„Nothing To Lose“ – was für ein Titel in diesen (beschissenen) Zeiten! Okay, wenn man eh schon total am Boden liegt, mag das stimmen, aber für viele Menschen, die sich Jahre lang abgeschuftet haben, um sich etwas aufzubauen und jetzt alles ohne persönliche Schuld von unfähigen und konzeptlosen Politikern aus den Händen gerissen bekommen, klingt das wie bittere Ironie.
Gerade unsere geliebte Musikbranche weiß davon sicherlich, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Lied zu singen, wo ja bekanntlich seit vielen vielen Monaten auch so gut wie gar nichts geht. Wohl dem, der hier – wie auch immer – genügend Rücklagen gebildet hat oder so dick im Geschäft ist, dass ihm die derzeitige Situation eh nichts anhaben kann.
Wenn ich persönlich, ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen, hier schildern würde, was ich seit Beginn der Corona-Krise, alles an Verlusten erlitten habe, würde sich wohl jeder fragen, warum ich, statt hier das SoS-Magazin (samt der involvierten Kollegen) mühsam aufrecht zu erhalten, nicht längst bei irgendeinem Psychiater auf der Couch in Dauertherapie liege.
Dennoch ist es gerade die Musik, die im Moment auch ein bisschen Freude und mentalen Ausgleich bereitet. Lloyd Carter, der Kopf der gleichnamigen The Llloyd Carter Band, der bei Kaylor Girl Promotions, einer Agentur, zu der ich seit einigen Sister Hazel-Reviews ein sehr nettes Verhältnis pflege, unter den Fittichen ist, schickte mir seine signierte Debüt-CD und das mit einer netten handschriftlich verfassten Bitte, diese doch zu reviewen.
Dem komme ich natürlich gerne nach, zumal es auch noch genau der Stoff ist, den ich von Herzen liebe! Der aus Georgia stammende Lloyd kommt, wie so oft in den Staaten, aus einer Familie mit langer Musiktradition. Er entdeckte sein dementsprechendes Faible auf der High School und brachte sich diverse Instrumente selbst bei.
Dazu verfasst der von Leuten wie Keith Whitley, Steve Perry, Kenny Rogers oder Conway Twitty inspirierte Protagonist mittlerweile seit über 30 Jahren Texte, von denen diverse auf diesem elf Tracks umfassenden Werk, in adäquates Songmaterial in Szene gesetzt wurden.
Wir bewegen uns hier überwiegend im 90er Jahre umwobenen New Country, supplementiert durch Stile wie Southern Rock, AOR und auch eine Brise warmherzigen Soul („Come Dance With Me„, „When We Say Goodbye“).
Einen nicht unerheblichen Anteil am Gelingen dieses Longplayers haben auch seine beiden Songwriting-Partner Henry McGill (grandiose E-Gitarrenarbeit in allen südstaatlichen Spiel-Varianten) und Gary DiBenedetto, der das Werk nicht nur in seinem Studio wunderbar transparent produziert hat, sondern sich auch für die hervorragend abgestimmten Keyboard-Elemente (Grand Piano, Synthies, Organ, E-Piano) und ein sehr markantes Pedal Steelgitarren-Spiel (erinnert mich in seiner Prägnanz an das von Pat Severs von den Pirates Of The Misssissippi) verantwortlich zeigt.
Lloyds gewichtige Stimme, die sich in Sphären von Ronnie Dunn, Rich O’Toole, Frank Foster bis hin zu Trace Adkins bewegt, überzieht das herrlich eingängige und hochmelodische Songkonvolut zudem mit einem deutlich spürbaren Charisma.
Der Opener und Titelstück zugleich ist ein wie für unsere Klientel passgerecht gestalteter, satt stampfender und polternder Southern Country Rocker, der das Herz sofort höher schlagen lässt – genau mein Ding!
Viele Tracks wie „Live Life Well“, „Autumn Leaves„, „Can’t Never Could„, „Better Days“ oder „His Last Chance“ bewegen sich im balladesken oder Midtempobereich, thematisch verwurzelt natürlich im typischen Wertesystem und Lebensgefühl des Südens, garniert mit einer hohen Portion Pathos und Emotionalität in Carters Gesang.
Für die Uptempo-Würze sorgen dann die geschickt dazwischen platzierten rockigeren Lieder wie das swampige „That Baby Will Run“ (heulend fiepende E-Fills, klasse Solo) oder, last but not least, das furios abgehende „It’s Friday Night“, bei dem kein anderer als Colt Ford mit einer launigen Rap-Einlage, seinen typischen Stempel aufdrückt. Klasse!
Fazit: Das Debüt der Lloyd Carter Band steht, wie so oft, für das unermesslich und schier unerschöpflich zu sein scheinende, kreative Potential der südstaatlichen Country Rock-Musik.
Wer Acts wie u. a. Diamond Rio, Darryl Worley, Vince Gill, Tracy Lawrence, John Michael Montgomery, Trace Adkins, Garth Brooks, Rich O’Toole, Lonestar, Travis Tritt, Tim McGraw, Brooks & Dunn, Pirates Of The Misssissippi, Frank Foster und wie sie alle heißen, die den New Country der 90er noch entscheidend mitgeprägt haben, gerne hört, darf sich über die gelungene Reinkarnation mittels der Lloyd Carter Band freuen.
Ein Werk, das man sich nach dem Motto „Nothing To Lose“ ‚blind‘ zulegen kann. Absolute Kaufempfehlung!
Song Box Records (2020)
Stil: New Country
01. Nothing To Lose
02. Live Life Well
03. Autumn Leaves
04. Come Dance With Me
05. That Baby Will Run
06. Can’t Never Could
07. Better Days
08. It’s Friday Night
09. His Last Chance
10. When We Say Goodbye
11. Hand You Hold
The Lloyd Carter Band
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Kaylor Girl Promotions