Leslie Stevens – Sinner – CD-Review

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Review: Michael Segets

Leslie Stevens wurde im letzten Jahr von der Presse ihres Wohnorts Los Angeles zur besten Country-Sängerin – zumindest der Stadt – erklärt. Mit Dolly Parton und Emmylou Harris gibt Stevens auch zwei Grandes Dames der Country-Szene als ihre musikalischen Vorbilder an. Ihre CDs lassen sich aber nicht so eindeutig diesem Genre zuordnen.

Während sich auf dem Album „Roomful Of Smoke“ (2010), bei dem sie noch von The Badgers begleitet wurde, und auf „The Donkey and the Rose“ (2016) einzelne Country-Titel finden, konzentriert sich Stevens bei „Sinner“ auf Balladen, die zwischen Country und Folk im Americana-Bereich zu verorten sind.

Das Titelstück und „Sylvie“, bei dem Jenny O. im Background zu hören ist, sind solche sanften Songs. Bei den ebenfalls getragen Balladen „You Don’t Have To Be So Tough“ und „The Long Goodbye“ steht bei der Begleitung die akustische Gitarre im Vordergrund, bei „Falling“ ein Klavier. Alle Titel sind gut hörbar und melodiös, wobei sie sich – vielleicht mit Ausnahme des letztgenannten – nicht unmittelbar in den Gehörgängen festsetzen.

Vor allem „Storybook“ erinnert mich von der Struktur an Kompositionen von Jess Klein. Stevens Stimme ist allerdings heller. In ihren mädchenhaften Sopran mischt sich ein nasaler Twang, der nachvollziehbar macht, warum sie manchmal in die Country-Ecke geschoben wird.

Mit ihrem Gesang kann Stevens allerdings unterschiedliche Stimmungen erzeugen. So lässt er auf „Teen Bride“ die fünfziger Jahre mit ihren schmachtenden Schulzen wieder aufleben. Aggressivere Töne schlägt Stevens auf „The Tillman Song“, dem kompositorisch und inhaltlich stärksten Track der Scheibe, an. Bei dem treibenden Stück, nimmt sie am Ende das Tempo gekonnt raus, ohne dass ein Bruch entsteht.

Produzent Jonathan Wilson (Roger Waters) greift hier zur E-Gitarre und gibt mit härteren Riffs dem Titel zusätzlichen Drive. Inhaltlich handelt es sich um einen Anti-Kriegs-Song, der seine Aussage an dem Schicksal des Footballspielers Pat Tillman verdeutlicht, der in Afghanistan gefallen ist.

Sehr gelungen sind auch das flotte „Depression, Descent“, auf dem Wilson als Duettpartner in Erscheinung tritt, sowie „12 Feet High“, das mit akzentuiertem Rhythmus und eingängigem Refrain einen rockigeren Ton anschlägt. Mit der Vorabauskopplung der beiden Stücke hat Stevens nichts falsch gemacht.

Leslie Stevens legt mit „Sinner“ ein balladenorientiertes Album vor, bei dem sich die Stücke zu einem schlüssigen und harmonischen Ganzen zusammenfügen. Im Gedächtnis bleiben jedoch die Titel, auf denen sie von der getragenen Grundstimmung abweicht.

Stevens arbeitete schon mit Joe Walsh, Jackson Browne und John Fogerty zusammen. Im September absolviert sie einige Auftritte mit Israel Nash in England. Zuvor tritt sie beim dänischen Tonder-Festival auf. Danach setzt sie ihre Tour in den Vereinigten Staaten fort, sodass vorerst ein Besuch in Deutschland nicht auf dem Terminplan steht.

Lyric Land/Thirty Tigers (2019)
Stil: Americana, Folk

Tracks:
01. Storybook
02. 12 Feet High
03. Falling
04. Depression, Descent
05. You Don’t Have To Be So Tough
06. Teen Bride
07. Sinner
08. The Tillman Song
09. Sylvie
10. The Long Goodbye

Leslie Stevens
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