Emanuel Casablanca – Hollywood Forever – CD-Review

Review: Michael Segets

Jörg Schneider nahm sich 2022 dem Debüt von Emanuel Casablanca „Blood On My Hands“ für SoS an. Unser Blues-Spezialist hätte sicher kenntnisreicher das nunmehr dritte Album „Hollywood Forever“ kommentieren können, aber nun ist mir die Aufgabe zugefallen. Ich habe dem Longplayer, der mit sechzehn Tracks tatsächlich diesen Namen verdient, ein paar Durchläufe gegönnt.

Mit dem groovigen „Mud“ steigt Casablanca gut ein. Anfänglich nimmt der zweite Track „Dirty Luck“ den treibenden Rhythmus des Openers auf. In der Mitte der Nummer erfolgt aber ein Bruch und das Stück plänkelt aus. Auch der fast neunminütige Titelsong „Hollywood Forever“ integriert unterschiedliche Passagen, was für Freunde des Blues vielleicht ein Fest ist, mir liegen kürzere, einfacher strukturierte Stücke näher. So befindet sich „The Squeeze“ mehr auf meiner Linie. Die kraftvollen Gitarren dominieren diesen Bluesrocker. Eine härtere Gangart legt Casablanca später bei „A Good Day To Die Young“ vor, bei dem die Rockelemente deutlich stärker in den Vordergrund rücken als der Blues.

Casablanca scheut sich nicht, moderne Ingredienzien in seine Stücke aufzunehmen, die mal interessant sind („Me And The Devil“), mal eher anstrengend („India Stoker“). Den Blues in einer klassischen Spielart präsentiert der aus Brooklyn stammende Musiker bei „Roulette“. Das Stück hat einen swampigen Einschlag und das Gitarrenspiel wirkt hier etwas differenzierter. Ebenfalls auf der Habenseite ist das kurze „Juggernaut“ zu verbuchen. Mit seinem stampfenden Rhythmus, geschmückt mit ein paar Einsprengseln der Keys, erinnert es an George Thorogood. In der zweiten Hälfte widmet sich der Gitarrist verstärkt der emotionalen Seite des Blues („Lust And Lies“, „Low Down Dirty Shame“). Hier ist das sanfte „Love Strong“ hervorzuheben.

Das Highlight des Albums stellt für mich die wirklich gelungene Ballade „Black Mans Burden“ dar, die ich im Americana verorten würde. Casablanca setzt sich für Menschenrechte und Antidiskriminierung ein, wofür er die Emanuel Casablanca Foundation gründete. Diese veranstaltet weltweit Konzerte, deren Erlös an entsprechende Organisationen geht. Dabei helfen natürlich auch gute Kontakte. Im Laufe seiner Karriere arbeitete Casablanca mit eine Reihe erfolgreicher Musikerinnen und Musikern der Bluesszene zusammen. Zu diesen zählen Albert Castiglia, Paul Gilbert, Jimmy Carpenter, Kat Riggins und Joanna Connor.

Emanuel Casablanca überschreitet auf „Hollywood Forever“ Genregrenzen. Im Zentrum steht der Blues und der Blues Rock, aber auch Rock und Americana finden Platz auf dem Album. Neben Titeln, die sich eher an traditionellen Mustern orientieren, sind auch experimentierfreudigere Songs vertreten. Wie das Gesamtwerk von Bluesfans aufgenommen wird, wage ich nicht einzuschätzen. Ich picke jedenfalls nur einzelne Beiträge aus dem umfangreichen Angebot heraus.

Bad Boy Of Blues Media Co. (2025)
Stil: Blues/Blues Rock

Tracks:
01. Mud
02. Dirty Luck
03. Hollywood Forever
04. The Squeeze
05. Werewolf
06. Roulette
07. Me And The Devil
08. Juggernaut
09. Black Mans Burden
10. A Good Day To Die Young
11. India Stoker
12. Lust And Lies
13. Love Strong
14. Low Down Dirty Shame
15. Flying
16. Last Fair Deal

Joe Bonamassa – 29.04.2025, Rudolf-Weber-ARENA, Oberhausen – Konzertbericht

6.000 Besucher in der vollen Rudolf-Weber-ARENA zu Oberhausen sprechen eine deutliche Sprache. Joe Bonamassa hat sich mit harter, beharrlicher und vor allem kreativer Arbeit an die Spitze der Blues Rock-Champions-League gespielt und Größen wie z. B. Eric Clapton & Co., wenn man ehrlich ist, die mittlerweile nur noch von ihrem Ruhm vergangener Tage zehren, insgesamt gesehen, längst hinter sich gelassen.

