Various Artists – Mo’ Peaches Volume 1 – Southern Rock That Time Forgot – CD-Review

Mo Peaches 1 300

Review: Michael Segets

Reinhard Holstein erweist sich einmal mehr als Schatzsucher des Southern Rock, indem er sich mit seinem neuen Label und Mailorder Juke Joint 500 auf den Weg macht, vergessene Southern-Rock-Bands auszugraben und auf Vinyl zu veröffentlichen. Früher federführend bei Glitterhouse Records und Stag-O-Lee Records stieg Holstein letztes Jahr bei Whiskey Preachin‘ Records ein. Dem Label verdanken wir bereits eine Compilation mit unverbrauchten Acts sowie die Neuentdeckung von The Rhyolite Sound und Ole Whiskey Revival. Nun startet er ein weiteres ambitioniertes Projekt, das die Fans handgemachter Rockmusik im Auge behalten sollten.

Anfang der 1970er Jahre gab das Capricon Label Peaches-Sampler heraus, auf denen Southern Rock zelebriert wurde. Als Reminiszenz an diese glorreichen Zeiten des Genres betitelt Holstein seine Compilation als „Mo‘ Peaches“. Auf ihr stellen sich zehn amerikanische Bands beziehungsweise Musiker vor, die über eine lokale Bekanntheit nicht hinausgekommen sind. Ihre größtenteils in Eigenproduktion veröffentlichten CDs beabsichtigt Juke Joint 500 auf Vinyl und gegebenenfalls als digitale Reissue herauszugeben. Als handnummerierte, auf 500 (multicolored) Exemplare limitierte LPs richtet sich die Label-Strategie auf eingefleischte Sammler. Die musikalische Qualität, die sich auf den ersten Hörproben zeigt, macht aber deutlich, dass die Bands ein großes Publikum verdient hätten.

Der Opener „Due South“ von John Mohead ist zugleich der älteste Track. Er stammt aus dem Jahr 1995. Das swampige, von Jimi Hendrix komponierte „Red House“ der Chase Walker Band wurde 2016 veröffentlicht. Die anderen Stücke entstanden in den zwanzig dazwischenliegenden Jahren. Daher erscheint der Untertitel der Zusammenstellung „Southern Rock That Time Forgot” durchaus passend, zumal alle Songs die Erwartungen einlösen, die an solche Genrebeiträge gestellt werden. Dabei nehmen sie mal indirekt Bezug zu den Klassikern, wie Bishop Black („Long Road To Bama“) bei Lynyrd Skynyrd, oder direkt, wenn Eat A Peach „Ain’t Wastin‘ Time No More“ von der Allman Brothers Band covert.

Alligator Stew steuert das treibende „Louisiana Man“ mit leichten Country-Anleihen bei. „Black Chrome Horse“ von den Railbenders rockt in einem mittleren Tempo. Die beiden Songs überzeugen in ihrer ehrlichen und gradlinigen Art. In dieser steht Alligator Jacksons „Enjoy The Ride“ in nichts nach. Die elektrischen Gitarren erzeugen dort sogar noch einen volleren Sound. Ein Best-Of-Album von Alligator Jackson ist bereits bei Juke Joint 500 für Februar angekündigt, das nun gespannt erwartet werden kann.

Mit Ausnahme des bereits erwähnten Beitrags der Chase Walker Band legen die Songs ein ordentliches Tempo vor. Hervorzuheben ist allerdings das explosive „Slow Down Irene“. Bei dem Titel von Judge Parker geben Klavier, Mundharmonika und natürlich Gitarren mächtig Gas. Noch einen Deut aggressiver rockt „Little Miss Whiskey“, wobei die Nummer immer melodiös bleibt. Ein kurzes, auf den Punkt gespieltes Gitarrensolo setzt dem Song der Morrison Brothers Band die Krone auf. Zusammen mit dem Track von The Remus Tucker Band zählt er zu meinen Favoriten auf dem Sampler. Mit dem akzentuierte Rhythmus gepaart mit einem kraftvollen Backgroundchor und Gitarren der Extraklasse, die am Ende „Swing Low, Sweet Chariot“ interpretieren, bildet „Bury Me On The Banks Of Mississippi“ den fulminanten Abschluss des Albums.

So bleibt am Ende fast etwas Wehmut, dass Holstein nicht noch mehr Southern-Rock-Nuggets aufgespürt und auf die Scheibe gepackt hat. Weiterhin bleibt unverständlich, warum die auf ihr vertretenen Bands bislang kaum Erfolg hatten – aber das Musikbusiness ist halt schwer zu durchschauen.

Fans des Southern Rock kommen bei der Compilation voll auf ihre Kosten. Da gute Musik zeitlos ist, macht es keinen Unterschied, dass manche Tracks älter als zwanzig Jahre sind. Reinhard Holstein hat auf seiner akribischen Suche wieder Genre-Perlen zutage gefördert, die auf den Plattenteller gehören.

