Walter Trout – Ride – CD-Review

Review: Jörg Schneider

Walter Trout, der inzwischen samt Familie seinen Wohnsitz vom sonnigen Kalifornien ins sandige Dänemark verlegt hat, bringt Mitte August sein mittlerweile 30. Soloalbum (!) heraus. Es erscheint bei Provogue Records, nachdem er dort seinen Vertrag verlängert hatte. Den Plattenvertrag dazu bekam der US-Blues-Rock-Gitarrist von seiner Frau und Managerin Marie anlässlich seines 70‘sten Geburtstages geschenkt.

Das Album heißt „Ride“ und ist eine musikalische und auch emotionale Zusammenfassung seines bisherigen, mitunter turbulenten Lebens, nach eigenem Bekunden eine Art von Vergangenheitsbewältigung. Wie viele andere Musiker auch, nutzte Trout die coronabedingte Zwangspause, um neues Material zu sammeln und legte damit den Grundstein für „Ride“, nachdem er zuletzt für sein Vorgängeralbum „Ordinary Madness“ 2020 auf der Bühne gestanden hatte.

Eingespielt wurde das Album in den kalifornischen Kingsize Studios, in denen Trout bereits mehrere Alben aufgenommen hatte. Begleitet wird Trout von seinem langjährigen Schlagzeuger Michael Leasure, dem Keyboarder Teddy „Zig Zag“ Andreadis und dem neuen Bassisten Jamie Hunting, sowie seinem Tourmanager Anthony Grisham, der allerdings nur auf Leave It All Behind“ zu hören ist.

Gleich zu Beginn pustet Trout mit dem gewaltigen Sound von „Ghosts“ die Boxen der HiFi-Anlage frei und stimmt die Zuhörer auf die kommenden 60 Minuten ein. Mit tosenden Gitarrenriffs erzählt er von Erinnerungen und Geistern, die ihn verfolgen, während der Titelsong „Ride“ im stampfenden Rhythmus eines Güterzuges ein Gefühl des amerikanischen Traumes der Freiheit erzeugt, so wie Trout es als kleiner Junge in seinem Elternhaus durch die vorbei rasenden Züge empfand.

Ganz anders hingegen das emotionale, melodiöse „Follow You Back Home“, in dem Trout die schwere Zeit einer zeitweiligen Trennung von seiner Frau verarbeitet. Das Besondere an diesem Song ist, dass er hier zum allerersten Mal überhaupt eine Streichergruppe zur Untermalung einsetzt.

Angesichts 400.000 Covid-Toter in den USA groovt „So Many Sad Goodbyes“ leicht düster vor sich hin und in dem wunderschön-traurigen Slowblues „Waiting For The Dawn“ mit teils sphärischen kristallklaren Gitarrenklängen kann Trout mit schwerem Herzen kaum die Morgendämmerung erwarten. Danach geht er im verzweifelt klingenden „Better Days Ahead“ mit harten Riffs der Frage nach dem Sinn des Lebens auf den Grund und in „High Is Low“ krächzt sich der Kalifornier, unterstützt von einer rauen Bluesharp, die Stimme aus dem Leib. Die Lyrics zu diesem Song hat übrigens Walters Ehefrau Marie beigesteuert.

Gemessen an Trouts bekanntem Gitarrenstil nimmt das leichtfüßige „Fertile Soil“ dann schon fast eine Sonderstellung ein. Es kommt ungemein countrymäßig mit Americana-Elementen daher und erinnert an den fruchtbaren Boden seiner Jugendzeit, als er in einer Schülerband mitspielte.

Das folgende Stück „I Worry Too Much“ wartet dann wieder mit einem typischen Trout-Sound mit treibenden Gitarrenriffs auf, während „Leave It All Behind“ eine flotte Rock‘n‘Roll-Tanz-Nummer mit Bläserunterstützung im Stile von Chuck Berry ist, auf der Anthony Grisham die Rhythmusgitarre spielt, da Trout wegen seines gebrochenen kleinen Fingers, nicht den richtigen Chuck Berry-Klang hinbekommen kann.

