Mike Zito – Resurrection – CD-Review

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Der ursprünglich aus St. Louis, Missouri, stammende Mike Zito ist ein Dauerbrenner in unserem Magazin. Sowohl in den vielen CD-Reviews als auch bei Live-Auftritten konnte der ehemalige Royal Southern Brotherhood-, aber vornehmliche Solo-Musiker, immer vollends überzeugen.

Besonders seit der Gründung seines Gulf Coast Labels (zusammen mit Guy Hale) 2018 scheint der heutige Wahl-Texaner vor musikalischer Umtriebigkeit nur so zu brennen. So stehen seitdem auch hier so einige Künstler und deren Werke, bei denen Mike als Produzent und/oder Gitarrist (u. a. The Proven Ones, Kat Riggins, Albert Castiglia) involviert war, bei uns zu Buche.

Nach der schwierigen Corona-Zeit, sieht Zito sein jetziges Treiben als eine Art Wiedererwachen, passend dazu der Titel seines neuen Werkes auch „Resurrection“, übrigens seine siebte Zusammenarbeit mit Producer David Z. (u. a. Prince, Etta James, Billy Idol, BoDeans, Buddy Guy, John Mayall). Acht Eigenkompositionen und mit „I’ll Make Love To You Anytime“ (J.J. Cale), „Presence Of The Lord“ (Eric Clapton/Blind Faith) und „Evil“ (Willie Dixon) drei hervorragend interpretierte Covernummern, sind dabei herausgekommen.

Für mich persönlich erscheint das Werk (auch in den Eigenkompositionen Zitos)  ebenfalls wie eine Art Rückbesinnung an die großen moderneren Blues Rock-Musiker, die mich so Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre begeistert und bis heute ihren Stempel hinterlassen haben.

Schon beim Einstieg mit dem auch von Eric Clapton 1978 gecoverten „I’ll Make Love To You Anytime“ (hier mit einem starken Saxofon-Solo am Ende als besondere Note) huldigt er mit J. J. Cale einen meiner Lieblingskünstler. Dessen Spirit reicht auch ganz tief in den herrlichen Schleicher „In My Blood“ (Marke „Boilin‘ Pot“), zugleich mein Lieblingsstück des Albums, hinein. Tolle leicht angejazzte E-Gitarre, herrliche Harmoniegesänge im dezent countryesken Refrain von Lisa Andersen, ein grandioser atmosphärischer Song! Auch das später folgende „You Don t Have Me“ erinnert unterschwellig an den kauzigen Songwriter aus Oklahoma (Richtung „River Runs Deep“).

Das aggressiv groovende „Don’t Bring Me Down“ mit furiosen E-Gitarren-Parts könnte auch aus dem Warren ‚Haynes-Dunstkreis“ entsprungen sein. „Dreaming Of You“ wirkt ein wenig von Ronnie Milsaps „Stranger In My House“ inspiriert. Eric Clapton kommt dann mit seinem „Presence Of The Lord“ endgültig in Zitos Werk an, hier steht der Protagonist, rein stimmlich übrigens auch in Bestform, im berühmten E-Solo-Gitarrenbridge Mr. Slowhand in Nichts nach und untermauert sein fulminantes Saitenkönnen (natürlich auch im Slide-Bereich). Ganz stark!

Das schwermütige „When It Rains“ verbreitet Totengräberstimmung und könnte somit auch einen Trauermarsch begleiten, deshalb hier wohl auch eine unverkennbare Peter Green-Note im Lied. Wer nicht genug von unserem kürzlich besprochenen posthumen Gary Moore-Album „How Blue Can You Get“ bekommen kann, erhält hier eine hymnische Blues-Ballade à la „Still Got The Blues“ & Co. als Nachschlag.

Dass Zito den Süden tief in seinem Blut hat, offenbart der launige Southern Rock-Boogie „Running Man“. ‚Skynyrd to the core‘ würde ich hier sagen. Stücke wie „Gimme Three Steps“, „Whiskey Rock-A-Roller“ „Smokestack Lightning“, „Good Lovin’s Hard to Find“ etc. lassen grüßen. Hier gefällt auch das Billy Powell-Gedächtnis-Klimper-Piano.

