer/Songwriter-Kost mit variablen Rhythmen. Multiinstrumentalist Schüller komponierte, textete und spielte alle zehn Songs alleine ein. Für die Tontechnik zeichnet Markus Holzapfel verantwortlich. Das Booklet des schön aufgemachten Digipacks umfasst die Texte und ergänzende Angaben zur Entstehung der Stücke sowie den jeweiligen Inspirationsquellen.
Dass Schüller diese Hinweise gibt, ist sinnvoll, da sie zum verstehen seiner Lyrics beitragen. Die ohnehin anspruchsvollen Texte sind nach meinem Eindruck diesmal noch einen Deut schwieriger ausgefallen als auf den vorherigen Alben. So ist es bei „Only Lovers“ sicherlich hilfreich, den Film von Jim Jarmusch „Only Lovers Left Alive“ (2013) zu kennen, um die angestellten Bezüge einordnen zu können. Autoren der literarischen Hochkultur wie T.C. Boyle („Freaky Freak“, „Süßes Nichtstun Rosa Wolken“) oder Arno Schmitt („Reichtum & Ruhm“) zieht Schüller als Referenzen heran. Dabei nennt er auch „Das Treibhaus“ von Wolfgang Koeppen. Zu dem Werk belegte ich vor Jahrzehnten mal ein Seminar, welches ich – soweit ich mich erinnere – nicht durchzog.
Anregungen für seine Werke schöpft Schüller aus einer breiten Palette von Bands und Musikern unter anderem von 10CC, Johnny Cash, Bing Crosby, Einstürzende Neubauten, Foreigner, Steve Miller, Pink Floyd, Queen, Radiohead, Bruce Springsteen und Jack White. Die Verbindungen spiegeln sich eher auf der inhaltlichen Ebene seiner Songs als in seinen Kompositionen wider. Die Tracks wimmeln von Anspielungen. Diese zu erkennen ist nicht immer ganz leicht und gelingt wohl am ehesten, wenn man eine ähnliche Sozialisation wie Schüller durchlaufen hat. Die Bezüge aufzuspüren macht zwar Spaß, gelegentlich verstellt jedoch eine gewisse poetische Sprunghaftigkeit den Blick auf die Stories oder die Situationen, um die es in den Liedern geht.
Klar ist die Aufforderung bei „Tanz“, der ersten Single und sicherlich einem der eingängigsten Stücke auf dem Album. In dem Video scheinen erfrischende, selbstironische Züge durch. Die silberne Hose von Schüller ist freaky. Es überrascht mich dabei weniger, dass er anlässlich der Nummer eine solche trägt, sondern eher, dass er überhaupt eine solche besitzt.
Mathias Schüller bewegt sich mit seinem Songwriting weiterhin abseits des Mainstreams. Die Komplexität der Texte, die Schüller mit zahlreichen Querverweisen zu Film, Literatur und Musik spickt, stellt die Hörenden zum Teil vor intellektuelle Herausforderungen. Musikalisch bleibt er auf „Das zarte Geräusch des Flügelschlages einer Libelle“ seiner Linie und dem ihm eigenen Sound treu.
Bis Anfang Oktober tourt Schüller mit zahlreichen Konzerten durch Deutschland.
Timezone Records (2025)
Stil: Singer/Songwriter/
Tracks:
01. Freaky Freak
02. Rattenscharf
03. Room For Free
04. Tanz
05. A Taturanta Tomba (Für Immer Heinz)
06. Only Lovers
07. Fieber
08. Reichtum & Ruhm
09. Fliegen
10. Süßes Nichtstun Rosa Wolken
Mathias Schüller
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