Kiefer Sutherland – Bloor Street – CD-Review

Review: Michael Segets

Künstlerische Begabungen sind häufig nicht auf einen Bereich beschränkt. John Mellencamp malt, Bryan Adams fotografiert, Little Steven schauspielert. Auch einige Schauspieler und Schauspielerinnen wagen sich an die Musik. Häufig schwingt dabei das Vorurteil mit, dass die in einem Feld erworbene Popularität ausgenutzt wird, um ein Hobby zu vermarkten. Dieser Verdacht bestätigt sich aber nicht immer. Beispielsweise Kevin Costner, Billy Bob Thornton mit The Boxmasters oder Kiefer Sutherland zeigen, dass sie auch musikalisch etwas zu bieten haben und dort professionell unterwegs sind.

Kiefer Sutherlands zweiter Longplayer „Reckless & Me” überzeugte auf ganzer Linie und verzeichnete vor allen Dingen in Großbritannien mit Top-Ten-Plazierung in den Album-Charts und dem Spitzenplatz auf der Country-Liste Erfolge. Drei Jahre nach dieser Scheibe legt der Kanadier nun mit „Bloor Street“ nach, wobei ihm wieder ein lohnendes Werk gelungen ist.

Sutherland widmet sich nun eher dem Heartland Rock als dem Country. Lediglich der letzte Track „Down The Line“, der an Scott Miller erinnert, trägt deutliche Country-Züge. „Two Stepping In Time“ weckt hingegen Reminiszenzen an Bruce Springsteen und sein Album „Tunnel Of Love“ in den ausgehenden 1980ern. Fast alle Titel bewegen sich im mittleren Tempobereich und folgen in ihren Strukturen dem klassischen Songaufbau, sodass sie in drei bis vier Minuten durchgespielt sind. Sutherland kennt die Ingredienzien guter Songs und verzichtet auf Experimente. Dabei erzeugen Keys manchmal einen volleren Klang („Lean Into Me“), manchmal konzentriert sich Sutherland auf einen erdigen, rootsrockigen Sound („Set Me Free“). Durch einen R&B-Groove sticht „Goodbye“ unter den Titeln hervor.

Beim nostalgischen Titeltrack, der zugleich als erste Single fungiert, geht es um die Rückkehr zu den Stätten der Kindheit und Jugend. Meist beschäftigen sich die Songs aber mit unterschiedlichen Stationen von Beziehungen („Chasing The Rain“, „Nothing Left To Say“). Besonders gelungen fängt „So Full Of Love“ die Schmetterlinge im Bauch ein, die eine frische Liebe mit sich bringen. Der lockere Song geht direkt ins Ohr. Vom Storytelling her gesehen, ist „County Jail Gate“ der anspruchsvollste Song. Mit dem Reinrutschen in eine Verbrecherkarriere und dessen Konsequenzen greift Sutherland einen Themenkreis auf, der im Rootsrock gängig ist. Er setzt ihn mit Klavier und Slide atmosphärisch um.

Kiefer Sutherland beweist mit „Bloor Street“ Konstanz. Ihm gelingt erneut ein hörenswertes Album, auf dem er seinen Midtempo-Stücken rockige Töne mitgibt. Die Titel sind zwar dem konventionellen Songwriting verhaftet, dabei variiert er jedoch deren Atmosphäre, sodass keine Langeweile aufkommt. Sutherland unterhält also nicht nur auf der Leinwand sehr gut, sondern auch aus den Lautsprechern.

Mit „Violence Of Action“ und der Serie „The First Lady“ stehen zwei Projekte vor der Veröffentlichung, die Sutherland wieder vor der Kamera zeigen. Zudem soll Ende Januar seine Europatour in England starten und ihn auch nach Deutschland führen.