Ruhiger geht‘s dann mit dem etwas elegischen „Hey Mama“ weiter. Hier verarbeitet er sein nicht ganz ungetrübtes Verhältnis zu seiner Mutter, die ihn nicht hinreichend vor seinem Stiefvater schützen konnte. Allerdings ist Walter Trouts Gedankenwelt nicht nur negativ eingestellt. Es gab auch gute Momente in seinem Leben, z. B. als er seine Frau Marie auf einem Bluesfestival kennenlernte. Davon erzählt schließlich der wunderschöne Hendrix-artige Blues „Destiny“.

Mit „Ride“ ist Walter Trout nach seinem 2015‘er Album „Battle Scars“ sicherlich sein persönlichstes Werk geglückt. Es ist äußerst dynamisch und abwechslungsreich und bietet mit neuen Facetten seiner Musikalität absoluten Hörgenuss. Man spürt seine ungebrochene Spielfreude und den Willen, das Leben zu genießen. Für seine Fans ist die Scheibe, nicht zuletzt auch wegen der sehr persönliche Texte, daher ein unbedingtes ‚Must Have‘. Ich jedenfalls habe die Scheibe in Dauerschleife rauf und runter gehört und bin sie immer noch nicht leid.

Label: Provogue Records
Stil: Blues, Blues Rock

Tracks:
01. Ghosts
02. Ride
03. Follow You Back Home
04. So Many Sad Goodbyes
05. High Is Low
06. Waiting For The Dawn
07. Better Days Ahead
08. The Fertile Soil
09. I Worry Too Much
10. Leave It All Behind
11. Hey Mama
12. Destiny

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Trick Pony – R.I.D.E. – CD-Review

Pony

Endlich! Nach ihren ersten beiden, tollen CD-Veröffentlichungen, mit denen sie so viel frischen Wind in die Nashville-Szene brachten, haben Trick Pony nach großem Hin- und Her, was Veröffentlichungsrechte anging, bei Curb Records eine neue musikalische Heimat gefunden. Und nun ist ihr lang ersehntes, drittes Werk „R.I.D.E“., für das sie direkt auf dem Cover ihre eigene Definition gleich mitliefern, nämlich „Rebelliuos Individuals Delivering Entertainment“, auch erhältlich!  Trick Pony – R.I.D.E. – CD-Review weiterlesen

Shelly Fairchild – Ride – CD-Review

Nashvilles Mädels sind wieder eine Macht! Schon lange nicht mehr war weiblicher Country so präsent wie in diesen Tagen! Gut so! Noch bedeutender ist jedoch die Tatsache, daß sich die „neue“ Damenbewegung wieder klipp und klar zum Country bekennt, statt sich mit überzogenen, oft allzu bombastischen Pop-Strömungen zu beschäftigen. „Back to the roots“ und dennoch modern, heißt die Devise!

Neuestes Paradebeispiel dynamischer Nashville-Frauenpower ist die äußerst attraktive Shelly Fairchild mit ihrem überragenden Debut „Ride“! Fantastische, sehr frische, gleichzeitig duckvolle, von der Southern-Schwüle des Mississippi Deltas durchsetzte, wunderbar melodische New Country-/Countrymusic mit durchaus traditioneller Basis, immer leicht angerockt und mit einem dezent rootsigen Touch versehen. Herzhafte E-Gitarren vereinen sich mit herrlichen Acoustic Gitarren, Dobros, Mandolinen, Fiddles, Steelguitars und einer immer knackigen Rhythmussektion. Das hat richtig Würze!

Dazu besitzt Shelly eine ganz wunderbare, ungemein kraftvolle, voller Energie steckende, klare Stimme, fast wie eine powernde Kombination von Trisha Yearwood, Pam Tillis und Patty Loveless, aber mit dem Feuer ihres „Mississippi-Delta“-Blutes. Das Shelly Fairchild sich selbst voller Bescheidenheit als ein „simple, small-town Misssissippi girl“ charakterisiert, spricht für ihren Charme. Immerhin hat sie es sofort geschafft, ist aber auch kein Wunder bei ihrer Klasse, direkt für ihre erste CD einen Major-Label-Deal zu ergattern, von den etablierten Songwritern der Szene sofort mit vollstem Vertrauen und dementsprechend gutem Songmaterial bedacht zu werden, ganz zu schweigen von den vielen in das Werk involvierten erstklassigen Musikern.

