John Mellencamp – Strictly A One-Eyed Jack – CD-Review

Review: Michael Segets

Wie die Zeit vergeht! Fünf Jahre liegt nun das letzte Studioalbum von John Mellencamp mit eigenen Songs zurück. Mit „Strictly A One-Eyed Jack“ setzt der Siebzigjährige seine musikalische Reise fort. Von den wilden Anfangsjahren als Rockstar hat sich Mellencamp nach seinem Herzinfarkt in den 1990ern verabschiedet. Bereits vorher verschob sich seine musikalische Orientierung vom Heartlandrock zum Folkrock.

Dabei verlief diese Entwicklung nicht kontinuierlich und auch für andere Musikstile zeigte er sich zwischenzeitlich offen. Seine Alben der letzten fünfzehn Jahre sind tendenziell ruhiger geworden. Die Songs auf „Strictly A One-Eyed Jack“ bewegen sich in Americana- sowie gemäßigten Folkrock-Gefilden und werden durch Blueseinflüsse ergänzt.

Mittlerweile hat sich die Klangfarbe seiner Stimme etwas geändert, sie liegt bei manchen Stücken irgendwo zwischen Tom Waits und Louis Armstrong. Geblieben ist die Vorliebe für die erdige Begleitung seiner Songs, bei denen eine Geige oftmals zum Zuge kommt.

So baut Mellencamp unter anderem beim akustisch gehaltenen „I Always Lie To Strangers“ eine stimmungsvolle Passage für das Instrument ein. Während der Opener auf ganzer Linie überzeugt, wirkt „Driving In The Rain“ etwas altbacken, nicht zuletzt durch den säuselnden Backgroundgesang am Ende des Stücks.

Die Melodie von dem kurzen „Streets Of Galilee“ wird von einem Klavier getragen, was bei Mellencamps früheren Veröffentlichungen sonst eher selten vorkommt. Das Piano steht ebenso beim bluesigen „Gone So Soon“ im Zentrum. Im Verlauf des Songs läuft eine Trompete ihm allerdings den Rang ab. Das Stück hat einen Retro-Charme, der ebenso von „Chasing Rainbows“ – eine runde, entspannte Nummer – mit seinem Chor versprüht wird. Dem leicht angejazzten Blues „I Am A Man That Worries“ kann man hingegen einen gewissen Drive nicht absprechen.

Eine elektrische Gitarre setzt bei „Sweet Honey Brown“ Akzente. Richtig folkrockig wird es aber erst mit „Simply A One-Eyed Jack” und besonders mit dem schnelleren „Lie To Me“. Ebenfalls rockige Töne schlägt „Did You Say Such A Thing“ an. Bruce Springsteen steuert hier die Background-Vocals bei. Springsteen wirkt auch auf „A Life Full Of Rain“ mit.

Höhepunkt der Kollaboration der beiden Altrocker stellt allerdings das Duett „Wasted Days“ dar. In den achtziger Jahren wurde in der Presse mehrfach eine Konkurrenz von Mellencamp und Springsteen kolportiert und durch ständige Vergleiche konstruiert. Umso schöner ist, dass die beiden nun – meines Wissens das erste Mal – gemeinsam ins Studio gegangen sind.

Mellencamp, der sich früher mehrmals politisch und sozial mit seiner Musik engagierte, bleibt diesmal bei persönlichen Themen. Wahrheit und Lüge sowie das Motiv des Regens finden sich mehrmals in Titeln und Texten. Etwas Nostalgie schwingt dabei mit, welche sich auch gelegentlich in der musikalischen Begleitung widerspiegelt.

John Mellencamp tritt bei „Strictly A One-Eyed Jack“ als gereifter Sänger und Songwriter auf. Bei seinem 25. Studioalbum behält er seinen Stil der letzten Veröffentlichungen bei, unternimmt allerdings einzelne Ausflüge zurück in Richtung Folkrock. Ein Highlight ist sicherlich das Duett mit Bruce Springsteen „Wasted Days“. Auch wenn nicht jeder Track einen Volltreffer darstellt, verschwendet man keinesfalls seine Zeit mit dem Werk.