Viele werfen ihm eine gewisse Sterilität, Unnahbarkeit und Berechenbarkeit in negativer Hinsicht vor, ich bin da allerdings anderer Meinung. Wenn ich zu seinen Konzerten innerhalb der Woche gehe, weiß ich, dass mir keine mittelklassige Vorband samt Umbaupause droht, die mir den Schlaf in der Nacht rauben wird, dass mich pünktlich ab 20:00 Uhr eine immer wieder variabel gestaltete Setlist und knapp zwei Stunden anspruchsvoll gestaltete Musik (meist inklusiv einer Zugabe) erwartet, präsentiert von absoluten Weltklasse-Musikern.  Um 22:00 Uhr ist Ende der Veranstaltung! Punkt! Man fährt zufrieden ab nach Hause, und ist einigermaßen ausgeschlafen wieder für den nächsten Tag im Beruf gewappnet.

Allein schon der Auftakt mit dem grandiosen, mir noch nicht bekannten „Hope You Realize It (Goodbye Again)“ war der Hammer, der alles beinhaltete, was das Können dieses hochklassigen Musikers und seines ihn umgebenden Kollektivs ausmacht:

Eine fulminante Rhythmusuntermalung mit dem groovenden Calvin Turner am Bass, dem kraftvoll polternden Drummer Lamar Carter, der sich brav als Zweitgitarristen unterordnende Josh Smith (insgesamt mit zwei Solopassagen im weiteren Verlauf), die herrlich frech singenden und agilen Backgroundröhren Dannielle De Andrea und Jade MacRae, die unverwüstliche Keyboard-Legende Reese Wynans mit schwurbelnder Orgel, tollem Piano und atmosphärischen Synthie-Klängen und natürlich der Protagonist himself mit unzähligen filigranen E-Gitarren-Solo-Ausflügen (an seinen vielen unterschiedlich genutzten Gitatrrenmodellen).

„Mit „Dust Bowl“ und dem herrlichen „Twenty-Four Blues“ war die Endorphine-Ausschüttung, bereits frühzeitig in beachtliche Regionen gelangt. Gleiches gilt für die grandiose, dezent progressive Ballade „Driving Towards The Daylight“, mit mein persönliches Highlight des Abends.

„The Last Matador Of Bayonne“ und das fantastisch groovende „The Heart That Never Waits“  waren die nächsten Knüller auf der Setlist. Auch Led Zeppelin– Nostalgiker kamen zum Ende auf ihre Kosten. Ohne die Background-Damen wurde „How Many More Times“ in der Bonamassa-Variante präsentiert, am Ende noch mit einem kurz-integrierten Freddie King-„The Hunter“-Intermezzo (wo Mac Rae und De Andrea wieder zurückkehrten) und einem energiegeladenen Power-Drum-Solo von Lamar Carter.

Die obligatorische 1-Song-Zugabe erfreute sicherlich dann auch noch die Southern Rock-Anhänger wie mich unter den Anwesenden. Der Bonamassa Fan-Favorit „Mountain Time“, besonders in Joes Soloeinlagen mit viel Marshall-Tucker– und Allman Brothers-Espirit, war ein perfekter Abschluss, der am Ende nochmals eindrucksvoll untermauerte, dass Joe Bonamassa im Blues Rock-Geschehen aktuell das Maß aller Dinge ist.

Vielen Dank an Mark Dehler von Netinfect Promotion, der uns erneut dieses tolle Ereignis ermöglicht hat!

Line-up:
Joe Bonamassa (lead vocals, electric guitar)
Josh Smith (electric guitar)
Reese Wynans (keys)
Calvin Turner (bass)
Lamar Carter (drums)
Dannielle De Andrea (vocals)
Jade MacRae (vocals, percussion)

Bild: Gernot Mangold (Archiv)
Text: Daniel Daus

Joe Bonamassa
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Netinfect Promotion
Rudolf-Weber ARENA, Oberhausen

Jim Kahr – Keepin‘ It Hot – CD-Review

Über den Sinn und Zweck, eine CD, die 2022 herausgekommen ist, nochmals unter einem anderen Titel in 2023 zu veröffentlichen, möchte ich mich hier garnicht auslassen.

Die CD „Keepin‘ It Hot“ von Jim Kahr wurde mir nach dem Gig der Tas Cru Band im Rheinberger to hoop mit der Bitte um Besprechung überreicht und im Rahmen meiner Berufsehre komme ich dem jetzt nach.