Seine einstigen Dämonen (Zito hatte ja lange mit Drogenproblemen zu kämpfen) scheinen Geschichte zu sein, hier bekämpft der das von Willie Dixon kreierte ‚Böse‘ mit fürchterlichen Orgel- (klasse Lewis Stephens) und E-Gitarren-Attacken. Ein Fest für Freunde des psychedelischen Blues Rocks.

Und der für mich als Erinnerungsstütze immer wichtige letzte Track des Albums, hier das Titelstück „Resurrection“, ist nochmals ein absolutes Highlight mit viel Southern Soul-Flair. Klingt für mich fast wie ein neues „Soulshine“. Typisches Warren Haynes-, aber auch Dickey Betts-Feeling („Atlanta‘ Burning Dow“, „Mr. Blues Man“) verleihen diesem grandiosen Abschluss ordentlich Klassiker-Potential.

Zito selbst dazu: „Resurrection is an album of feelings, emotions, and is very personal. The title track is how I once almost lost my love, but it came back stronger than ever. I have had this song in me for years, but it only makes sense now to share it with the world. After the year we have had on planet Earth, I believe we all need a rebirth. This rebirth has given me an opportunity to be who I want to be musically and artistically.”

Gelegenheit eindrucksvoll genutzt, Mike Zito! Eine absolute Blues Rock-Sternstunde im Jahr 2021!

Gulf Coast Records (2021)
Stil: Blues Rock

01. I’ll Make Love To You Anytime
02. Don t Bring Me Down
03. Dreaming Of You
04. In My Blood
05. Presence Of The Lord
06. When It Rains
07. You Don t Have Me
08. Damned If I Do
09. Running Man
10. Evil
11. Resurrection

Mike Zito
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Gulf Coast Records
V2 Records

J.J. Cale – In Session At The Paradise Studios, Los Angeles – DVD-Review

J.J. Cale gehört nach wie vor zu meinen Top Five-Interpreten aller Zeiten. Ich habe von ihm auch so gut wie alle Scheiben die bisher auf den Markt gekommen sind, zum Teil sogar doppelt auf Vinyl und CD. Nicht von ungefähr hat er Stars wie Eric Clapton, Mark Knopfler und auch Ronnie Van Zant von Lynyrd Skynyrd beeinflusst, seine Songs werden bis zum heutigen Tag immer noch gerne gecovert.

Bekam man noch neulich feuchte Augen, als auf Bayern 3 im Fernsehen über den kauzigen Musiker aus Tulsa, Oklahoma ein herrliches Portrait ausgestrahlt wurde, so geht es einem genauso, wenn man sich jetzt die historischen Aufnahmen aus den Paradise Studios in Los Angeles von 1979 ansieht. Ich bin eigentlich nie ein Fan von alten Kamellen gewesen, aber in diesem Fall wird selbst mir klar, dass manche Musiker, wie halt J.J. Cale, in der Lage sind, zeitlose Kompositionen zu kreieren.

Der Gig wirkt zwar etwas eigenartig, es sieht bald so aus, als wenn sich ein paar Musik-Studenten mit ihren Profs zu einer WG-Einweihungspartie getroffen hätten, sich die zur Verfügung stehenden Instrumente geschnappt haben, und dann mal einfach loslegten. Cale sieht aus wie aus dem Mittagsschlaf gerissen, vom Sofa gezerrt, seine dichten, grauen Haare (man könnte meinen, Ako-Pads wüchsen aus seiner Kopfhaut) stehen zu Berge. Ihm gegenüber Leon Russell, eine Mischung aus Methusalem und einem Alm-Ödi, der John in Sachen Coolness, Introvertiertheit und natürlich musikalischer Brillanz Paroli bietet. Der Rest der ebenfalls exzellenten Mitmusiker (Christine Lakeland, Larry Bell, Marty Grebb, Nick Rather, Bill Boatman oder Jimmy Karstein) bewegte sich schon länger im Dauer-Dunstkreis der beiden Hauptprotagonisten, somit ist auch das äußerst homogene Wirken bei den Songs keine Überraschung.

