Eilen Jewell – Get Behind The Wheel – CD-Review

Review: Michael Segets

Manchmal läuft es im Leben nicht so rund. Für Eilen Jewell kamen einige private und berufliche Veränderungen zusammen: So trennte sie sich von Ehemann und Band. Kunst kann für die Bewältigung von Krisen ja bekanntlich ein Ventil schaffen und sogar von ihnen profitieren. Im Innencover bedankt sich Jewell bei all denjenigen, die sie in dieser Zeit unterstützten und zum Weitermachen ihrer Musik ermutigten. Sie geht musikalisch gestärkt aus den Erfahrungen hervor. „Get Behind The Wheel“ steuert selbstsicher durch Americana-Gefilde. Dabei bricht Jewell nicht mit der Richtung ihrer früheren Veröffentlichungen, nutzt aber vermehrt expressive Ausdrucksmittel in ihren Songs.

Das Album endet passend zu dem persönlichen Hintergrund seiner Entstehung mit „The Bitter End“. Das Stück zelebriert Traurigkeit pur. Der klagend wimmernden Gitarre räumt Jewell hier viel Raum ein. Gepaart mit dem getragenen Gesang und dem deprimierenden Text entwickelt der Song eine ziemlich dunkle Atmosphäre. Auch der Opener „Alive“ beginnt ähnlich, versprüht dann aber eine trotzige Aufbruchsstimmung, wenn das scheppernde Schlagzeug und schrammelnde Gitarren einsetzen. Die beiden Tracks rahmen den Longplayer. Dazwischen finden sich überwiegend langsame Stücke, bei denen sich Jewell unterschiedlicher Stile bedient.

Mit „Crooked River“ liefert Jewell eine richtig gute Country-Ballade ab. Obwohl Fats Kaplin an der Pedal Steel den Song mit einigem Slide unterlegt, versinkt dieser nicht in Süßlichkeit. Die Instrumentalpassagen, bei denen auch eine Mundharmonika zum Einsatz kommt, sind relativ ausgeprägt, unterbrechen aber nicht den Flow. Die Single „Winnemucca“ ist einen Deut schneller und wird mit mehr Twang versehen. In einzelnen Songs erinnern manche Stellen an die frühe Sarah Shook. „Lethal Love“ könnte sich mit seinem Tejano-Einschlag auch auf einer Scheibe von Patricia Vonne finden.

Jewell legt bei „You Were A Friend Of Mine“ und vor allem bei „Silver Wheels And Wings“ mächtig Soul in ihre Stimme. Das Cover „Breakaway“ kann sogar als reine Soulnummer gelten. Bei ihr schwingt genauso wie bei „Could You Would You“ von Van Morrison etwas Nostalgie mit. Die beiden Interpretationen hören sich wie alte Bekannte an, was durchaus positiv gemeint ist. Am Blues orientiert sich Jewell bei „Outsiders“ und „Come Home Soon“. Auch in diesem Metier bewegt sich die Musikerin souverän. Unterstützt wird sie dabei von Jerry Miller (Gitarre), Matt Murphy (Bass), Jason Beek (Schlagzeug) sowie dem Multiinstrumentalisten Will Kimbrough, der sich unter anderem die Keys mit Steve Fulton teilt.

Im Vergleich zu dem vorangegangenen Longplayer „Gypsy“ (2019) erscheint der aktuelle homogener, obwohl er eine stilistisch breitere Ausrichtung aufweist. Zwar kommt kein Track an den früheren „Working Hard For You Love” heran, dafür gibt es aber auch keine schwachen Titel.

Eilen Jewell zeigt sich auf „Get Behind The Wheel“ einmal mehr als exquisite Songwriterin. Expressive Zwischentöne bereichern die traditionsverbundenen Kompositionen. Bei den mit wenigen Ausnahmen im unteren Tempobereich angesiedelten Tracks bedient sich Jewell verschiedener Genres und arrangiert die Stücke so, dass sie spannend bleiben. Dabei hält sie das Steuer sicher auf Kurs und vermeidet unnötige Umwege.

Signature Sounds Recordings (2023)
Stil: Americana

Tracks:
01. Alive
02. Crooked River
03. Lethal Love
04. Come Home Soon
05. Winnemucca
06. Could You Would You
07. Breakaway
08. You Were A Friend Of Mine
09. Outsiders
10. Silver Wheels And Wings
11. The Bitter End

Eilen Jewell
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Signature Sounds Recordings
Redeye Worldwide

Dion – Blues With Friends – CD-Review

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Dies hier ist mal wieder ein typischer Fall von Bildungslücke. Da kann man eine seit fast 45 Jahren angehäufte, mehrere tausend Tonträger umfassende Sammlung besitzen, seit über 20 Jahren selbige rezensiert haben und doch tauchen immer wieder Interpreten auf, die man absolut noch nie gehört hat, die aber auch schon seit Ewigkeiten existieren.