Weder die Vorveröffentlichung noch der Name Jim Kahr waren mir, Blues-Freunde und auch der Künstler selbst mögen es mir verzeihen, bis dato völlig unbekannt, somit kann ich recht unvoreingenommen an das Werk herangehen.

Die Recherche ergab, dass der Protagonist aus Chicago stammt und in der Vergangenheit schon mit klingenden Namen der Blues-Geschichte wie Jimmy Rodgers, Koko Taylor, Lightning Hopkins, Charlie Musselwhite und John Lee Hooker zusammengearbeitet hat.

Nach dem Hören machte sich sofort Erleichterung bei mir breit, die Scheibe, die insgesamt 13 Eigenkompositionen von Kahr und zwei modern umgesetzten Live-Coverversionen zweier Soul-Klassiker („Ain’t No Sunshine“ von Bill Withers und „It’s A Man’s World“ von James Brown in einer ausgiebigen 9-Minuten-Fassung) beinhaltet, kommt überhaupt nicht, wie befürchtet, altbacken daher, sondern bietet entspannte, sehr gut gespielte, ja, fast zeitlose Blues Rock-Atmosphäre zum Genießen im heimatlichen Wohnzimmer.

Nicht zuletzt auch ein Verdienst des mittlerweile verstorbenen, 7-fachen Grammy-Gewinners Jim Gaines, der hier als Produzent mit Hand angelegt hat. Kahr, der auf diesem Werk den Blues/Blues Rock in all seinen Facetten präsentiert, merkt man aufgrund der Songstrukturen an, dass er am Ende eher die Bühne, anstatt des Studios bevorzugt, meine ich jedenfalls herauszuhören.

Bestes Beispiel ist dafür schon der melodisch dahingroovende Opener „Big City Struggle“. Diesem tollen Song wird am Liedende durch einen irgendwie die Harmonie zerstörenden Rhythmuswechsel samt durchaus tollem, fast Southern Rock- kompatiblen E-Gitarren-Solo, die bis dato  potentielle Radiotauglichkeit genommen. Ich hätte hier ‚Strophe-Refrain-songdienliches E-Gitarrensolo-Strophe-Refrain-Ende‘ als Aufbau gewählt.

Gut gefallen mir auch die immer wieder eingeflochtenen weiblichen Backgroundgesänge wie zum Beispiel beim Hammer-Slowblues „Hurtin‘ In The Morning“, mit dezentem progressiven Pink-Floyd-Touch im Solo-Part gegen Ende des Liedes.

Herrlich das fast schon Southern Rock-verwandte, aufmunternde „Better Days Are Comin'“.  Auch der erneut sehr atmosphärische Slowblues „Got To Be A Way“ (wieder mit Southern-E-Solo am Ende) ist eine Songperle. Der verspielte launig-bumpige Titelsong mit scheppernden Drums und integriertem Bass-E-Gitarren-Schlagabtausch ist eigentlich eher was für eine Live-Performance.

Late-Night-Barroom-Atmosphäre im „Smooth Operator“-Ambiente versprüht das relaxte, Saxofon-bestückte „Listen To The Message“, ebenfalls ein Highlight des Werkes.

„Nothin‘ To Lose“ und das den Studioteil abschließende „Broken Man“ , beide mit schönen Akustikgitarren verziert, erbringen den Beweis, dass Kahr auch im bluesigen Countrymetier durchaus ansprechende Ideen vorzuweisen hat.

Gut, am Ende darf natürlich, wenn man sich schon im Blues-Genre bewegt und aus Chicago stammt, die heimatliche Huldigung nicht fehlen. Und dann ist sie auch präsent, meine geliebte nöhlige Harp bei „Chicago My Town“, für die Kahr mit Ron Sorin eine Koryphäe auf diesem Gebiet eingebunden hat.

Der Live-Part zum Schluss mit den bereits o. a. Stücken (hier sind andere Musiker involviert), offeriert dann Kahrs Passion für hingebungsvoll live gespielten Soul Blues. Danke an Jim Kahr-Deutschland-Betreuer Martin Scheschonka für die tolle Scheibe, die auch in Zukunft sicher mal öfter in meinem Player landen wird.

