Old Crow Medicine Show – Jubilee – CD-Review

Review: Michael Segets

Der Dezember ist ja der Monat, in dem Jahresrückblicke Konjunktur haben. Gewöhnlich nutze ich die etwas ruhigere Zeit zur Sichtung der Alben, die im Tagesgeschäft so liegengeblieben, aber einer Besprechung würdig sind. Diesmal fällt die Wahl auf „Jubilee“ der Old Crow Medicine Show. Der Longplayer erschien bereits im September anlässlich des fünfundzwanzigjährigen Bandjubiläums. Den größten Erfolg feierte die Band mit dem Grammy für „Remedy“ (2014) als bestes Folkalbum.

Von den Gründungsmitgliedern sind noch Frontmann Ketch Secor und Bassist Morgan Jahnig dabei. Zu diesen zählt auch Willie Watson, der sich aktuell bei „Miles Away“ nochmal die Ehre gibt. Auf der Gästeliste stehen weiterhin Sierra Ferrell („Belle Meade Cockfight“) sowie Mavis Staples („One Drop“). Alle drei Songs sind als Singles beziehungsweise Videos veröffentlicht.

Matt Ross-Spang (Jason Isbell, Will Hoge, Lucero, Arlo McKinley) fungierte wie bereits bei „Paint This Town“ (2022) als Produzent. „Jubilee“ erscheint gegenüber dem vorangegangenen Album stilistisch weniger breit aufgestellt. Es bietet vor allem Bluegrass und steigt mit „Jubilee Jones“ dementsprechend ein. Im weiteren Verlauf streut die Old Crow Medicine Show einige Americana-Balladen ein. Zum Abschluss überrascht der Gospel „One Drop“, der den insgesamt positiven Eindruck des Werks verstärkt.

Die Bluegrass-Nummern bewegen sich zwischen aufgekratzten („Belle Meade Cockfight“, „Wolfman Of The Ozarks“), flott durchgespielten („I Want It Now“) und entspannten Beiträgen, wie dem countryfizierten „Smoky Mountain Girl“. Ein Highlight ist „Keel Over And Die“ mit hereingerufenem, mehrstimmigem Refrain und quietschender Mundharmonika. Mehrmalls bestimmt die Geige den Sound wie bei „Shit Kicked In“. Aber auch das Banjo kommt zum Zuge, so auf der Ballade „Allegheny Lullabye“, die eine ordentliche Dynamik entwickelt. Die anderen Balladen können sich ebenfalls hören lassen – sei es das sanfte, atmosphärisch dichte „Daughter Of The Highlands“, das eingängige „Miles Away“ mit Willie Watson oder das folkige „Nameless, Tennessee“.

Die Lyrics widmen sich Liebesdingen oder subtiler Sozialkritik und sind häufig mit Ketch Secors eigenwilligen Sinn von Humor gewürzt. Texte und Musik machen jedenfalls Lust, sich intensiver mit dem Backkatalog der Band auseinanderzusetzen. Das könnte ein Vorsatz für 2024 werden – aber bleiben wir lieber beim Hier und Jetzt:

Nach den Ausflügen in rockigeres Gelände auf „Paint This Town“ bewegt sich Old Crow Medicine Show nun wieder in Richtung Bluegrass und Americana. „Jubilee“ mag so auch eine Reminiszenz an die Anfänge der Band vor fünfundzwanzig Jahren verstanden werden. Witzige, temporeiche und nachdenklich stimmende, ruhige Songs halten sich dabei die Waage. In beiden Kategorien können Ketch Secor und seine Mannen glänzen.

ATO Records – Pias/Rough Trade (2023)
Stil: Bluegrass, Americana

Tracks:
01. Jubilee Jones
02. Miles Away (feat. Willie Watson)
03. Keel Over And Die
04. Allegheny Lullabye
05. I Want It Now
06. Smoky Mountain Girl
07. Belle Meade Cockfight (feat. Sierra Farrell)
08. Shit Kicked In
09. Daughter Of The Highlands
10. Wolfman Of The Ozarks
11. Nameless, Tennessee
12. One Drop (feat. Mavis Staples)

Old Crow Medicine Show
Old Crow Medicine Show bei Facebook
Pias/Rough Trade