Republic Records/Universal Music (2022)
Stil: Americana/Folkrock

Tracks:
01. I Always Lie To Strangers
02. Driving In The Rain
03. I Am A Man That Worries
04. Streets Of Galilee
05. Sweet Honey Brown
06. Did You Say Such A Thing (feat. Bruce Springsteen)
07. Gone So Soon
08. Wasted Days (feat. Bruce Springsteen)
09. Simply A One-Eyed Jack
10. Chasing Rainbows
11. Lie To Me
12. A Life Full Of Rain (feat. Bruce Springsteen)

John Mellencamp
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Republic Records

Lucinda Williams – Have Yourself A Rockin’ Little Christmas with Lucinda Williams – CD-Review

Review: Michael Segets

Aus der letztjährigen Konzertreihe, die Lucinda Williams als Alternative zu den Liveauftritten vor Publikum per Video streamte, steht jetzt passend zur nahenden Weihnachtszeit „Have Yourself A Rockin’ Little Christmas with Lucinda Williams” als fünfte Ausgabe von Lu’s Jukebox in den Regalen. Williams pickt sich dabei Weihnachtsstücke heraus, die nicht zum klassischen Repertoire gehören, welches an den Festtagen rauf und runter gespielt wird. Entgegen dem Titel bedient sie dabei eher den Blues als den Rock.

„Merry Christmas (I Don’t Want To Fight Tonight)“ – im Original von den Ramones – geht natürlich ab. „Santa Claus Want’s Some Lovin‘“ von Albert King ist ebenfalls rockig ausgelegt und mit einer funkigen Gitarre versehen. Bei „Run Run Rudolph“ legt Williams Soul in die Performance. Der von Chuck Berry geschriebene Titel erinnert an den James-Bond-Theme. Buck Owens verfasste „Blue Christmas Lights“ und wird von Williams als Bluesrock interpretiert. Damit sind die temporeicheren Tracks auf dem Longplayer aufgezählt.

Den überwiegenden Teil des Albums bestreitet Williams mit langsameren Blues, versehen mit R&B-Elementen. „Christmas Tears“, „Merry Christmas Baby“, „Please Come Home For Christmas“ sowie „Little Red Rooster”, das von Willie Dixon stammt und von Howlin’ Wolf aufgenommen wurde, gehören in diese Kategorie. Komponiert wurden sie in den 1940ern beziehungsweise den 1960er Jahren. Ebenfalls ruhig, aber mit einem leicht poppigen Americana-Sound versehen, ist „If We Make it Through December“.

Drei Titel gehen in Richtung Swing – allen voran Louis Armstrongs „Christmas In New Orleans“. „I’ve Got My Love To Keep Me Warm“ sowie „Have Yourself A Merry Little Christmas“ gleiten dabei tendenziell in den Jazz über. Bei den beiden Songs überzeugt der Gesang von Williams nicht vollständig, obwohl ich sonst ein Fan ihrer stimmlichen Fähigkeiten bin.

Auf ihrem Weihnachtsalbum „Have Yourself A Rockin’ Little Christmas” unternimmt Lucinda Williams einen Streifzug durch die Geschichte der populären Musik und greift vorwiegend in Vergessenheit geratene Songs heraus. Anders als der Titel vermuten lässt, steht dabei der Blues im Fokus ihrer Interpretationen. Daneben finden sich rockige Versionen auf der Scheibe und auch dem Swing wird Raum gegeben. Wem die bereits vorgestellte CD von Brian Fallon zu den Festtagen zu reduziert ist, bekommt mit der von Lucinda Williams eine Alternative angeboten, um die stille Zeit bis Neujahr zu überbrücken.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Christmas Songs

Tracks:
01. Blue Christmas Lights
02. Run Run Rudoph
03. Christmas Tears
04. If We Make It Through December
05. Merry Christmas Baby
06. I’ve Got My Love To Keep Me Warm
07. Santa Claus Want’s Some Lovin’
08. Christmas In New Orleans
09. Please Come Home For Christmas
10. Little Red Rooster
11. Merry Christmas (I Don’t Want To Fight)
12. Have Yourself A Merry Little Christmas

Lucinda Williams
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