Billy Ray Cyrus – Time Flies – CD-Review

„Time Flies“ ist von den vier CDs, die ich von Billy Ray Cyrus mittlerweile kenne, eindeutig die beste. 15 Songs innerhalb einer knappen Stunde fliegen an einem regelrecht vorüber, ohne dass man merkt, wie die Zeit vergangen ist. Es liegt an der Vielseitigkeit der Lieder und einem Sänger, der unheimlich frisch und kämpferisch wirkt. Ein Grund dafür wahrscheinlich die Querelen im Vorfeld der Veröffentlichung, auf die ich noch am Ende zu sprechen kommen werde.

Das Werk, im Konsens gesehen, ist eigentlich gar nicht new-country-typisch. Ich würde es eher als äußerst variables Rockalbum einstufen, das sich harmonisch der einen oder anderen Strömung bedient, aber nie Gefahr läuft, seine Linie zu verlieren.

So ist das Titelstück eine wunderschön relaxte Westcoastballade, getragen von einer lockeren Akustikgitarre, herrlichem Slidespiel und dezent eingebrachten E-Gitarren im Hintergrund. Poco hätte das nicht besser bringen können. In die gleiche Kerbe schlägt „Tell Me“. Man könnte meinen, Glenn Frey und Don Henley hätten mal wieder einen Schlichtungsversuch für ein Eagles-Comeback hinter sich.

Da gibt es zwei so unwiderstehliche Honkytonkrocknummern wie „I Luv Ya“ (über Frauen, die jeder mag, aber die soviel Herzschmerz verursachen; Cindy Crawford und Julia Roberts werden als Lehrbeispiele angeführt) und „Hard To Leave“, der vielleicht legitime Nachfolger seines größten Hits. Klingt wie eine Mischung aus „Achy Breaky Heart“ und der Chuck Berry-Nummer „C’est la vie“. Ein toller Rocker, der sich zur Endlos-Abfeier-Live-Nummer bestens eignet, mit herrlichem Pianogeklimper a là Billy Powell im Mittelteil.

Wer Southern Rock nicht unbedingt mit Gitarren-Soli-Orgien verbindet, wird auch bei einigen Liedern auf seine Kosten kommen. Eine ganze Reihe von Songs bieten genretypische Stilelemente, allerdings immer relativ wohl dosiert. In manchen ‚weich‘ gesungenen Strophen ist Billy Rays Stimme mit der von Johnny Van Zant vergleichbar, zahlreiche Slide- und E-Gitarrenparts sind unverkennbar Südstaaten-Rock-orientiert („Bread Alone“, „The Way It Is“, „I Still Believe“ – sehr 38 Special-ähnlich vom Grundmuster her).

Dazu gesellen sich natürlich auch die eine oder andere Ballade, mal stärker („What Else Is There“ und die Akustikversion von „Some Gave All“, das dank frischer Stimme – es wird nicht so rumgeknödelt wie beim Original – und kraftvoller Akustikgitarre irgendwie moderner und peppiger rüber kommt), mal etwas schwächer, weil ein wenig schmalzig („Nobody“/“Without You“).

Zwei richtige straighte Rocker lassen gegen Ende erneut die Lucie richtig abgehen. „Close To Gone“ könnte die Bottle Rockets und The Beatfarmers als Inspirationsquelle gehabt haben; „Stand Still“ erinnert mit seinen treibenden Pianopassagen an „The Fire Inside“ von Bob Seger.

Ach ja, wo bleiben eigentlich die Country-Elemente? Am ehesten noch beim Auftaktstück „What Else Is There“ die dezenten Steeleinlagen oder die Fiddelbegleitung bei „Back To Memphis“, eine Art Heartlandballade, keltisch angehaucht, Gesang wieder JVZ-ähnlich, „Tomorrow’s Goodbye“ von Skynyrds „Edge Of Forever“ Album kommt mir dabei melodiemäßig in den Sinn.

Insgesamt ein tolles Album, das jedoch auch wieder einmal die Schattenseiten des Business offenbart. BRC ist für mich neben Garth Brooks nach wie vor einer der Initialzünder eines mittlerweile millionenschweren Musikindustriezweiges, vergleichbar eventuell mit einem Boris Becker im Tennissport. Und dass ein Künstler, der eigentlich bis jetzt immer durch solide Arbeit geglänzt hat, von Sony auf ein No-Name-Label verbannt wurde, ja sogar um die Veröffentlichung lange Zeit zittern musste, ist schon der blanke Hohn.

Der Gipfel von allem ist das lieblose Ein-Blatt-Cover, mit Angabe der Songtitel als einziger Info. So was hat ein Billy Ray Cyrus ganz sicher nicht verdient. Aber Kopf hoch. Leistung hat sich im Groben und Ganzen immer am Ende durchgesetzt und es gibt ohne Zweifel auch andere Firmen, die einen längeren Atem besitzen, und nicht nur auf den schnellen Dollar fixiert sind…

Sony Music, Madacy Label Group (2003)
Stil:  New Country

01. What Else Is There
02. Bread Alone
03. The Way It IS
04. She Don’t Love Me
05. Time Flies
06. I Luv Ya
07. I Still Believe
08. Without You
09. Hard To Leave
10. Nobody
11. Tell Me
12. Close To Gone
13. Stand Still
14. Back To Memphis
15. Some Gave All (Acoustic version)

Billy RayCyrus
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Bärchen Records

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