Little Big Town – Tornado – CD-Review

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Fünfter Streich des beliebten und ursprünglich aus Alabama stammenden Quartetts. Die Konstellation von Little Big Town mit zwei Sängerinnen (Karen Fairchild, Kimberly Schlapman) und zwei Sängern (Jimi Westbrook, Phillip Sweet) ist in der Nashville-Szene rar gesät. Sie birgt einerseits sicher einiges an Potential für Reibereien, Unwägbarkeiten und auch Meinungsverschiedenheiten – schließlich dürfte es sich nicht einfach gestalten, immer vier Personen und ihre unterschiedlichen Ansichten unter einen Hut zu bringen. Es offeriert aufgrund der Einzigartigkeit und der Kombinationsmöglichkeiten aber auch große Chancen. Und die hat der Vierer seit seinem Bestehen (Gründung 1998) auch konsequent genutzt. Man ging von Anbeginn durch Dick und Dünn (Labelschwierigkeiten, Todesfälle innerhalb der Familien), von Skandalen oder Auflösungserscheinungen aber keine Spur.

Im Gegenteil: Die Band arbeitete sich peu-a-peu immer weiter in der Gunst der Fans nach vorne und sitzt mittlerweile sicherer denn je im Sattel eines der bestimmenden Major Labels (Capitol Records). Mit dem Vorgängerwerk „The Reason Why“ gelang es erstmalig ein Album auf Platz 1 der Billboard Country-Charts zu platzieren, was ihnen aber bei Singles bis dato verwährt blieb. Doch auch das ist mittlerweile Schnee von Gestern. Mit ihrem neuen, bravourösen Silberling „Tornado“ und der vorab ausgekoppelten Single „Pontoon“ (ein herrlich grooviger Gute-Laune-Song mit toller Mandoline und starkem Southern-affinen E-Gitarren-Solo) ist ihnen jetzt auch dort der ganz große Wurf gelungen.

Der Song erklomm sofort die Chartspitze und eroberte die Herzen der Fans, der Kritiker, wie auch einer ganzen Reihe von im Genre beheimateter, hoch angesehener Kollegen (selbst Diven wie Wynonna oder alte Haudegen wie Charlie Daniels zollten diesem Track ihre große Hochachtung) im Sturm. Die Nummer ist natürlich auch bei den diesjährigen CMA-Awards als bester Song des Jahres mit hervorragenden Aussichten nominiert worden (dazu sind die vier auch noch in der Kategorie beste Vocal-Group dabei). Auch der Rest des Albums besticht mit bärenstarken Liedern und vor allem viel Variabilität. Da bringt sich wieder jeder perfekt auf den Song getimt als Leadsänger ein, mal wechseln weiblicher und männlicher Gesang, fast immer gibt es diese tollen auf den Punkt gebrachten Harmoniegesänge, was ihnen zum Teil den Ruf als „Fleetwood Mac der Countryszene“ einbrachte.

Ein exzellentes Beispiel hierfür ist das wunderbar fluffige, hoch melodische „Leavin‘ In Your Eyes“, das man gemeinsam mit den Warren Brothers komponierte. Man meint teilweise wirklich, dass Karen Fairchild und Kimberly Schlapman Seelenverwandte mit Stevie Nicks und Christine McVie wären. Toller Song, da denkt man sofort an das berühmte „Rumours“-Album zurück. Neben den vier Hauptprotagonisten glänzen hier aber auch zwei Songlieferantinnen. Natalie Hemby lieferte als Co-Writerin gleich den Stoff für fünf Titel („Pontoon“, „Tornado“, „Can’t Go Back“, „Self Made“ und „Night Owl“) und hat somit erheblichen Anteil an diesem starken Werk, aber auch die zierliche Lori McKenna, selbst eine wundervolle Interpretin, hat bei den eingängigen „Sober“ und „Your Side Of The Bed“ deutliche Spuren hinterlassen. An den Instrumenten verdient sich diesmal Multiinstrumentalist Johnny Duke (sämtliche Saiteninstrumente) Bestnoten.

Produziert und auch musikalisch beteiligt ist Jay Joyce, dem ein kristallklarer Sound gelungen ist. Der treibende Opener „Pavement Ends“ bietet richtig schönen, rootsigen Country und knüpft so ein wenig an alte „Boondogs“-Zeiten an. Auch beim swampigen „Front Porch Thing“ (klasse Dobro-Fills) geht es recht kräftig zur Sache und es wird sogar vor Delta-bluesiger Electric-Slide kein Halt gemacht. Ansonsten wird man in gewohnter Weise von den wirklich tollen Gesangswechseln und Harmonien verzaubert (teilweise auch in Accapella angelehnter Manier). Das ist schon sehr beeindruckend. Und so bekommt man beim abschließenden „Night Owl“ (fast schon bardenhaft vorgetragen) noch einmal eine Lehrstunde in dieser Hinsicht geboten.

Fazit: Little Big Town sind mit „Tornado“ auf dem bisherigen Gipfel ihrer Karriere angelangt. Mit ihrem Smash-Hit „Pontoon“ dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit sogar der Song des Jahres 2012 eingefahren werden. Es ist immer wieder schön, diesem sympathischen Quartett zuzuhören und an ihrer Weiterentwicklung teilzuhaben. Die Texte, enthalten in einem sehr geschmackvoll gestaltetem Cover/Booklet, tragen ebenfalls zum großen Gelingen dieses beeindruckenden Gesamtwerkes bei. Eine tolle Scheibe! Little Big Town erneut ganz groß!

Capitol Nashville (2012)
Stil: New Country

01. Pavement Ends
02. Pontoon
03. Sober
04. Front Porch Thang
05. Your Side Of The Bed
06. Leavin‘ In Your Eyes
07. Tornado
08. On Fire Tonight
09. Can’t Go Back
10. Self Made
11. Night Owl

Little Big Town
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Bärchen Records

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