Jason Isbell And The 400 Unit – Weathervanes – CD-Review

Review: Michael Segets

Nach dem Coveralbum „Georgia Blue” (2021) präsentiert Jason Isbell neues Material aus eigener Feder, das es in sich hat. Wie bei „The Nashville Sound“ (2017) und „Reunions“ (2020), die Jason Isbell zusammen mit seiner Band The 400 Unit einspielte, überschlagen sich die positiven Kritiken zum neuen Album „Weathervanes“. Diese sind durchaus begründet.

Das bereits vorab herausgegebene „Death Wish“ ist ein hammermäßiger Song, dessen Intensität von keinem anderen Track auf dem Werk erreicht wird. Dennoch liefern Jason Isbell And The 400 Unit durchgängig bemerkenswerte Songs ab, sodass der Longplayer insgesamt als ein neuer Meilenstein in der Bandgeschichte gelten kann. The 400 Unit sind weiterhin Sadler Vaden, Derry deBorja, Jimbo Hart und Chad Gamble. Amanda Shires wird in den Credits nicht mehr als Bandmitglied, sondern lediglich als Special Guest geführt. Warum sich ihr Status geändert hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Shires Geigenspiel ist weiterhin auf dem Album präsent („King Of Oklahoma“, „If You Insist“). Vor allem bei „Cast Iron Skillet“ harmoniert die Violine mit dem Akkordeon von deBorja hervorragend. Hauptdarsteller auf den Songs ist jedoch Isbells Gesang, der auch tontechnisch vor den Instrumenten liegt. Der Frontmann setzt seine Stimme, bei der häufig eine innere Zerrissenheit mitschwingt, in seiner typischen, expressiven Weise ein. Aber auch wenn er ruhige und melodiöse Töne anstimmt, entfaltet sie ihre Wirkung. Auf „Middle Of The Morning“ kombiniert er beide Facetten seiner Sangeskünste.

Neben semi-akustischen Tracks wie „White Beretta“ und dem wunderbaren „Strawberry Woman“, bei dem Mickey Raphael für die Mundharmonika als Gast in die Blackbird Studios eingeflogen wurde, finden sich auch einige Rockstücke. Auf dem stärksten Rocker der Scheibe „When We Were Close” nutzt Vaden die Gelegenheit härtere Riffs anzuschlagen. Filigrane Gitarrensoli steuert er zum dynamischen „This Ain’t It” bei.

Längere Instrumentalpassagen verzeichnet die siebenminütige Hymne „Miles”. Sie verströmt den Charme der Seventies und beschließt das Album. Zwischen den Americana- und Rock-Beiträgen unternimmt „Vestavia Hills“ einen Ausflug in Country-Gefilde. Etwas Slide und gelungene Gitarrenparts zeichnen den Track aus. „Weathervanes“ bietet so durchaus Abwechslung ohne von der musikalischen Linie, für die Isbell bekannt ist, abzuweichen.

Die Texte haben Tiefgang. Isbell kennt sich mit Krisen aus, die Kindheit, Beziehungen und Erkrankungen mit sich bringen können. In seinen Lyrics scheint immer etwas von seinen eigenen Erfahrungen durch. Der Blick in die Vergangenheit verklärt diese stets. Als Gegenmodell zu den „Glory Days“, wie sie beispielsweise Bruce Springsteen besingt, legt Isebell den Focus auf die früheren Belastungen und geführten Auseinandersetzungen, die bis in die Gegenwart hineinwirken. Der Wunsch, die ermüdenden Kämpfe hinter sich zu lassen, und die Vergeblichkeit des Versuchs, ihnen zu entgehen, bringt der Songwriter in „Volunteer” ungeschönt zum Ausdruck. Ein bewegendes Stück, das Isbells und Shires‘ Gesang kongenial in Szene setzt.

Einen persönlichen Einblick in sein Leben und seine musikalische Entwicklung dokumentiert „Jason Isbell: Running With Our Eyes Closed“. Der von Regisseur Sam Jones gedrehte Film entstand im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von „Reunions“ und ist seit zwei Monaten auf HBO Max zu sehen. „Reunions“, das eine Top-Ten-Plazierung und Spitzenplätze in den einschlägigen Sparten-Charts erreichte, lässt diesbezüglich kaum Steigerungen zu. „Weathervanes“ spielt jedoch in einer anderen Liga und hat das Zeug, sich zum Klassiker zu entwickeln.

„Weathervanes“ ist ein großes Album, mit dem Jason Isbell über sich hinauswächst. Mit The 400 Unit und Amanda Shires im Rücken legt er ein tiefgründiges, musikalisch überzeugendes Werk vor, das seine früheren Veröffentlichungen – mindestens die der letzten fünf Jahre – in den Schatten stellt.

Southeastern Records – Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Rock, Americana

Tracks:

01. Death Wish
02. King of Oklahoma
03. Strawberry Woman
04. Middle Of The Morning
05. Save The World
06. If You Insist
07. Cast Iron Skillet
08. When We Were Close
09. Volunteer
10. Vestavia Hills
11. White Beretta
12. This Ain’t It
13. Miles

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