Das fast abgelaufene Musikjahr 2010 hatte für mich doch glatt noch eine faustdicke Überraschung parat. Eigentlich wollte ich an diesem Dienstag Abend mit meinen Arbeitskollegen turnusmäßig Fußballspielen gehen, da flattert einen Tag vorher der Blue Rose-Newsletter herein und ich glaubte (Montag abends) meinen Augen nicht zu trauen. Er enthielt die Nachricht, dass Micky & The Motorcars zur legendären Christmas-Party des Labels sowie für einige Gigs hier nach Deutschland kommen würde. Beim Studieren der Termine, stellte ich fest, dass der für mich in Frage kommende Gig, Dienstag der 07.12., sein würde. Also wurden flugs alle Planungen umgeworfen, diesen Auftritt durfte ich nicht verpassen.
Eine Red Dirt-Band in unseren Landen, dass ich das noch erleben darf. Ein regelrecht historisches Ereignis, wie sich am Abend herausstellen sollte, denn der eigentliche Tour-Auftakt in Norderstedt musste wegen der Wetterkapriolen abgesagt werden, die Jungs hingen in Amsterdam am Flughafen fest. Also, soweit mir bekannt, sind sie somit die erste Band dieses leider noch viel zu unbekannten Genres, das soviele tolle junge, kreative und musikalisch begabte Interpreten (wie u.a. die Randy Rogers Band, Cross Canadian Ragweed, Reckless Kelly – die habe ich zumindest mal in Holland erlebt, Eli Young Band, Mike McClure Band, Tyler McCumber Band, No Justice u.v.m.) ihr Eigen nennen darf, die hier in Deutschland bisher jemals aufgetreten ist. Hammer!
Die E-Mail am Dienstag morgen mit der Akkreditierungsbitte wurde von ‚Mr. Blue Rose‘ persönlich, Edgar Heckmann, umgehend abgenickt.
Das Café Steinbruch war für mich bisher Neuland, eine sehr schöne Kneipe mit großen, hell erleuchteten Glasfronten. Der Raum für die Auftritte war dafür umso dunkler. Dazu das zum Fotografieren gefürchtete, dominante Rotlicht, das meine Spiegelreflexkamera ohne Blitz mal wieder stark forderte. Gott sei Dank war unsere nette Bekannte, Gudi Bodenstein (eine regelrechte Concertoholicerin) mit ihrem kleinen Wunderobjektiv zur Stelle, die sich spontan bereit erklärte, mir, wie schon beim Selby-Gig in Krefeld, ihre Aufnahmen zur Verfügung zu stellen.
Endlich war es dann soweit. Micky Braun und seine Motorcars (Bruder Gary an Gitarre und Mikro, Lead-Gitarrist Kris Farrow, Mark McCoy am Bass und Drummer Shane Vannerson) betraten die Bühne. Red Dirt in Deutschland live, ich kann es immer noch nicht glauben. Am äußeren Rahmen darf noch gefeilt werden, leider hatten sich gerade mal nur so um die 50 ‚fachkundige‘ Leute eingefunden, was natürlich auch am für Berufstätige ungünstigen Termin in der Woche und dem miserablen Wetter gelegen hat. Den Auftakt bildete „Carolina Morning“, das im typisch melodischen Micky & The Motorcars-Midtempo-Ambiente serviert wurde. Wie zu erwarten, wurden sehr viele Stücke aus ihrer aktuellen und äußerst empfehlenswerten Live-Do-CD/DVD (aufgenommen im Texas-Kulttempel Billy Bob’s Texas) gespielt.
Was ich allerdings schön fand, war, dass die Band dieses Programm nicht in identischer Form runterspulte, sondern, im Gegenteil, die Setlist davon in Duisburg ganz gehörig durcheinander wirbelte. Dazu hatten sie die eine oder andere Überraschung parat, wie z.B. das countryeske Merle Haggard-Cover „I’m A Lonesome Fugative“ oder eine Version des Gram Parsons-/Byrds-Klassikers „Hickory Wind“. Im Repertoire befanden sich auch neue Stücke (u.a. „Kill The Pain“, ein von Gary Braun gesungener Countryschwofer mit Randy Rogers-Flair).
Micky Braun überzeugte mit seinem variablen Akustikgitarrenspiel und seiner warmen angenehmen Stimme (O-Ton meiner Frau: »ein Herzensbrecher…«), Bruder Gary, ebenfalls ein toller Sänger (bei „Lost And Found“, „Twilight“), zückte ab und zu die Mundharmonika (bei „Guts“, „July, You’re A Woman“), Kris Farrow ließ jede Menge filigraner E-Soli ab (beim herrlichen „Long Enough To Leave“, tolle Slidearbeit bei „Rocks Springs To Cheyenne“, und „Bloodshot“ – das Saxofon als sein Zweitinstrument war leider nicht mit von der Partie), Basser Mark McCoy verlieh seinem Viersaitenspiel mit akurat sitzender Krawatte besondere Eleganz und der Kaugummi-kauende Kraftprotz Shane Vannerson hatte das eine oder andere Kabinettstückchen mit seinen Drumsticks in petto.
Wie auch auf der DVD war es der Faces-Klassiker „Stay With Me“ als Abschluss des Hauptgigs, bei dem das Quintett aus Austin so richtig abrockte und der schon allein das Eintrittsgeld wert war. Das Desert Rock-angehauchte und schön stampfende „Bloodshot“ war dann die tolle Zugabe, die sich das klatschfreudige und den Wetterbedingungen trotzende Publikum wohl verdient hatte. Bei dieser wurde es auch belassen, die Band hatte immerhin 22 Stücke auf hohem spielerischen Niveau geboten.
Insgesamt ein sehenswertes und starkes Konzert von Micky & The Motorcars, auch wenn man den Jungs, die Reisestrapazen (verständlicherweise) doch schon ein wenig anmerkte. Da ist für den Rest der Republik, der bei den folgenden Gigs hoffentlich zahlreicher erscheinen wird, noch ein wenig Luft nach oben. Ich persönlich war jedenfalls trotzdem hoch zufrieden und kann in Zukunft von mir behaupten, bei der historisch zu bewertenden ‚Live-Geburt des Red Dirts‘ in Deutschland anwesend gewesen zu sein. Bitte mehr davon! Ich kann nur jedem den Rat geben, sich mit dieser tollen Szene eingehend zu beschäftigen, da gibt es viel zu entdecken.
Danke an Edgar Heckmann nochmals für die schnelle und unproblematische Akkreditierung.
Bilder: Gudi Bodenstein / Daniel Daus
Micky & The Motorcars
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Blue Rose Records
Café Steinbruch