Tow Truck Tom & The Roadside Wrecks – Sophomore Slump – CD-Review

Tow

Obwohl ich mich schon seit einigen Jahren mehr zum New Country hingezogen fühle, galt meine Liebe jedoch von Jugend an schon immer dem Southern Rock, dem Musikstil, der im groben und ganzen auch von allen meiner musikalischen Bekannten geschätzt wird. Zu  Reviews meinerseits ist es ist es in letzter Zeit weniger gekommen, weil die Veröffentlichungen in den letzten Jahren ohnehin nicht so in Hülle und Fülle sprudelten. Mit dem Kauf von Tow Truck Tom (And The Roadside Wrecks) möchte ich nun auch mal die Gunst der Stunde nutzen, ein paar Worte in diesem Bereich loszuwerden. Ja, der gute Southern Rock, wo steht er eigentlich heute?

Wenn man ehrlich ist, so sehr die Erkenntnis auch schmerzen mag, ist der einstige Glanz schon lange verschwunden. Man fragt sich verzweifelt, warum selbst die überlebenden Bands bei CD-Verkäufen und Live-Konzerten kaum noch einen Hering vom Teller ziehen, obwohl ihre Klientel doch eigentlich heute in einem Alter ist, wo die finanziellen Mittel da sind und bei guter Leistung auch gerne ausgegeben würden.

Südstaaten Rock hat sich für meine Begriffe immer dadurch ausgezeichnet, dass die Bands der ersten und zweiten Generation einerseits Musiker mit Charisma in ihren Reihen hatten, zum anderen enormes spielerisches Können an den Tag legten und in der Lage waren mehrere Scheiben mit vielen Songs, die so was wie einen gewissen Wiedererkennungswert besaßen, zu kreieren.

Übrig geblieben sind davon 38 Special, deren letztes Werk auch schon wieder fünf Jahre zurück liegt, Molly Hatchet, die mit einer Live-Scheibe, sich an den Strohhalm des Nicht-Vergessens-Werdens, klammern und natürlich Lynyrd Skynyrd. Die Neuen, wie ich sie zu nennen pflege, hatten richtigerweise viele Kräfte gebündelt, vier sehr gute CDs produziert und mit „Edge Of Forever“ eines der stärksten Werke dieses Genres geschaffen. Trotzdem vermisse ich nach wie vor das Bekenntnis zur eigenen Identität, besonders bei Live-Konzerten. Die auch schon wieder recht lange Pause wurde wenigstens durch zwei ganz ordentliche Solo-Scheiben der Van Zant Brüder kompensiert.

Was ist aber mit dem Rest? Atlanta Rhythm Section und Southern Rock Allstars demonstrierten eindrucksvoll, wie man Southern Rock nicht interpretieren sollte, Aufhorcher gelangen Catawompus, Alligator Stew und den Regulators. Das meiste kreative und spielerische Potential entdecke ich eigentlich bei Calibre 12, aber der französische Gesang passt zu dieser Stilart wie das Doppelpassspiel zu unserer deutschen Fußballnationalmannschaft. Unsere zwei deutschen Bands geben sich zwar redlich Mühe, aber das gewisse Etwas fehlt meiner Meinung nach.

Henry Paul hat zumindest erkannt , dass mit Blackhawk im New-Country der Zahn der Zeit eher getroffen wird. Die Band liefert regelmäßig mit Erfolg ihre Alben ab, und bringt auch nach Van Stephensons schmerzlichem Tod demnächst eine neue CD raus. Als Ersatz für ihn transportiert Billy Crain vielleicht wieder ein wenig Southern-Esprit rüber.

Einen Leuchtstreifen am Horizont lassen auf jeden Fall Tow Truck Tom & The Roadside Wrecks aufblitzen, der eigentliche Grund für meine Ausführungen. Die 1998 gegründete Band veröffentlich ihre zweite CD, die sich in keiner Southern Rock- Sammlung verstecken braucht. Traditionelles Line-Up mit drei Lead Gitarren und das Album beinhaltet im Prinzip das gesamte Südstaaten Rock ABC, frisch, abwechslungsreich und unverbraucht dargeboten. Jede Menge Drive und Power, Slide-, Twin-Gitarren und Soli en Masse, eben alles was das Herz des Fans höher schlagen lässt.

Der Gesang ist auch ok. Man merkt, das die Leute nicht mit der Intension ans Werk gegangen sind, irgendwas krampfartig abzuliefern, wie zum Beispiel bei den Southern Rock Allstars. Nein, hier regiert offensichtlich der Spaß und ich vermute, dass die Band ein richtiger Live-Knüller ist. Geboten wird ein bunter Reigen quer durch die Southern Rock-Landschaft von Outlaws, Marshall Tucker, Allman Brothers, Lizard bis zur Southern Highway Band, um einige zu nennen, wobei viele Soli Molly Hatchet mäßig angelegt sind, trotzdem wird so was wie ein eigener Charakter sichtbar. Bis auf das Abschlussstück, das man, wenn überhaupt, besser als Hidden Track hätte bringen sollen, hat jedes Lied seinen eigenen Charme und irgendeines explizit herauszuheben, fällt schwer.

Meine Favoriten sind der Opener „Legacy“ mit seinem Finish, das gitarrenlastig rhythmisch dahinstampfende „Middle Of Nowhere“ und das leicht im Ohr hängen bleibende „Cold Outside“. Vielleicht werden mich jetzt einige selbst ernannte Puristen der Szene zerreißen, und mir nahe legen, ich sollte mich doch lieber der New Country Musik zuwenden, was mir aber relativ egal ist. Ich ziehe jedenfalls meinen Hut vor Tow Truck Tom! So kann Southern Rock weitergehen, Nachzügler sind gern gesehen, vielleicht gibt es dann auch so was, wie eine kleine Renaissance. Zu wünschen wäre es jedenfalls…

P.S.
Die Band hat mittlerweile den Zusatz ‚The Roadside Wrecks‘ aus ihrem Namen gestrichen.

Eigenproduktion (2002)
Stil: Southern Rock

01. Legacy
02. Dawn Breaks
03. Middle Of Nowhere
04. Turn Towards Tomorrow
05. Shake Me Break Me
06. When The Wave Hits The Shore
07. Cold Outside
08. Spanish Fly
09. We Lied
10. Still Be Your Fool
11. Guy In A Bar

Tow Truck Tom
Bärchen Records

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