Pepper Cake / ZYX Music (2023)
Stil: Blues, Blues Rock

Tracks:
01. Big City Struggle
02. Wonderin‘ Why
03. With Somebody
04. Hurtin‘ In The Morning
05. Better Days Are Comin‘
06. Got To Be A Way
07. Keepin‘ It Hot
08. Listen To The Message
09. Landin‘ On You
10. Nothin‘ To Lose
11. Like The Way You Do
12. Chicago My Town
13. Broken Man
14. Ain’t No Sunshine (live)
15. It’s A Man’s World (live)

Jim Kahr
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Electric Blues Bash

Shari Puorto – Hold On – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Den in ihrer Branche benötigten, sprichwörtlichen ‚langen Atem‘ hat die US-Sängerin Shari Puorto im Laufe ihrer Karriere definitiv immer wieder bewiesen. In über zwei Jahrzehnten waren Begabung und Ausdauer stets Elemente, die auch im Titel ihres neuen Albums “Hold On” ihre Bedeutung haben. Mit insgesamt sechs Studioalben, u. a. “Down The Road” (2008), “Real” (2011), dem L.A. Music Award-Konzertmitschnitt “Live At Bogies” (2018), sowie einem Blues-Album für ein ganz junges Publikum (“Lightning Lessons Vol. 1” u.a. mit Duke Rubillard, Tommy Castro) hat die aus Kalifornien kommende Songwriterin eine feine starke Palette vorgelegt. Die aktuelle Scheibe “Hold On” atmet die breiten Stilrichtungen der 1970er Jahre in einem Kompendium aus Funk, Blues und Roots Rock, gepaart mit Soul- und Country-Tendenzen.

Vorne weg steht der Titelsong, ein Zeichen für die Beharrlichkeit und bringt diesen bluesigen, stark funkigen Gitarren-Rock vergangener Tage als Einstieg in die Frage “Where Is All The Great Music Going?”, die Shari Puorto in diesem zweiten Track mit rockigem Country-Flair und einer schönen Old School Nummer beantwortet. Zum Song-Favoriten der Scheibe avanciert die Erinnerung an den souligen Isaac Hayes “Shaft”-Sound, den die Sängerin mit “In The City” und zum Teil jazzigen Anklängen “kultiviert”. Weitere Highlights der Produktion – auch hier im Co-Writing von Shari Puorto – sind “Why Not Me?” sowie “Forever More”, die in Zusammenarbeit mit dem legendären Barry Goldberg entstanden sind.

Der leider im Januar 2025 verstorbene US-Blues-Musiker, Songschreiber und Produzent hat bereits in den 1960ern mit Paul Butterfield, Bob Dylan und seiner eigenen Blues Band auf der Bühne gestanden. Die vorliegenden Referenzen sind slow-bluesige, soulig-warme Stücke, teils eindringlich und melancholisch mit wunderbaren Arrangements, ideal für die leidenschaftliche Stimme, die einen ebenfalls inhaltlich sehr emotional wirkenden Abschlusstitel, wie “Home Bound” die Rückkehr nach zu Hause gefühlvoll thematisiert.

Mit “Hold On” hat die inzwischen in Annapolis, MD, lebende sehr vielseitige Interpretin, Shari Puorto ein Full-Range Album veröffentlicht. Die Wandlungsfähigkeit und gleichzeitig überragende Natürlichkeit ihrer Vocals prägen die Aufnahmen und etablieren die Sängerin weit über die Grenzen der Los Angeles Area hinaus.

Little Lightning Productions (2025)
Stil: Blues, Funk, Roots Rock

Tracks:
01. Hold On
02. Where Is All The Great Music Going?
03. Cyclone
04. In The City
05. Why Not Me?
06. Forever More
07. You’re Right, I’m Wrong For You
08. Home Bound

Shari Puorto
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BluesRockMusic

Hughes Taylor – Roasted – CD-Review

Achtung liebe Blues Rock-Gemeinde –  aufgepasst!  Mit dem aus Georgia stammenden Hughes Taylor ist etwas ganz Großes im Kommen. Der arbeitet nämlich, ähnlich wie Joe Bonamassa, seit seinem 13. Lebensalter akribisch an seiner Musikerkarriere und bringt jetzt mit „Roasted“ sein bereits 6. Album heraus.

Als Gitarrenspiel-Vorbilder benennt er dabei keine geringeren als Stevie Ray Vaughan, David Gilmour und Steve Gaines, also der Junge muss doch schon von vorne herein was Sympathisches an sich haben!

Und das hört man natürlich auf seinem neuen Werk auch einwandfrei heraus. Besonders beim Opener „Moondance Baby“, den Hughes eigentlich in erster Linie als Auftaktstück für sein Live-Programm schreiben wollte. Der sei aber aus seiner selbstkritischen Sicht heraus, in gesanglicher Hinsicht momentan noch zu schwierig, mit noch uneingesungener Stimme für ihn auf der Bühne direkt umzusetzen,  so Taylor. Hier merkt man schon, welch hohe Ansprüche der Protagonist an sich selbst anlegt.

