Lauren Alaina – Sitting Pretty On Top Of The World – CD-Review

Mit ihren nicht mal dreißig Jahren hat die aus Rossville, Georgia, stammende Lauren Alaina bereits eine sehr passable Karriere hingelegt. Durch die erfolgreiche Teilnahme an der Casting-Show American Idol, wo sie 2011 bei der 10. Staffel Platz 2 hinter Scotty McCreery belegte, und dem Debütalbum „Wildflower“, das direkt Platz 2 in der Billboard-Country-Charts (allgemein Platz 5) erklomm, geriet alles ins Rollen.

Jetzt, gute zehn Jahre später, bringt sie nach erfolgreichen Touren mit diversen Nashville-Superstars wie Alan Jackson, Blake Shelton, Carrie Underwood, Luke Bryan, Martina McBride und Jason Aldean, diversen Nominierungen und Auszeichnungen, nach „Road Less Travelled“ und einigen EPs mit „Sitting Pretty On Top Of The World“ ihr drittes Album (hier in Deutschland nur digital erhältlich) heraus.

Kommen wir direkt zum einzigen Wermutstropfen: Wie schon ein sehr geschätzter Kollege eines anderen Magazins richtig anmerkte, fragt man sich spontan, wer dieses Coverbild ‚verbrochen‘ hat, das die Protagonistin wirklich alles andere als vorteilhaft, in Szene setzt und auch farbkompositorisch- und schrifttechnisch nicht gerade brilliert. Gäbe es bei den gängigen Music-Awards im Bereich Art Direction oder Cover-Design auch sowas, wie die berühmt-berüchtigte ‚Goldene Himbeere‘ in der Filmbranche, wäre dies wirklich ein ganz heißer Kandidat.

Da es hier aber um Musik an sich geht, kann man dies trotzdem getrost ausblenden, denn hier überzeugt das Werk in allen Belangen. Stützen kann sich Lauren, wie gewohnt, auf ihre tolle ausdrucksstarke Stimme (die gefällt mir außerordentlich gut und ruft starke Assoziationen zu Lindsey Ell und Carrie Underwood hervor), aber auch auf ihr Songwriting-Können (sie hat alle der fünfzehn Tracks bis auf einen mit  komponiert). Produziert hat der Leadguitarist der Pop-Rock Band Boys Like Girls Paul diGiovanni (Mitchell Tenpenny, Jordan Davis), lediglich für das famose Frauenpower-Duett mit Trisha Yearwood (hat immer noch eine grandiose Stimme) bei „Getting Good“ saß David Garcia an den Reglerknöpfen.

Apropos Duette: Hier wissen auch die weiteren Beteiligungen vom dänischen Popstar Lukas Graham bei „What Do You Think Of?“, einem herzzerreißend gesungenen Schmachtfetzen und Jon Pardi bei „Getting Over Him“ (klasse Southern Country-Rocker), absolut zu überzeugen.

Die Stärke dieses Werkes liegt besonders in der Balance zwischen modern-poppigem Flair (nie zu dick auftragend) und knackigem New Country mit den typischen Instrumenten wie Steel-, Akustik- und E-Gitarre, Dobro, Fiddle, und Mandoline, die alle ebenso schön dezent, je nach Song, eingebracht werden.

Herrlich zum Beispiel das an „Tears Of Heaven“ erinnernde claptoneske Akustikgitarren-Intro/Spiel beim Titelstück „On Top Of The World“, für das sich, wie so oft, Ilya Toshinsky verantwortlich zeigt, der auch bei den anderen Tracks wieder seine gewohnte Maßarbeit verrichtet.

„Same Story, Different Saturday Night“, „I’m Not Sad Anymore“ und „Written In The Bar“ gehen allesamt auf das Konto des Songwriter-Quartetts Lauren Alaina, Hillary Lindsey, Lori McKenna und Liz Rose, die das heutige Beziehungsleben mit gewohnt charmanten und pointierten Texten countrytypisch reflektieren. Ein tolles Kreativteam!

Das knackig dahinpreschende „Run“ (dieser, wie einige andere Lieder auch, sehr an Lindsey Ell reminiszierend – Lauren hatte ja auch bei Ells Livestream-Event vor kurzem mitgewirkt) stammt lustiger Weise aus der Feder von Alaina, Kennedi Lyyken und Ben Johnson (hoho – hier ist allerdings natürlich nicht der einstmalige Doping-Sünder mit von der Partie…).

Meine Lieblingssongs in einem durchweg überzeugenden Longplayer sind neben dem herrlichen Storytelling-Opener „It Was Me“ die beiden Leviten-lesenden „When The Party’s Over“ (mit leichter „That Don’t Impress Me“-Shania-Note) und der melodiöse Countryschunkler „You Ain’t A Cowboy“, bei dem Alaina eine glänzende Gesangsvorstellung abgibt und E-Gitarrist Derek Wells auch ohne Solo, sondern nur mit akzentuierter Fill- und Hintergrundarbeit, sein exzellentes Können einfließen lässt.

Lauren Alaina liefert mit „Sitting Pretty On Top Of The World“ einen sehr schön abwechslungsreichen und kurzweiligen Longplayer ab, der sie wieder ganz oben ins Rampenlicht bringen wird. Wer Spaß an ausdrucksstarken, stimmgewaltigen Künstlerinnenkolleginnen wie z. B. Lindsay Ell, Carrie Underwood, Shania Twain, Carly Pearce, Whitney Duncan, etc. hat, der darf auch bei Lauren Alainas neuem Album bedenkenlos zugreifen. Klasse!

