Tedeschi Trucks Band and Leon Russell – Mad Dogs & Englishmen Revisited Live at Lockn‘ – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Das Locknʼ Festival in Arrington, Virginia, zählte fast 10 Jahre zu den namhaften Konzertveranstaltungen. Es war insbesondere bekannt für die vielen, großartigen Kollaborationen aus der Southern-, Country-, Americana-, Blues-, Soul-Szene, die in Jam Sessions und einmaligen Gastauftritten Seltenheitswert erlangten und immer wieder spannende Raritäten hervorbrachten. Zu diesen ausschließlich für Locknʼ konzipierten Performances zählte 2015 die Neu-Inszenierung von “Mad Dogs & Englishmen”, dem 1970er Joe Cocker US-Tournee-Album.

Die Tedeschi Trucks Band brachte für das sogenannte “Revisited”-Konzert eine Reihe prominenter Gäste, wie u. a. Warren Haynes (Gov’t Mule), Chris Robinson (The Black Crowes), Anders Osborne (North Mississippi Allstars) auf die Bühne. Von den ursprünglichen 70er Tournee-Akteuren waren z. B. Chris Stainton, Rita Coolidge und natürlich Altmeister Leon Russell – damals Bandleader, Arrangeur, Songwriter und Multiinstrumentalist – mit dabei. Die Konzertaufnahme “Mad Dogs & Englishmen Revisited Live at Locknʼ” ist nun über Fantasy Records offiziell erhältlich, wobei sich die Auswahl der neu interpretierten Titel nicht nur auf das 70er Album erstreckt, sondern auch Songs der 2005er Deluxe Edition einbezieht. Cockers Klassiker “The Letter” startet den umwerfenden Big Band Rausch mit Susan Tedeschi als Soul-Diva. Der geniale Lovin’ Spoonful Hit “Darling Be Home Soon” endlich in außergewöhnlicher 6-Minuten Version: Tedeschis Vocals und Doyle Bramhalls Solo-Saiten, ein weiteres Highlight gleich zum Auftakt der Setlist.

Bob Dylans “Girl From The North Country” war damals wie heute einer der Höhepunkte der Aufnahmen – jeweils unter phänomenaler Beteiligung von Soulsängerin Claudia Lennear, die bei “The Weight”, wie im Original, wieder zusammen mit Rita Coolidge und zusätzlich Susan Tedeschi im großen Bandgefüge zur grandiosen Werkschau beiträgt. Auch hier verkraftet der alte The Band Titel das umfangreiche, “orchestrale” Arrangement vom klassischen Americana-Rock zum Gospel-Soul-Schwergewicht. Joe Cockers Tournee-Marathon durch über 40 US-Städte – mit 20 köpfiger Band – brachte den Longplayer bis auf Platz 2 der US-Charts und dem englischen Sänger mit den leidenschaftlichen Bühnen-Gesten den Ruf ein, Teil der 2. britischen Rock- Invasion zu sein, die Ende der 60er die US-Hitparaden überrollte.

Auf seiner Tour-Setlist markierten immerhin drei Beatles-Songs, ein Stones-Titel und das unverwüstliche „Feelin‘ Alright“ (in Lockn‘ gesungen vom Songwriter Dave Mason himself) den UK-Schwerpunkt. Beim “Revisited”-Konzert gehören die Lennon/McCartney Klassiker “She Came Through The Bathroom Window” (ft. Warren Hayes) und “With A Little Help From My Friends” (ft. u.a. Chris Robinson) wieder zu den herausragenden Interpretationen, die ihren zeitlosen Charme im Mega-Sound von rund 20 Akteuren ausbreiten. Hierbei leistet der leider ein Jahr später verstorbene Leon Russell nochmal inspirationale Klanggestaltung und instrumentale Choreographie, um mit seiner Schlußballade von “Mad Dogs & Englishmen” die “Wiedergeburt” des Rock-geschichtlichen Vorbilds gebührend zu feiern.

