Chris Weaver Band – American Dreamer – CD-Review

Weaver

Wie kommt man in solch jungen Jahren nur zu so einer Stimme? Ob der aus West Virginia stammende Sänger Chris Weaver, als Kleinkind bei einem der Gigs seines Vaters in einer verräucherten Honkytonk-Spelunke unbeaufsichtigt auf einem halb geöffneten Jack Daniels-Fass herumgeklettert und hineingefallen ist, wurde bisher nicht überliefert. Fest steht aber, dass der Bursche – wie so oft in den Staaten – musikalisch vorbelastet ist, hochtalentiert und mit einem herrlich rauchig-rotzigen Stimmorgan gesegnet ist.

Dazu kam – ganz der Daddy – der unweigerliche Drang, Musik zu machen, was ihn schließlich auch nach Nashville führte. »I played every place that sold a chicken«, so Weaver zu seinen ersten Bemühungen, im Country-Haifischbecken der Zunft Fuß zu fassen. Sein Debüt-Werk „Standing In Line“ öffnete ihm erste Pforten. Ein tolles Album, mit von Allem etwas, das allerdings, trotz der Offenbarung seines immensen vokalen Potentials, noch ein wenig die gerade Linie vermissen ließ.

Mit der Einbindung von Musiker und Produzent Josh Leo (Alabama, Nitty Gritty Dirt Band, Lynyrd Skynyrd, Bad Company), der Chris jetzt für das Folgealbum „American Dreamer“ unter seine Fittiche nahm, hat Weaver (ähnlich wie vielleicht Blackberry Smoke mit Justin Niebank) direkt einen Quantensprung vollzogen. Ein Werk, das in grandioser Form sehr organisch gehaltenen New Country mit typischen Southern Rock-Zutaten in einem klug ausgewogenen Verhältnis kombiniert – durchgehend hochmelodisch (auch bei den härteren Stücken) und dann noch dazu diese Stimme… herrlich!

Chris hat sämtliche Tracks zum Teil alleine oder in kleinem Kreis mit Leuten wie Josh Leo, Langzeit-Schreibkollege und Musiker Matthew Rogers sowie Muscle Shoals-Musiker James LeBlanc komponiert. Dazu wurde ein ebenfalls exklusiver Kreis von tollen Musikern involviert, unter denen – neben Leo – Jack Pearson (Mitglied der Allman Brothers von 97-99), hier vornehmlich als Slide-Gitarrist, Nashville-Studio-Stargitarrist Tom Bukovac, Tastenvirtuose Tony Harrell und Reibeisen-Sängerin Kim Carnes („Bette Davis‘ Eyes“), im Background tätig, zu den prominentesten Vertretern zählen.

Der wie eine Dampflok dahinschnaubende Opener „Gravy Train“ dürfte direkt der Southern Rock-Fraktion den Mund wässrig machen. Das Banjo klirrt, die Slide- und E-Gitarren surren, die Background-Damen Kim Keyes und Vickie Hampton winseln ihre »Uhuhuus« im Refrain. Dazu gibt es unterschwelliges „Sweet Home Alabama“-Piano-Rhythmus-Geklimper von Harrell. Toller Song.

Das mit einem A capella-Intro startende „Raise The Dead“ bietet leicht gospelig angehauchte Kost. So was würde man gerne mal auf einer hiesigen Beerdigung hören, wenn es denn auch nicht unbedingt die eigene sein muss… Der Titelsong „American Dreamer“ offeriert dafür mehr melodisch geerdeten Rock mit einem klasse Refrain, dazu mit schönen Bridges verschachtelt und einem starken Southern-E-Gitarrensolo.

Die folgenden southern-souligen Balladen „California High“ (mit kurzem Schrei und typischen Ahahah-Harmonies der Sängerinnen. Joe Cockers Version von „With A Little Help From My Friends“ lässt grüßen) und „Guarantee To You“ (Orgel-/Dickey Betts-Gedächtnis-E-Solo nacheinander als Kombi) sind zum Wegschmelzen. Falls sich hier bei einem Vertreter unserer Gattung nicht eine augenblickliche Gänsehaut bildet und die Nackenhaare auf voller Länge auftürmen, sollte dieser schleunigst bei einem Psychologen abklären lassen, ob er unter chronischer Gefühlskälte leidet und auf dem Weg ist, zu einem Eisberg zu mutieren…

Mit rootsigen Stoff, im Stile eines Paul Thorn, geht es bei „Without Chains“ weiter. Kim Carnes und Kim Keyes säuseln zu Weavers hier mal etwas knochigerem Gesang. Bei „Givin‘ It Up“ ist swampiger Southern Rock in Skynyrd-Manier angesagt. „I Should Have Said That“ in der Vollversion würde Leuten wie Johnny Reid und Joe Cocker im souligen Balladen-Bereich auch gut zu Gesicht stehen.

Chris Weaver zählt u. a. Größen wie Bob Seger und Bruce Springsteen zu seinen Einflussgebern und Vorbildern. Den Beweis erbringt das piano-unterlegte „Time Has Wings“, das so ein bisschen an Segers Songs der Achtziger erinnert. „You’ll Accomp’ny Me“ fällt mir da spontan ein. Der offizielle Hauptteil schließt mit „Nothing More“, wieder einem Southern Rock-umwehten Stück, das auch gut in die Doc Holliday-/Rossington-Ära gepasst hätte. Ein typisches E-Solo inklusive.

Das erste Lied der Bonustracks, „Want It“, würde auch im Repertoire der heutigen Skynyrd bestehen (Slide-Solo). Hier dürfen die E-Gitarristen Ben Owens und Jeffrey Harper ausnahmsweise mal die Backings auf männliche Art und Weise singen. Das finale „I Should Have Said That“, in einer Alternativ-Version, liefert dann den beiden Hauptprotagonisten des Albums noch mal die Bühne. Josh Leo spielt die klare Akustikgitarre und Chris‘ Röhre kann sich in diesem eng gesteckten Rahmen, noch mal richtig intensiv entfalten. Wunderbar!

Fazit: Ich habe selten einen Sänger wie Chris Weaver sich mit solch einer puren Leidenschaft und Emotion vokal in seine Songs reinknien gehört. Man paare gesanglich Leute wie Joe Cocker, Johnny Reid und JJ Grey, kombiniere dazu Southern-Country-Musik à la Skynyrd, Doc Holliday, Dirty Guv’nahs, Billy Ray Cyrus oder James Otto, dezent vermengt mit ein paar klassischen Interpreten wie Bob Seger, Bruce Springsteen oder John Mellencamp und man erhält die Musik, die hier auf „American Dreamer“ perfekt inszeniert und gebündelt wurde. Geht es noch besser? Aus meiner Sicht nur ganz schwer! Meine absolute Hochachtung, Chris Weaver! Ich träume bzw. fiebere schon dem nächsten Werk entgegen!

P. S.
Danke auch an Executive Producer und Manager Jeff Catton für die umgehende und unproblematische Bemusterung.

American Roots Records (2013)
Stil: New Country

01. Gravy Train
02. Raise The Dead
03. American Dreamer
04. California High
05. Guarantee To You
06. Without Chains
07. Givin‘ It Up
08. I Should Have Said That
09. Time Has Wings
10. Nothing More

Bonus Tracks:
11. Want It
12. I Should Have Said That (Acoustic)

Chris Weaver Band
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InTune Entertainment

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