Jeremiah Johnson – Hi-Fi Drive By – CD-Review

Review: Jörg Schneider

In 2010 erschien Jeremiah Johnsons Debutalbum „9th & Russell“. Und nun, 12 Jahre später, veröffentlich er sein 7. Album „Hi-Fi Drive By“. Er ist also nicht unbedingt ein musikalischer Workaholic, was der Qualität seiner neuen Scheibe allerdings durchaus zu Gute kommt, nicht zuletzt auch weil Jeremiah Johnson bei der Instrumentierung des Albums in die Vollen greift. Zu den vier Backgroundsängerinnen bzw. -sängern gesellen sich noch – neben den üblichen musikalischen Gerätschaften (Gitarre, Bass, Schlagzeug) – Piano, Trompete, Tenorsaxophon, Baritonsaxophon, Posaune, Streichinstrumente, Mundharmonika und ein Wurlitzer-Keyboard. Entsprechend satt ist also der Sound der gesamten CD.

Alle zehn Tracks der Scheibe kommen sehr schön arrangiert rüber, auch wenn die Songs nicht das äußerst flotte Tempo des Openers „´68 Coupé DeVille“ (mit Victor Wainwright, der sein Piano hemmungslos malträtiert) halten können, eine fetzige Rock‘n‘Roll-Nummer die so richtig in die Beine geht. Andere Stücke grooven etwas ruhiger („Ball And Chain“, „Young And Blind“ mit schmissigen Harpeinlagen von Brandon Santini, „Skippin’ School“ mit beschwingtem Bläserintro, „The Squeeze“ ebenfalls mit reichlich Gebläse und quäkender Gitarre), sind aber immer noch gut tanzbar.

Bei „Hot Blooded Love“ handelt es sich um einen typischen, mitunter leicht düsteren Chicagoblues. Und das gemächlich dahin rollende „Quicksand“ (der Song startet bemerkenswerterweise mit einem Schlagzeugintro, welches einer Marschmusik entnommen worden sein könnte sowie einem zum Mitsingen einladenden Backgroundchor) leitet passend zum letzten Stück des Albums über, der ruhigen Bluesnummer „The Band“.

Jeremiah Johnson präsentiert sich auf seiner neuesten Scheibe „Hi-Fi Drive By“ nicht nur als genau beobachtender Songwriter und kraftvoller Sänger, sondern auch als meisterhafter Gitarrist, der stilistisch zu den Wurzeln des Blues und Rock‘n‘Roll zurückgekehrt ist. Es macht Spaß sich den Longplayer anzuhören und es wird nicht langweilig dabei. Ein gelungenes Werk also, das man immer wieder gern in den CD-Player schieben wird. Es steht seit dem 21. Oktober in den Regalen der Plattenläden.

Ruf Records (2022)
Stil: Blues

Tracks:
01. ´68 Coupe DeVille
02. Ball And Chain
03. Young And Blind
04. Skippin‘ School
05. Hot Diggity Dog
06. The Squeeze
07. Hot Blooded Love
08. Sweet Misery
09. Quicksand
10. The Band

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Ruf Records

Jeremiah Johnson – Heavens To Betsy – CD-Review

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Ich habe bei den vielen Konzerten, die ich in den letzten Jahren besucht habe, keinen Künstler erlebt, der als Support-Act so vom Publikum begeistert gefeiert worden ist, wie Jeremiah Johnson. Ort des Geschehens war das Musiktheater Piano, als er vor gut einem Jahr dort den Headliner Mike Zito begleitet hatte.

Vor zwei Wochen hatten wir uns auf ein Wiedersehen mit ihm im Rahmen des Rufschen Blues Caravans gefreut, allerdings hatte Sturmtief Sabine etwas dagegen. Spätestens als beim abendlichen Gang mit dem Hund ein umgestürzter Baum vor unserem Gartentor lag, musste die ungewisse Anreise aus Vernunftsgründen leider gecancelt werden. Sehr ärgerlich.

Immerhin liegt mir jetzt sein brandaktuelles Album „Heavens To Betsy“ zur Rezension vor, auf dem Johnson mit kleinen Abstrichen, eine überzeugende Leistung abliefert.

12 tolle authentische vielseitige Stücke (inklusive einer Cover-Version des oft adaptierten „Born Under A Bad Sign“) hat er fast im Alleingang kreiert (nur zwei mit Co-Writern), die sich im dezent südstaatlich angehauchten Blues Rock einordnen.

Zweimal geht es im balladeskeren Bereich etwas ruhiger zu („Ecstasy“ – ähnelt einer Mischung aus „Soulshine“ und „Knockin‘ On Heavens Door“, „Long Way Home“), ansonsten gibt es vom eröffnenden Southern Rocker „White Lightning“ bis zum finalen, flockig swingenden „Preacher’s Daughter“, zünftige Rockmusik, die von Johnsons knarzenden E-Gitarrenspiel, das mich schon in Dortmund so ins Schwärmen versetzt hatte, ihre besondere Note erhält.