Cooking Vinyl/Indigo (2022)
Stil: Heartland Rock

Tracks:
01. Bloor Street
02. Going Down
03. Two Stepping In Time
04. So Full Of Love
05. County Jail Gate
06. Goodbye
07. Lean Into Me
08. Chasing The Rain
09. Nothing Left To Say
10. Set Me Free
11. Down The Line

Kiefer Sutherland
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Oktober Promotion

Scott Miller – Ladies Auxiliary – CD-Review

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Review: Michael Segets

Als Sänger der V-Roys trat Scott Miller das erste Mal in Erscheinung. Steve Earle hatte die Roots-Rocker 1996 auf seinem Label unter Vertrag genommen und mit ihnen gemeinsam die EP „Johnny Too Bad” eingespielt. Nachdem sich die Truppe am Ende des Jahrhunderts nach zwei Studio-Alben und einer Live-Veröffentlichung auflöste, startete Miller eine Solo-Karriere, bis 2007 noch mit seiner Begleitband The Commonwealth. Musikalisch entwickelte er sich vom Roots Rock in Richtung Americana und Alternative Country. Nach vier Jahren Funkstille bringt Miller nun sein zehntes Solo-Projekt „Ladies Auxiliary“ raus. Mit dem Titel verbeugt er sich vor der Produzentin Anne McCue sowie den Musikerinnen, die ihn auf der Platte unterstützen.

Das Werk startet mit dem sanften Liebeslied „Epic Love“. Nach akustischem Anfang und Zwischenpassagen, erzeugt der Einsatz des Basses und später der des Schlagzeugs tolle Spannungsbögen. Nach dem schon sehr gelungen Einstieg legt „The River’s Yours/This Valley’s Mine“ an Intensität noch eine Schippe drauf. Der erdige Sound der akustischen Gitarre in Verbindung mit der wimmernden Geige von Rayna Gellert und Millers ausdrucksstarker Gesang versetzen unmittelbar auf die Rinderfarmen des mittleren Westens.

Dazu passt „Ten Miles Down The Nine Mile Road“, das einen leichten Country-Rhythmus aufnimmt und mit Banjo, dezenter Percussion und weiblicher Begleitstimme untermalt ist. Wenn die genannten Songs bereits viel Gefühl transportieren, bildet „Someday/Sometime“ doch den am tiefsten bewegenden Beitrag auf der CD. Ganz im Americana-Stil gehalten, mit weiblichen Harmoniegesängen im Refrain und wiederum sehr schönen Geigen, verarbeitet der Songwriter den Selbstmord einer Mutter. Der Text ist aus der Sicht des hinterbliebenen Vaters, der zu seinem Kind spricht, verfasst. Wenn harte Männer überhaupt eine Gänsehaut bekommen können, dann bei dem Song.

Zwischen die getragenen Tracks sind zwei leichtere Stücke eingeflochten. „Jackie With An Eye“ swingt dank der Bassläufe von Bryn Davies und das Cover „Mother-In-Law“ scheppert mit Barroom-Piano und lustigem Text über eine eher unappetitliche Schwiegermutter.

Das autobiographisch geprägte „Middle Man“ ist eine Americana-Nummer mit viel Slide, die nicht im Gedächtnis bleibt und damit durch den Titel gut charakterisiert wird. Miller erinnert hier zeitweise an Bob Dylan. Deutlicher wird der Bezug noch bei „Los Siento, Spanishburg, WVa“. Nicht nur die politische Aussage des Songs, sondern auch der schnelle – fast schon gesprochene – textlastige Gesang lässt den Vergleich mit dem Altmeister zu.

Das zweite Cover, die irisch angehauchte Ballade „Body And Soul“, wurde ursprünglich von Bill Monroe gesungen. Mit „Get Along Everybody“ folgt der beschwingte Abschluss, der wiederrum mit einem augenzwinkernden Text versehen ist.

Die Kompositionen sind abwechslungsreich, wobei sich die Arrangements auf die Qualität des Songwriters konzentrieren. Miller zeigt sich auf „Ladies Auxiliary“ textlich auf hohem Niveau. Das Album bietet hervorragende Americana-Balladen und mit „Mother-In-Law“ ein Party-taugliches Trinklied. Daher einen Toast auf Scott Miller und seine Damen!

F.a.Y. Recordings (2017)
Stil: Americana

01. Epic Love
02. This River’s Yours
03. Jacki with An Eye
04. Someday Sometime
05. Mother-In-Law
06. Ten Miles Down the Nine Mile Road
07. Middle Man
08. Lo Siento, Spanishburg, Wva
09. With Body and Soul
10. Get Along, Everybody

Scott Miller
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