Mit der einmaligen/legendären Produktion “Mad Dogs & Englishmen Revisited Live at Locknʼ” haben die Tedeschi Trucks Band und Leon Russell ein musikhistorisches Live-Album wieder in Erinnerung gerufen. Entstanden ist eine magisch-lebhafte Hommage an ein legendäres Konzert-Ereignis, dessen einzigartige Verbindung aus Blues, Rock, Jazz, R&B und Soul anhand von ikonischen Musikstücken – auch für eine neue Generation – kongenial konzipiert wurde.

Fantasy Records (2025)
Stil: Blues, Rock, Soul

Tracks:
01. The Letter ft. Susan Tedeschi
02. Darling Be Home Soon ft. Susan Tedeschi & Doyle Bramhall II
03. Dixie Lullaby ft. Doyle Bramhall II
04. Sticks And Stones ft. Chris Robinson
05. Girl From The North Country ft. Claudia Lennear
06. Let’s Go Get Stoned ft. Susan Tedeschi
07. Feelin‘ Alright ft. Dave Mason & Anders Osborne
08. She Came In Through the Bathroom Window ft. Warren Haynes
09. Bird On The Wire ft. Rita Coolidge & Doyle Bramhall II
10. The Weight
11. Delta Lady ft. John Bell
12. Space Captain ft. Susan Tedeschi & Chris Robinson
13. With A Little Help From My Friends ft. Chris Robinson, Susan Tedeschi
14. The Ballad Of Mad Dogs And Englishmen

Tedeschi Trucks Band
Leon Russell
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Oktober Promotion

Various Artists – Back To Paradise. A Tulsa Tribute To Okie Music – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die Großstadt Tulsa in Oklahoma hatte von den 1950ern bis in die 1970er eine sehr lebendige Musikszene, die einen eigenen Sound entwickelte. Der Tulsa Sound hat tiefe Spuren in der Rock-Musik hinterlassen und die Entstehung des Alternative Country oder des Red Dirt beeinflusst. Berühmtester Vertreter dürfte JJ Cale sein. Eric Clapton, der dessen Stücke coverte, machte sich auch diese spezielle Spielart zu eigen, obwohl er bekanntlich nicht aus Tulsa stammt.

Die örtliche Musiklandschaft wurde maßgeblich durch Leon Russell geprägt, der äußerst aktiv im Bereich des Pop und Rock mit etlichen Größen zusammenarbeitete. Ihm gehörte das Paradise Studio, das allerdings seit 1978 nicht mehr als solches genutzt wurde. Rick Huskey sorgte dafür, dass das Studio nicht verfiel und ermöglichte nun zwanzig Musikern aus dem Raum Tulsa, den Sampler „Back To Paradise. A Tulsa Tribute To Okie Music“ einzuspielen. Im Februar diesen Jahren – also noch vor den Corona-Einschränkungen – wurde die Session realisiert, wobei die Songs meist live ohne große Nachbearbeitung aufgenommen wurden. Die Compilation umfasst 17 Stücke mit über 70 Minuten Spielzeit.

Das Album würdigt die maßgeblichen Vertreter des Tulsa Sounds. So finden sich neben zwei Songs von JJ Cale und einem von Leon Russell auch welche von Steve Ripley, David Teegarden oder auch Jesse Ed Davies. Die Interpreten der Stücke waren mir durchweg nicht bekannt, machen ihre Sache aber sehr gut.

Paul Benjaman covert fünf Tracks. Neben den erwähnten Titeln von JJ Cale („I’ll Make Love To You Anytime”, „Ride Me High”) rockt er entspannt ganz im Sinne von Clapton „Helluva Deal” und „Misery Kickin‘ In“. Den Geist der siebziger Jahre atmet das krönende Abschlussstück „Mona Sweet Mona“. John Fullbright ist mit drei Songs vertreten und zeigt dabei die Spannbreite des Tulsa Sounds vom bluesigen „Crossing Over“, über das lockere Midtempo bei „If The Shoe Fits“ bis zum Boogie „Jealous Man“.

Jesse Aycock performt ebenfalls drei Songs. Die beiden sanften, countryfizierten Balladen „Rock N Roll Gypsies“ und „Tulsa County“ sowie als Kontrastprogramm das stampfende „Black Cherry“ gehen auf ihr Konto. Einen deutlichen Country-Einschlag hat ebenfalls „Blind Man“ von Dustin Pittsley, der mit „Can’t Jive Enough“ ein zweites Mal zum Zuge kommt. Aus derselben Ecke, aber in einer rockigeren Ausrichtung, kommt auch der Beitrag von Jacob Tovar („I’m Gonna Get To Tulsa“).

