Einen Grund, so grimmig drein zu schauen, wie auf dem Cover ihres neuen Longplayers „heart theory“, dürfte Lindsay Ell in Wirklichkeit eigentlich gar nicht haben. Denn es läuft, zumindest was die Musikkarriere betrifft, doch ausgesprochen gut.
Mit viel Fleiß und Können hat sich sich die gebürtige Kanadierin, in die Riege der weiblichen Nashville-Stars im Mainstream-New Country-Segment à la Underwood, Rimes, Morris, Ballarini, Barrett & Co. vorgearbeitet, nicht zuletzt wurde sie von großen Stars wie u. a. Keith Urban, Luke Bryan, Buddy Guy, Big & Rich, Ronnie Dunn oder Chris Isaak schon als Support bei ihren Touren gebucht.
Dass sie sich aber auch nicht zu schade ist, ‚Klinken zu putzen‘, bewies sie z. B. gerade bei uns in Deutschland , wo sie zuletzt (noch in der Vor-Corona-Zeit) gleich zweimal im kleinen Kölner Blue Shell auftrat, einmal beim Gig mit Unterstützung von Walker McGuire, das andere Mal als Headlinerin der SOUND OF NASHVILLE-Reihe von Semmel Entertainment. Dabei entpuppte sie sich als kleiner lebenslustiger Wirbelwind ohne Berührungsängste, den man eigentlich sofort in sein Herz schließt.
Apropos Herz, wie es allerdings in ihrem Privat-, beziehungsweise ihrem Liebesleben aussieht, darüber kann man allerdings nur spekulieren. Die Texte ihrer Stücke des neuen Werkes, das in zwölf Tracks sieben Phasen der Trauer behandelt, lassen da allerdings nicht viel Gutes vermuten. Schock, Leugnung, Wut, Verhandeln, Depression, Austesten und Akzeptanz, sind die Schlagworte, um die es hier in erster Linie geht.
„Wenn Musiktheorie die Wissenschaft der Musik ist, dann ist ‚heart theory‘ die Wissenschaft des Herzens. Ich hoffe, dieses Album kann ein Trost sein, wenn man ihn braucht, eine Bestätigung, wenn man sich wieder mal selbst daran erinnern muss, an sich zu glauben – oder einfach ein Blick auf das, was einen zu dem gemacht hat, was man heute ist“, so die Protagonistin zur Intention ihres Handelns.
Der von Dann Huff produzierte Longplayer bringt dann Lindsays Stärken auch in allen Belangen auf den Punkt: Ihr Songwriting-Talent mittels eingängiger und melodischer Country Pop-Rock-Lieder, meistens mit Powerrefrains (darunter sind aber auch ein paar ruhigere Nummern), ausdrucksstarker Gesang und tolle Gitarrenarbeit. Ich glaube, kein anderer als Huff kann Gitarrensoli besser in Szene setzen, und hier ergänzen sich beide in nahezu allen Stücken exzellent. Damit der Nashville-Nimbus gewahrt bleibt, wurde natürlich auch die eine oder andere Steel-Eingabe untergebracht („i don’t lovE you“, „good on you“, „make you“).
In ihren Kölner-Konzerten vermerkte sie ihren ausgesprochenen Faible für John Mayer, den man hier in Tracks wie u. a. „Hits me“, „good on you“ oder „The oTHEr side“, besonders in den E-Gitarren-Soli, wiederfindet. Trotz aller überwiegend textlicher Negativ-Stimmung gibt es mit dem Titel „ReadY to love“ zum Abschluss, dann doch den positiven Blick nach vorne, wo Ell „I’m ready to feel, to trust and to love again“ energisch und voller Emotion intoniert.
Für den, der sich über die eigenartige Schreibweise der Titel wundert, hier die Auflösung: Die Großbuchstaben, ergeben aneinandergereiht, genau den Titel des Albums.
Stoney Creek Records (2020)
Stil: New Country
01. Hits me
02. how good
03. i don’t lovE you
04. wAnt me back
05. get oveR you
06. wrong girl
07. body language of a breakup
08. good on you
09. The oTHEr side
10. gO to
11. make you
12. ReadY to love