Diese Entwicklung kommt allerdings auch nicht ganz zufällig. Shelly stammt aus einer musikbegeisterten Familie. Bereits in der High School sammelte sie erste Bühnenerfahrungen, gefolgt von Anstellungen im Theater, sowie in großen Musicals, was letztendlich in einer fundierten Ausbildung ihrer Stimme mündete. Auch großes kompositorisches Talent darf man Mrs. Fairchild attestieren, was sie bei vier der insgesamt elf Songs dieses Silberlings eindrucksvoll beweist. Durchaus interessant vielleicht auch, daß die berühmte Motorrad-Marke Harley Davidson sie mittlerweile als Werbeträgerin an sich gebunden hat, was absolut nachbollziehbar ist.

Mit ein wenig Verzögerung ist ihr großartiger Erstling (die Veröffentlichung wurde mehrere Male verschoben) mit dem zum gerade geschilderten Sachverhalt passenden Titel „Ride“ nun endlich erhältlich. Schon ab der ersten Note des mit einer sexy-bluesigen Stimme vorgetragenen Openers „Kiss Me“ spürt man förmlich, wie es in diesem feurigen schwarzhaarigen Vulkan brodeln muß, bis er letztendlich seine heiße Song-Lava eruptionsartig in die musikalische New-Country-Landschaft ablassen kann.

Eine glühende, voller Southern Soul steckende, unter die Haut gehende, angerockte Ballade mit tollem Banjo- und Dobro-Picking, aber auch schön satten E-Gitarren und einer wunderbaren Melodie. Ein klasse Sound! Ihre Produzenten, Country-Veteran Buddy Cannon (Kenny Chesney, Reba McEntire, George Jones) sowie Kenny Greenberg (Edwin McCain, Allison Moorer, The Mavericks), im übrigen einer der gefragtesten Studio-Gitarristen der Szene und hier natürlich mit an Bord, haben ein sehr atmosphärisches, lockeres, und doch ungemein knackig abgemischtes Gesamtwerk hinbekommen.

Man spürt oft die heiße, schwüle Luft des Mississippi-Deltas durch die Songs strömen. Sehr stark sind beispielsweise die temporeichen Stücke wie „Ready To Fall“ (ein klasse New Country-Rocker) oder ihre erste Single „You Don’t Lie Here Anymore“ (voller Biker-Flair steckender Counmtryrock mit frischer Mandoline und herzhaften E-Gitarren), wo Shelly mit einer rotzfrechen „Röhre“, sehr angenehm eine Art zurückhaltende Aggressivität versprüht. Toll!

Herausragend auch ihr „dreckiger“ Vortrag bei „Down Into The Muddy Water“ mit glühender Slide, rockigen Rhythmusgitarren, Honkytonk-Piano, fetzigen Drums und fetten, aber nie nervenden Bläsereinsätzen, sowie einem filigranen Greenberg-E-Gitarren-Solo. Genial auch dieser locker, flockige Southern-Honkytonk-Blues „I’m Goin’ Back“, ein rhythmischer Footstomper mit herrlichen Harmonika-Fills.

Das sie es auch etwas ruhiger beherrscht, zeigen solch brillante Stücke wie die zweite Single „Tiny Town“ (wunderbar melodischer, sehr satt instrumentierter New Country mit toller Steel, Fiddle, fetter E-Gitarre und kraftvollem Rhythmus), „Eight Crazy Hours“ oder „Fear Of Flying“ (herrlich frische, kraftvolle Country-Ballade im 3/4-Takt), wobei ihre innere Power dennoch stets gewahrt bleibt. Ein Vulkan eben! An den sinnbildlichen Vergleich anknüpfend, kann man nur auf viele weitere musikalische Nachbeben dieses Niveaus hoffen! Dafür. Good luck, Shelly! Dein Debut jedenfalls ist ein Knüller!

Sony Nashville (2005)
Stil:  New Country

01. Kiss Me
02. Ready To Fall
03. Tiny Town
04. You Don’t Lie Here Anymore
05. I Want To Love You
06. Eight Crazy Hours (In The Story Of Love)
07. Down Into Muddy Water
08. Ride
09. Time Machine
10. I’m Goin‘ Back
11. Fear Of Flying
12. There You Go Again

Shelly Fairchild
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