Auffällig sind „Tramp“, das von Branjae hauptsächlich in einem Sprechgesang vorgetragen wird, sowie das Duett „I Yike It“ von Charlie Redd und Briana Wright, das funky Töne anschlägt. Schließlich findet sich noch das von Dwight Twilley geschriebene „I’m On Fire“ auf der Scheibe. Twilley stammt zwar ebenfalls aus Tulsa wird aber nur am Rand dessen Sound zugerechnet. Sein Stück singt Sarah Frick, womit Musikerinnen circa ein Drittel der Stücke interpretieren.

Insgesamt überwiegen die gemäßigt rockenden Töne auf der Scheibe, die man von Clapton rund um „After Midnight“ kennt. Darüber hinaus gibt „Back To Paradise. A Tulsa Tribute To Okie Music” auch anderen, weniger bekannten Spielarten des Tulsa Sounds Raum. Für musikgeschichtlich Interessierte bietet der Sampler die Möglichkeit, eine Bildungslücke in Sachen Tulsa Sound zu schließen. Aber auch ohne diese Ambitionen bekommt man mit der Compilation eine Stunde gute Musik mit Retro-Charme geboten.

Horton Records (2020)
Stil: Tulsa Rock

Tracks:
01. I’ll Make Love To You Anytime – Paul Benjaman
02. Crossing Over – John Fullbright
03. Tramp – Branjae
04. Rock n Roll Gypsies – Jesse Aycock
05. I Yike It – Charleie Redd & Briana Wright
06. Helluva Deal – Paul Benjaman
07. Black Cherry – Jesse Aycock
08. Blind Man – Dustin Pittsley
09. If The Shoe Fits – John Fullbright
10. I’m On Fire – Sarah Frick
11. Tulsa County – Jesse Aycock
12. Ride Me High – Paul Benjaman
13. I’m Gonna Get To Tulsa – Jacob Tovar
14. Misery Kickin’ In – Paul Benjaman
15. Jealous Man – John Fullbright
16. Can’t Jive Enough – Dustin Pittsley
17. Mona Sweet Mona – Paul Benjaman

Horton Records

J.J. Cale – In Session At The Paradise Studios, Los Angeles – DVD-Review

J.J. Cale gehört nach wie vor zu meinen Top Five-Interpreten aller Zeiten. Ich habe von ihm auch so gut wie alle Scheiben die bisher auf den Markt gekommen sind, zum Teil sogar doppelt auf Vinyl und CD. Nicht von ungefähr hat er Stars wie Eric Clapton, Mark Knopfler und auch Ronnie Van Zant von Lynyrd Skynyrd beeinflusst, seine Songs werden bis zum heutigen Tag immer noch gerne gecovert.

Bekam man noch neulich feuchte Augen, als auf Bayern 3 im Fernsehen über den kauzigen Musiker aus Tulsa, Oklahoma ein herrliches Portrait ausgestrahlt wurde, so geht es einem genauso, wenn man sich jetzt die historischen Aufnahmen aus den Paradise Studios in Los Angeles von 1979 ansieht. Ich bin eigentlich nie ein Fan von alten Kamellen gewesen, aber in diesem Fall wird selbst mir klar, dass manche Musiker, wie halt J.J. Cale, in der Lage sind, zeitlose Kompositionen zu kreieren.

Der Gig wirkt zwar etwas eigenartig, es sieht bald so aus, als wenn sich ein paar Musik-Studenten mit ihren Profs zu einer WG-Einweihungspartie getroffen hätten, sich die zur Verfügung stehenden Instrumente geschnappt haben, und dann mal einfach loslegten. Cale sieht aus wie aus dem Mittagsschlaf gerissen, vom Sofa gezerrt, seine dichten, grauen Haare (man könnte meinen, Ako-Pads wüchsen aus seiner Kopfhaut) stehen zu Berge. Ihm gegenüber Leon Russell, eine Mischung aus Methusalem und einem Alm-Ödi, der John in Sachen Coolness, Introvertiertheit und natürlich musikalischer Brillanz Paroli bietet. Der Rest der ebenfalls exzellenten Mitmusiker (Christine Lakeland, Larry Bell, Marty Grebb, Nick Rather, Bill Boatman oder Jimmy Karstein) bewegte sich schon länger im Dauer-Dunstkreis der beiden Hauptprotagonisten, somit ist auch das äußerst homogene Wirken bei den Songs keine Überraschung.

