Review: Stephan Skolarski
25 Jahre nach ihrer Gründung hat die italienische Formation Cheap Wine aus Pesaro mit dem Longplayer “Yell” ihr 14. Album vorgelegt und erneut auf die altbewährte Mischung aus Alternative-Country mit Southern-Einflüssen und Blues-Zutaten zurückgegriffen.
Die in der großen Hafenstadt an der Adria beheimatete Band hatte sich nach einem Song der kalifornischen Gruppe “Green On Red” benannt, deren Stilrichtung dem sogenannten Paisley Underground der 80er Jahre erfolgreich zugehörte. Die von Cheap Wine durchweg in Eigenregie eingespielten Titel der neuen Scheibe beginnen mit “Greedy For Life” und starken psychedelischen Guitar- und Keys-Interpretationen, die in ihren Ursprüngen vom Green On Red-Vorbild nicht weit entfernt sind.
Die rasante Rocknummer “No Longer Slave” mausert sich nach kurzem Intro zum fulminanten E-Solo-Abschluss; gitarrengetrieben entwickelt sich der Titelsong “Yell” zum großartigen Wüsten-Rocker – einfach hervorragendes Songwriting. Gleiches gilt für den urtümlichen Southern-Track “Your Fool’s Gold” mit exquisiter Guitar-Work (siehe Neil Young) und dem zwischen Ray Davies Americana und Tom Petty-Country-Rock-Flair entfaltenden Song “Sun Rays Like Magic”, ein Top-Titel.
Durch einen fast “leisen” Country/Folk-Charakter mit feinfühligen Riff-Strukturen imponiert “The Scent Of A Flower” als melodisch getragenes Stück, das z.B. auch gut zu den Jayhawks passen würde. Dass die beiden Gitarristen Marco und Michelle Diamantini ihr Handwerkszeug mehr als meisterlich beherrschen, wird auch bei “Floating” in sechseinhalb Minuten deutlich.
Diesmal in ruhiger, entspannter Song-Atmosphäre: eindeutig als Filmmusik geeignet! Die insgesamt immer wieder bärenstarke Mannschaftsleistung der Band, Alessandro Grazoli am Bass, Alan Giannini (Drums) und Alessio Raffaelli an den Keys, kann ebenfalls beim weiteren, absoluten Top-Stück “The Devil Is Me” grandios überzeugen – ein Titel angesiedelt zwischen den musikalischen Welten von The Feelies und War On Drugs.
Eine außergewöhnliche Vielseitigkeit von Cheap Wine, die in Live-Versionen Dylan und Springsteen ausgiebig interpretieren, lässt neben lautstarken, schnellen Rock-Kunststücken (hier z.B. “Colors”) abschließend gleichermaßen schönes Storytelling in “Last Man On The Planet” als langsam ausklingenden Abgesang beinahe zeitlos wirken.
Bereits 2015 war der damalige Dream Syndicate-Frontman, Steve Wynn, offensichtlich vom musikalischen Potential der Band derart beeindruckt, dass er mit Cheap Wine einen mitreißenden Konzertauftritt in Triest hinlegte – absolut nachvollziehbar. Unverständlich ist hingegen, dass bisher kein großes Label auf die Band von der Adria aufmerksam wurde, denn mit “Yell” ist Cheap Wine erneut eine besonders empfehlenswerte Produktion gelungen. Alles in allem eine wunderbare Scheibe, die internationale Vergleiche spielerisch aushält.
Eigenproduktion (2022)
Stil: Alternative Country, Southern Rock
Tracks:
01. Greedy For Life
02. No Longer Slave
03. Yell
04. Your Fool’s Gold
05. Sun Rays Like Magic
06. The Scent Of A Flower
07. Floating
08. The Devil Is Me
09. Colors
10. The Last Man On The Planet