Mercury Nashville (Universal) (2021)
Stil: New Country

01. It Was Me
02. If The World Was A Small Town
03. Getting Good (feat. Trisha Yearwood)
04. Same Story, Different Saturday Night
05. On Top Of The World
06. Run
07. What Do You Think Of? (feat. Lukas Graham)
08. I’m Not Sad Anymore
09. Getting Over Him (feat. Jon Pardi)
10. Good Ole Boy
11. When The Party’s Over
12. You Ain’t A Cowboy
13. Goodbye Street
14. Written In The Bar
15. Change My Mind

Lauren Alaina
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Universal Music

Lindsay Ell – #LiveRedesigned Concert Experience – Studio-Charity-Konzertbericht

Ell-haupt

Als Lindsay Ell uns nach ihrem Solo-Konzert 2017 im Blue Shell versprach, beim nächsten Mal in Deutschland mit kompletter Band zurück zu kehren, war die musikalische Welt noch in Ordnung. Die New Country-Welle schwappte aus den Staaten zu uns rüber und immer mehr tolle und angesagte Nashville-Interpreten/innen schienen ‚Goold Ole Germany‘ als attraktive Live-Auftrittsmöglichkeiten für sich zu entdecken.

Ganz Wort gehalten hatte sie nicht, aber immerhin konnten wir sie dann 2019 nochmals im Rahmen der SOUND Of NASHVILLE-Reihe wieder an gleicher Stelle als allein unterhaltende Headlinerin begrüßen.

Heute, knapp zwei Jahre später ist auf der Welt nichts mehr, so wie es mal war. Die Corona-Pandemie hat die gesamte Kulturbranche in den Ruin getrieben und den meisten Beteiligten der Zunft und vielen darüber hinaus, die einstige Existenzgrundlage unter den Füßen weggezogen.

Eine politische Lobby in Deutschland scheint es nicht zu geben, was soll man aber auch bei Leuten wie Merkel, Spahn, von der Leyen, Grütters, Altmaier, Heil, Laschet & Co. erwarten, da von hat vermutlich niemand, jemals eine Rockmusik-Location von innen her gesehen. Auch in Amerika dürfte sich das Ausmaß an Dilettantismus in der politischen Realität in ähnlichen, wenn nicht noch schlimmeren Bereichen bewegen.

Jetzt hat sich die zierliche Kanadierin für ein Charity-Event namens #LiveRedesigned Concert Experience zur Verfügung gestellt, eine Art Studiokonzert, das man dieses Wochenende käuflich, sowohl live als auch noch bis zu 48 Stunden später, als Stream verfolgen konnte. Die Erlöse kommen ihrer Band und den rund 200, an der Produktion beteiligten Menschen zu Gute und gewährt ihnen somit zumindest übergangsweise etwas Arbeit und Salär.

Für die Organisation und Umsetzung des Events zeichnen sich Firmen wie Fireplay, PRG und VYE verantwortlich. Überwiegend im Fokus des etwas über eine Stunde währenden Konzerts stand dabei die Performance ihres aktuellen Werkes „Heart Theory„.

Die Songs wurden im Groben und Ganzen in der gleichen Reihenfolge wie auf dem Album gespielt, es macht Spaß die lebenslustige und kommunikative langmähnige Blondine (in schöner schwarzer Lackmontur) mit ihren versierten Mitmusikern/innen (klasse vor allem der in Phil Collins-Manier trommelnde Harry Miree) am Bildschirm bei toller Bild- und Tonqualität zu verfolgen. Eine riesige Videoleinwand im Hintergrund sorgt für weitere visuelle Atmosphäre.

Zwischenzeitlich gibt es eine Interaktion von Ell und den in Kacheln (als Waben und Kreise) gerahmten, live auf der Videowall zugeschalteten Konzertverfolgern. Auch Kollegen wie u. a. Brad Paisley, Charles Kelley (Lady Antebellum) und Lee Brice geben kurze Zwischenstatements ab.

Als Überraschungsgäste sorgen Lauren Alaina („wrong girl“) und Carly Pearce bei ihrem eigenen, schön countryesk performten „Next Girl“ für weitere Duett-Farbtupfer. „Criminal“ (von Ells Album „The Project„) und „body language of a breakup“ werden in rein akustischer Form präsentiert (Ell, Austin Goodloe und Eric Fortaleza). Sehr schön auch das kammermusikartige „make you“ (Lindsay am Piano), bei dem es sanfte Streicherquartettunterstützung gibt.

Wie auf dem Longplayer, richtet die sehr quirlig auf ihren Saitengeräten agierende und auch engagiert singende Fronterin mit „ReadY to love“ den Blick wieder positiv nach vorne. Toll hier ihr emotional gespieltes Abschluss-E-Gitarrensolo auf Knien und Rücken liegend.

Insgesamt gesehen ist Lindsay Ells #LiveRedesigned Concert Experience eine noble und schöne Sache, bei der ich allerdings befürchte, dass sie für die Leidtragenden nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein abgibt, aber immerhin, allein schon die Geste zählt! Nichtsdestotrotz kann man nur hoffen, dass es irgendwann mal wieder ein Leben in früherer Normalität geben wird und dann auch Lindsay Ell mit Band ‚live in echt‘ in unseren Regionen präsent ist. Wie gesagt, schön wär’s…

Line-up:
Lindsay Ell (lead vocals, electric and acoustic guitar, piano)
Eric Fortaleza (bass, acoustic guitar, vocals)
Austin Goodloe (electric and acoustic guitar, vocals)
Harry Miree (drums)
David Crutcher (keys)
Kristin Weber (1st violin)
Laura Epling (violin)
Emily Nelson (cello)
Nicole Neely (viola)

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