Ok, mit demim Philip Kaufman-Film „The Wanderers“ enthaltenen Song „The Wanderer“, erhält der Name Dion (Dion Francis DiMucci) zumindest eine dezente Kontur. Weitere Recherchen ergeben, dass dieser besonders mit dem Ensemble Dion & The Belmonts in den 50er Jahren schon Erfolge feierte und, dass der Rolling Stone ihn 2008 auf Rang 63 der 100 besten Sänger aller Zeiten wählte.

Im Laufe seiner Karriere hat der wandlungsfähige jetzt schon 80-jährige Künstler sich wohl ein Riesen-Netzwerk aufgebaut, was für Menschen mit italienischen Wurzeln ja nicht ungewöhnlich ist, höhö. So ist es wohl zu erklären, dass der sich mittlerweile in der Bluesmusik heimisch fühlende Protagonist auf seinem neuesten Album „Blues With Friends“ mit einem Staraufgebot an seiner Seite aufwartet, das sicherlich nur Menschen zuteil wird, die sich das auch verdient haben.

Illustre hier mitwirkende Namen wie u. a. Joe Bonamassa (auf dessen neuen Keeping The Blues Alive“-Label die scheibe erscheint), Jeff Beck, Samantha Fish, John Hammond, Billy Gibbons, Sonny Landreth, Bruce Springsteen, Van Morrison, Joe Menza, Brian Setzer oder Paul Simon, lesen sich wie das Who-Is-Who der Rockmusik und geben dem vierzehn Tracks umfassenden Werk (etwas über eine Stunde Spielzeit) trotzdem nur einen recht zurückhaltenden Anstrich.

Die bis auf zwei Stücke von Dion mitkomponierten Originalstücke stehen klar unter der stimmlichen Regie des Protagonisten, ihren Stempel können meist eher die Musiker aufsetzen, die wie z. B. Joe Bonamassa , Brian Setzer (mit typischem Rockabilly-Gibson-ES-E-Gitarren Sound), Jeff Beck oder Sonny Landreth (sein obligatorisches Sliden) für ihr instrumentales Können bekannt sind.

Bei manchen Tracks wie „I Got Nothin’“, „Bam Bang Boom“ oder „Hymn To Him“ hätte man sich die markanten Stimmen von Van Morrison, Billy Gibbons und Bruce Springsteen als weitere Farbtupfer im Duett gut vorstellen können, so dürfen lediglich Paul Simon und die Damen Rory Block und Patti Scialfa mal sporadisch mit Harmoniegesängen etwas stärker in Erscheinung treten.

Trotzdem ist der dargebotene Mix, der alle Blues-kompatiblen, beziehungsweise gut ergänzbaren Formate bietet, sehr kurzweilig und in sich stimmig gelungen. Es macht Spaß die von retro bis modern klingenden Stücke in Einem durchzuhören. Durch Dions Gesang und auch manche Stücke kommen phasenweise Assoziationen zu kauzigen Leuten wie Joe Walsh („Can’t Start Over Again“, Bam Bang Boom“),  und J. J. Cale („Kickin’ Child“, „My Baby Loves To Boogie“) auf.

Insgesamt ein tolles abwechslungsreiches Blues (Rock)-Album. Der 80-jährige Dion Francis DiMucci hat sich im hohen Alter nochmal ein Denkmal in eigener Sache gesetzt. Zahlreiche Stars haben ihn dabei unterstützt und sich respektvoll untergeordnet. Zurecht Platz 1 in den Blues Charts! ‚Je oller, desto, doller‘, im musikalischen Sinne, möchte man fast meinen.

Keeping The Blues Alive Records (2020)
Stil: Blues, Blues Rock & More

Tracks:
01. Blues Comin’ On (feat. Joe Bonamassa)
02. Kickin’ Child (feat. Joe Menza)
03. Uptown Number 7 (feat. Brian Setzer)
04. Can’t Start Over Again (feat. Jeff Beck)
05. My Baby Loves To Boogie (feat. John Hammond)
06. I Got Nothin’ (feat. Van Morrison, Joe Louis Walker)
07. Stumbling Blues (feat. Jimmy Vivino, Jerry Vivino)
08. Bam Bang Boom (feat. Billy Gibbons)
09. I Got The Cure (feat. Sonny Landreth)
10. Song For Sam Cooke (Here In America) (feat. Paul Simon)
11. What If I Told You (feat. Samantha Fish)
12. Told You Once In August (feat. John Hammond, Rory Block)
13. Way Down (I Won’t Cry No More) (feat. Stevie Van Zandt)
14. Hymn To Him (feat. Patti Scialfa, Bruce Springsteen)

Dion
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