Zu meiner Freude steht meine absolutes Lieblingswerk von J.J. Cale, „5“ (neben der „Shades“, die aber erst vier Jahre später auf den Markt kam), im Fokus des Geschehens. Kein anderer schaffte es je besser, den von ihm quasi erfundenen Laidback-Stil (manchmal fast am Rande zur Lethargie wie bei „Sensitive Kind“ oder „Crazy Mama“) mit einer ungemeinen Spielfreude so perfekt zu vereinen. Cale brummelt seine Texte fast gelangweilt ins Mikro, präsentiert seine Gitarren-Fingerfertigkeit fernab jeder Theatralik, verfolgt aber äußerst aufmerksam die spieltechnischen Leistungen seiner Mitmusiker, ganz selten huscht mal ein verschmitztes Lächeln über seine herben Gesichtzüge in Richtung seines charismatischen Konter-Parts, Leon Russell.

Vorzüglich immer wieder der satte Rhythmus-Teppich, der die Grundlage für seine filigranen Soli bildet, wie auch für die ständig eingeflochtenen Organ- und Piano-Duelle der Herren Russell und Bell. Selbst bei recht flott instrumentierten Boogie-Stücken (da gibt es sogar recht viele wie „T-Bone Shuffle“, „Hands Off Her“, „Goin‘ Down“ oder „Roll On“), lässt Cale sich nicht aus der Ruhe bringen. Sahnehäubchen des Gigs ist aber die furiose Fassung seines Paradesongs „After Midnight“, dass nach recht verschleiertem Gitarren-Intro in einer grandiosen Form dahingroovt. Klasse hier die eingeworfenen Harmonika-Fills von Christine Lakeland und ein starkes Piano-Solo. Absolut genial auch die Fassung von „Boilin‘ Pot“, das in der Studioversion kaum länger als zwei Minuten ist, hier aber mit ausgedehnten Soli (stark die dezenten Harmoniegesänge von Lakeland) in der XXL-Version performt wird.

Richtig Spaß macht auch „Same Old Blues“, wo John und Leon im Duett singen. Aufgepeppt wird die ganze Geschichte auch durch Stücke, wo sich der zwischen Wahnsinn und Genialität zu bewegen scheinende Russell den Leadvocals-Part vollständig übernimmt („Corina Corina“ oder beim abschließenden „24 Hours A Day“), oder, wo Keyboarder Larry Bell, beim souligen, in Richtung Doobie Brothers driftenden „Set Your Soul Free (Tell Me Who You Are)“ sein vokales Talent in den Vordergrund stellt.
Insgesamt ein tolles Konzert, dass wie geschaffen fürs Wohnzimmer ist, und bei dem Anschauungsunterricht in Sachen instrumentalem Können par excellence dargeboten wird. Selbst mein alter Herr, der eigentlich die Jazz-Ecke bevorzugt, ist immer wieder von Cale hingerissen. J.J., du bist und bleibst einer der Größten!

Warner Music Vision (2002)
Stil:  Rock & More

01. T-Bone Shuffle
02. Nowhere To Go
03. Cocaine
04. Ten Easy Lessons
05. Sensitive Kind
06. Hands Off Her
07. Lou-Easy-Ann
08. Going Down
09. Corina, Corina
10. Roll On
11. No Sweat
12. Crazy Mama
13. Fate Of A Fool
14. Boilin‘ Pot
15. After Midnight
16. T-Bone Shuffle
17. T-Bone Shuffle Backwards
18. Same Ole Blues
19. Don’t Cry Sister
20. Set Your Soul Free (Tell Me Who You Are)
21. 24 Hours A Day

Bonus Tracks
22. Call Me The Breeze
23. Ever Lovin‘ Woman
24. Katy Cool Lady
25. Lies
26. Don’t Wait

J.J. Cale
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