Da mag man den Worten des sympathischen, aus St. Louis stammenden Musiker zum Aufnahmeprozess und seinem Produzenten Pete Matthews auch gerne Folge leisten: „Manchmal war die erste Aufnahme perfekt, manchmal dauerte es aber auch bis zum Ende eines 12 Stunden Tages, bis der gewisse Funke übergesprungen war.

Diese Album aufzunehmen, war das absolut intensivste Erlebnis, das ich jemals in einem Studio hatte. Gut genug war keine Option. Aber ich bin extrem dankbar, dass Pete das Beste aus jedem einzelnen von uns herausgekitzelt hat.“

Ich persönlich, auch wenn es sicherlich immer Geschmacksache ist, gehe nach diversen Hördurchgängen allerdings nicht ganz d’accord mit Johnsons Ausführungen.

Zum einen finde ich die Omnipräsenz des durch Frank Bauer gespielten Pluster-Saxofons in jedem Stück völlig überdosiert und auf Dauer etwas nervend (das gleiche gilt bei mir auch immer bezüglich von Alben mit überdimensionierter Harp-Quäkerei).

Zum anderen klingt Johnsons Stimme in den Strophen ziemlich brav und eindimensional (in den Refrains kommt er manchmal etwas mehr aus sich heraus), was allerdings aber vermutlich seinem zurückhaltenden Naturell geschuldet ist.

Manch anderer Producer hätte hier vermutlich dem Keyboarder mehr Spielraum überlassen (der darf hier fast nur die Orgel immer im Hintergrund hallen lassen) und auch die ziemlich schroff dahergegrölten Männer-Backgroundgesänge lieber in feinfühligere Damenhände gegeben.

Trotzdem überwiegen letztendlich die positiven Eindrücke. Jeremiah Johnson ist ein richtig Guter und auch sein Album „Heavens To Betsy“ sollte bei den anstehenden CD-Käufen des Jahres 2020 auf der To-Do-Liste der geneigten Blues Rock-Klientel aufgeführt sein.

Ruf Records (2020)
Stil: Blues Rock

01. White Lightning
02. Tronado
03. Soul Crush
04. Ecstasy
05. Forever And A Day
06. American Steel
07. Showdown
08. Leo Stone
09. Castles In The Air
10. Long Way Home
11. Born Under A Bad Sign
12. Preacher’s Daughter

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Ruf Records

Blues Caravan – 09.02.2020, Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbilder

BC2020-haupt

Blues Caravan 2020 mit Jeremiah Johnson, Whitney Shay und Ryan Perry. Das Sturmtief Sabine machte dem etablierten Team Mangold-Daus (und vermutlich auch noch einigen anderen) jedoch einen Strich durch die Rechnung. Da mussten wir aus Vernunftsgründen leider passen.

Adam Zegarmistrz Glagla zählte jedoch zu den Uentwegten, die, laut seiner eigenen Aussage, eine begeisterte Show geliefert bekamen, und war für Sounds Of South zur Stelle, sodass wir zumindest eine eine Bildergalerie liefern können, die sein Statement visuell untermauert.

Vielen Dank lieber Adam!

Line-up:
Jeremiah Johnson (lead vocals, electric guitar, vocals)
Whitney Shay (lead vocals, vocals)
Ryan Perry (lead vocals,electric guitar, vocals)
Roger Inniss (bass)
Amanda Dal (drums)

Bilder: Adam Zegarmistrz Glagla

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Ruf Records
Musiktheater Piano
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Mike Zito – Support: Jeremiah Johnson – 14.03.2019, Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbericht

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Was für ein Abend im Lütgendortmunder Musiktheater Piano! Der von uns so geschätzte texanische Blues Rocker Mike Zito, den wir noch letztes Jahr im Rahmen des Blues Caravans an gleicher Stelle beleuchtet hatten, gab diesmal ein Stelldichein in eigener Sache und hatte als Support noch Jeremiah Johnson mit dabei, der letztes Jahr mit „Straitjacket“ sein Debüt unter dem Ruf Records Label gefeiert hatte.

Beide wurden jeweils bei ihren Auftritten durch Matt Johnson am Schlagzeug und Kaugummi-Kauer Terry Dry (herrlich kauziger Typ mit skurrilem Erscheinungsbild) am Bass verstärkt. Zunächst war es dann natürlich Jeremiah Johnson bei seiner Deutschland-Premiere vorbehalten, sich und seine Musik dem Publikum näher zu bringen.

Sein früheres Album „Grind“ befindet sich in meinem Besitz. Von daher war Johnson, zumindest für mich kein völlig Unbekannter. Und aus dem legte mit dem Opener des Werkes „Black Lingerie“ sofort eine toll groovende Nummer hin. Herrlich wie seine Delaney-E-Gitarre rumknarzte (erinnerte mich ein wenig an das Spiel von Wishbone Ahs Mark Abraham) und auch Johnsons leicht angerauchte Stimme wusste zu überzeugen.