Zu meiner Freude steht meine absolutes Lieblingswerk von J.J. Cale, „5“ (neben der „Shades“, die aber erst vier Jahre später auf den Markt kam), im Fokus des Geschehens. Kein anderer schaffte es je besser, den von ihm quasi erfundenen Laidback-Stil (manchmal fast am Rande zur Lethargie wie bei „Sensitive Kind“ oder „Crazy Mama“) mit einer ungemeinen Spielfreude so perfekt zu vereinen. Cale brummelt seine Texte fast gelangweilt ins Mikro, präsentiert seine Gitarren-Fingerfertigkeit fernab jeder Theatralik, verfolgt aber äußerst aufmerksam die spieltechnischen Leistungen seiner Mitmusiker, ganz selten huscht mal ein verschmitztes Lächeln über seine herben Gesichtzüge in Richtung seines charismatischen Konter-Parts, Leon Russell.

Vorzüglich immer wieder der satte Rhythmus-Teppich, der die Grundlage für seine filigranen Soli bildet, wie auch für die ständig eingeflochtenen Organ- und Piano-Duelle der Herren Russell und Bell. Selbst bei recht flott instrumentierten Boogie-Stücken (da gibt es sogar recht viele wie „T-Bone Shuffle“, „Hands Off Her“, „Goin‘ Down“ oder „Roll On“), lässt Cale sich nicht aus der Ruhe bringen. Sahnehäubchen des Gigs ist aber die furiose Fassung seines Paradesongs „After Midnight“, dass nach recht verschleiertem Gitarren-Intro in einer grandiosen Form dahingroovt. Klasse hier die eingeworfenen Harmonika-Fills von Christine Lakeland und ein starkes Piano-Solo. Absolut genial auch die Fassung von „Boilin‘ Pot“, das in der Studioversion kaum länger als zwei Minuten ist, hier aber mit ausgedehnten Soli (stark die dezenten Harmoniegesänge von Lakeland) in der XXL-Version performt wird.

Richtig Spaß macht auch „Same Old Blues“, wo John und Leon im Duett singen. Aufgepeppt wird die ganze Geschichte auch durch Stücke, wo sich der zwischen Wahnsinn und Genialität zu bewegen scheinende Russell den Leadvocals-Part vollständig übernimmt („Corina Corina“ oder beim abschließenden „24 Hours A Day“), oder, wo Keyboarder Larry Bell, beim souligen, in Richtung Doobie Brothers driftenden „Set Your Soul Free (Tell Me Who You Are)“ sein vokales Talent in den Vordergrund stellt.
Insgesamt ein tolles Konzert, dass wie geschaffen fürs Wohnzimmer ist, und bei dem Anschauungsunterricht in Sachen instrumentalem Können par excellence dargeboten wird. Selbst mein alter Herr, der eigentlich die Jazz-Ecke bevorzugt, ist immer wieder von Cale hingerissen. J.J., du bist und bleibst einer der Größten!

Warner Music Vision (2002)
Stil:  Rock & More

01. T-Bone Shuffle
02. Nowhere To Go
03. Cocaine
04. Ten Easy Lessons
05. Sensitive Kind
06. Hands Off Her
07. Lou-Easy-Ann
08. Going Down
09. Corina, Corina
10. Roll On
11. No Sweat
12. Crazy Mama
13. Fate Of A Fool
14. Boilin‘ Pot
15. After Midnight
16. T-Bone Shuffle
17. T-Bone Shuffle Backwards
18. Same Ole Blues
19. Don’t Cry Sister
20. Set Your Soul Free (Tell Me Who You Are)
21. 24 Hours A Day

Bonus Tracks
22. Call Me The Breeze
23. Ever Lovin‘ Woman
24. Katy Cool Lady
25. Lies
26. Don’t Wait

J.J. Cale
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