Diese bietet er über seinen Mailordershop Juke Joint 500 zu äußerst fairen Preisen an, auf dem man auch die Veröffentlichungen des Whiskey Preachin‘ Labels erwerben kann.

Juke Joint 500 (2021)
Stil: Southern Rock

Tracks:
01. Due South – John Mohead
02. Louisiana Man – Alligator Stew
03. Slow Down Irene – Judge Parker
04. Long Road To Bama – Bishop Black
05. Little Miss Whiskey – Morrison Brothers Band
06. Red House – Chase Walker Band
07. Black Crome Horse – Railbenders
08. Enjoy The Ride – Alligator Jackson
09. Ain’t Wastin’ Time No More – Eat A Peach
10. Bury Me On The Banks Of Mississippi – The Remus Tucker Band

Juke Joint 500

Doyle Bramhall II, 06.11.2019, Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbericht

DB_haupt

Doyle Bramhall II zum zweiten Mal in diesem Jahr im Musiktheater Piano in Dortmund! Nachdem er bereits im Juni im schönen Club gespielt hatte, überraschte er Jenny Dore wohl mit dem Angebot, jetzt noch mal einen Zwischenstopp an der Lütgendortmunder Straße tätigen zu wollen.

An diesem nasskalten November-Abend musste allerdings auch der prominente Texaner, der ja immerhin von Leuten wie Roger Waters oder Eric Clapton als Gitarrist gebucht wird, zur Kenntnis nehmen, dass es mitten in der Woche, nur sehr schwer bei uns ist, richtig viele Leute vom heimischen Sofa wegzulocken. Die Zuschauerzahl hätte wie letzte Woche schon bei Laurence Jones, bei solch einer Qualität, doch gerne etwas höher ausfallen dürfen.

Mit 20-minütiger Verspätung kam das Trio auf die Bühne. Nach kurzem Warmspielen zum psychedelisch angehauchten Opener „Love & Pain“ ließ es der wieder recht egozentrisch, introvertiert und wortkarg rüberkommende Protagonist (so hatte ich ihn auch bei meinem ersten Besuch in Erinnerung), zunächst mit Tracks wie „Mama Can’t Help“, „November“, „Everthing You Need“ oder „Searching For Love“ recht melodisch angehen.

Der neue Drummer Tony Leone ist ja ähnliche Charaktere von der Chris Robinson Brotherhood gewohnt und auch Bramhalls konstanter Mitstreiter Adam Minkoff (mit Haaren wie Schafswolle auf dem Kopf), der wieder durch seine Vielseitigkeit glänzte (Keys und Bass, einmal sogar gleichzeitig) und diesmal stärker bei den Vocals eingebunden war, scheinen den Protagonisten bei seinem filigranen Gitarrenwirken ziemlich gelassen hinzunehmen.

Ab dem Hendrix-Cover „Izabella“ und spätestens mit dem Stooges-Song „I Wanna Be Your Dog“ wurde es ziemlich psychedelisch, jammig, teilweise punkig (auch bei „Green Light Girl“ als Abschluss des Hauptteils) und für meine Gehörgänge oft zu frickelig und technisch. End-60er-/Anfang-70er-Rock-affine Leute, die wohl auch die größte Gruppe unter den Anwesenden darstellten, werden demnach ganz gut auf ihre Kosten gekommen sein. Auch Doyle hatte in dieser Phase zumindest ab und zu Spass in den Backen und lächelte kurzzeitig in Richtung seiner Begleitmusiker. Er ließ sich sogar mal zu einer Ansage wie „What day is it?“ hinreißen.

Erst mit den Zugaben, dem weiteren Hendrix-Klassiker „Angel“, der allerdings mit zunehmender Dauer im Gitarrenpart auch sehr kräftig aufbrauste und dem atmosphärischen „So You Want It To Rain“ (Bramhall temporär mit dezentem Southern-Spiel), wurde der Gig wieder wieder etwas gemäßigter beendet. Ich persönlich hätte mir mal ein zwei Stücke aus seiner Arc Angels-Zeit gewünscht, aber es geht ja hier nicht um meine Befindlichkeiten.

Immerhin ließ der Meister sich dann am Merchandising-Stand sehen, und wirkte da eigentlich ganz herzlich, weniger unnahbar als auf der Bühne und erfüllte ganz gelassen Autogramm- und Fotowünsche (u. a. auch einen schönen großformatigen Schnappschuss des Kollegen Mangold). Insgesamt also ein qualitativ hochwertiger musikalischer Abend (Doyle spielt schon toll Gitarre), der aber eher dem Charakter einer ‚Vorlesung‘ für Musikstudenten von einem in sich gekehrten Lehrmeister glich. Für eine packendere Stimmung und mehr Begeisterung an einem nasskalten ungemütlichen Mittwoch-Abend in der Arbeitswoche muss man ein Publikum letztendlich doch deutlich mehr mitnehmen.

Line-up:
Doyle Bramhall II (lead vocals, electric guitar, vocals)
Tony Leone (drums, vocals)
Adam Minkoff (bass, keys, vocals, lead vocals)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

Doyle Bramhall II
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