Ein Kompliment hier an den Tontechniker des Pianos, der einen wunderbar transparenten und klaren Sound in allen Belangen aussteuerte und somit seinen Anteil an dem insgesamt tollen Abend hatte. Das auch von dieser CD stammende “Georgia Peach“ offenbarte Johnsons Affinität zum Southern Rock und dem Betts-umwobenen Gitarrenspiel, bedingt durch das unterschiedliche Gitarrenmodel, natürlich etwas rauer klingend.

Mit dem Schwofer „King And Queen“, „Blues In Herr Eyes“ und „Straitjacket“ gab es dann den Schwenk in Richtung des aktuellen Longplayers, von dem mit „Believe In America“ noch das patriotische Bekenntnis zur Heimat später folgte. Wahnsinn was der Protagonist insgesamt an quirligen Soli abzwirbelte.

Für uns als Southern Rock-Freunde gab es als Bonbons die Stücke „Skip That Stone“ (mit kleinen „Jessica“-Einlagen) und das atmosphärische, Marshall Tucker-trächtige „Southern Drawl“. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der aus St. Louis, Missouri stammende Musiker bereits in die Herzen der Piano-Besucher gespielt.

Ich habe bei meinen vielen Besuchen selten einen Support erlebt, der so vom Publikum gefeiert und angetrieben wurde. Johnson wurde unter heftigem Klatschen dann noch zweimal auf die Bühne zurückbeordert, wo er mit „Get In The Middle“ on top eine Bakersfield-Nummer zum Besten gab und bei „Gasoline And Smokes“ noch mal gitarrentechnisch aus allen Rohren feuerte. Großartige Performance, Jeremiah Johnson!

Nach einer kurzen Pause wusste Routinier Mike Zito natürlich um die Höhe der Latte, die Kollege Johnson aufgelegt hatte. Der Texaner warf sofort sein sympathisches Charisma in die Waagschale und konterte mit den formidablen Slidekünsten (als auch vielen konventionellen Spielereien) auf seiner, mit goldenen Reglerknöpfen verzierten, schnieke glitzernden, bordeaux-rot-weißen Music Man StingRay-Gitarre.

Zito eröffnete mit „Mississippi Nights“ und dem Titeltrack des aktuellen Werkes „First Class Life“, die später noch mit dem herrlichen Deltablues zu Ehren von Blind Willie Johnson „Old Black Graveyard und dem wunderbar launigen „Back Problems“ (furiose Soli aller Beteiligten, sehr schön sphärisch das von Komiker Terry Dry, der trotz seiner Flachsereien immer auf präzises Spiel achtete) ergänzt wurden.

Mit „Bad News Is Coming“ lieferte er eine grandiose Hommage an Luther Allison ab und präsentierte mit Sachen wie unter anderem „Wasted Time“, „Keep Coming Back“, „Judgement Day“ (mit integriertem Kurz-„Whole Lotta Love“) und „Make Blues Not War“ einige Schlüssellieder seiner früheren Alben.

Und da Mike Zito nicht nur ein lockerer Typ ist, sondern durchaus den Gentleman in sich trägt, holte er Jeremiah Johnson zurück auf die Bretter des Pianos. Fortan wurde mit den beiden überragend gespielten „Gone To Texas“ und „One More Train“ im Quartett die große Southern Rock-Keule geschwungen, Double Leads und schmissige Einzel-Soli inbegriffen, dass es einem die Freudentränen in die Augen trieb.

Eigentlich wollte kaum jemand die vier Musiker von der Bühne lassen, aber angesichts der noch bevorstehenden Konzerte ging der fließende Übergang zum Merchandising Stand absolut in Ordnung. Johnson schien angesichts der Begeisterung für ihn vor Dankbarkeit überzuschäumen, so dass er jeden Besucher quasi persönlich per Handschlag verabschiedete.

Und in der Tat, das Musiktheater Piano hatte aus meiner Sicht, nicht zuletzt auch wegen der vielen Southern-Ingredienzien, einen der stärksten Blues Rock-Abende erlebt, seit dem ich diese schöne Location besuche. Es war ein großes Vergnügen – Kompliment, die Herren Zito, Dry und Jeremiah und Matt Johnson! Unsere dicke Empfehlung zu Anfang der Tour: Hingehen, wem sich auch immer die Möglichkeit dazu bietet!

Line Up:
Mike Zito – Lead vocals, electric and slide guitar
Jeremiah Johnson – Lead vocals, electric guitar
Matthew R. Johnson – Drums, vocals
Terry Dry – Bass, vocals

Bilder: Gernot Mangold
Video „Bad News Is Coming“: Adam Zegarmistrz Glagla
Text: Daniel Daus

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