Ansonsten ist dieser Track aber nach meiner Meinung mit seinem elanvollen Drive, den quirligen Gitarrenpasssagen an sich wirklich prädestiniert. Hier vereinigen sich mit Stevie Ray Vaughan (Klang), Steve Gaines  (Fingerfertigkeit) und Derek Trucks (Slide-Solo am Ende) gleich drei Gitarrenvorbilder in einem Song, dazu das tolle druckvolle Spiel der Mitstreiter. Zurecht ein sehr gut gewählte Opener, um zumindest dieses am Ende auch insgesamt starke Album einzuleiten und auch weiterzuführen.

Nach dem rau, im Trio-Format eingespielten swampigen Southern-Stampfer „Ballad Of Big Bill McGuire“ mit dramaturgischem Text, folgt dann eine unglaublich starke Phase mit sechs Blues Rock-Perlen an der Schnur, die nicht nur Hughes‘ Songwriterpotential, sondern auch das ganze Können, des ihn umgebenden Musikerpersonals offeriert.

Herauszuheben, neben dem Protagonisten, der mit sehr vielen tollen anspruchsvollen E-Gitarrenparts und -Soli zu glänzen weiß (nur seine Stimme hört sich als einziges kleines Manko noch etwas jung an), ist der überragende Keyboarder Zach Wilson, der hier wirklich. zu jedem Song passend, die richtigen Akzente überaus variabel setzt.

Grandios zum Teil auch die Background Vocals von Evie Somogyi („Until it Hits“) und Emily Lynn (1, 4, 6), die besonders beim superben „Midnight Angel“ einen Solo-Zwischenpart hinlegt, der mich an die berühmte Passage in Pink Floyds „The Great Gig In The Sky“ der damaligen Sängerin  Clare Torry erinnert. Klasse ebenfalls die ‚Jon Lord-Orgel‘ von Wilson.

Nach diesem furiosen Song-Sextett, geht es ab „Before You Fall“ bis zum abschließendem Instrumental „Rochester“ wieder ins klassische Blues Rock-Trio über, wobei dann hier auch bei den Stücken, die vermutlich primär für potentielle Improvisationseinlagen beim Live-Performen konzipiert wurden, sich die powervolle Rhythmusfraktion, bestehend aus Ben Alford (Bass) und Nich Gannon (mit herrlich scheppernden Drums bei „Rochester“) ebenfalls markant einbringen kann.

Endlich mal wieder ein echt frischer Wind in der Blues Rock-Szene! Liebhaber von Acts wie Kenny Wayne Shepherd, Jonny Lang auf der amerikanischen Seite, oder Davy Knowles, Laurence Jones oder Ben Poole auf britischem Terrain, werden diese Edelröstung des Blues Rocks in vollen Zügen genießen.

Hughes Taylor und sein neues Album „Roasted“ werden (nicht nur bei mir) ganz sicher zu den außergewöhnlichen Neuentdeckungen des Jahres 2025 zählen. Geht statt mit Kaffee, auch gut mit Bier runter!

The Bent Note (2025)
Stil: Blues Rock

01. Moondance Baby
02. Ballad Of Big Bill McGuire
03. Until It Hits
04. Midnight Angel
05. From The Other Side
06. (In the Morning) When it’s Over
07. Beautiful Stranger
08. When Love Comes Home
09. Before You Fall
10. Hangin On
11. Rochester

Hughes Taylor
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Tito & Tarantula, 15.04.2025, 15.04.2025 – Zeche Carl, Essen – Konzertbericht

Mit einem neuen Album im Gepäck zeigen Tito & Tarantula in der sehr gut besuchten Essener Zeche Carl, dass die musikalische Reise weitergeht und Tito sich mit seiner Band nicht auf alten Lorbeeren ausruht. Mit einigen alt bekannten Songs wie „In My Car“ oder „Pistolero“ wird schnell Stimmung in die Location gebracht, um im Mittelteil des etwa zweistündigen Sets fast die Hälfte der Stücke des neuen Albums „Brincamos!“ zu spielen, die sich stilistisch nahtlos in die oft mystisch wirkende texanisch-mexikanische Musik einfügen und bestens ankommen.

Nicht ohne Stolz beschreibt er bei der Ansage zu „Slow Dream“, dass seine Tochter ihm die Initialzündung dazu gegeben hat. Neben Tito, der mit der gewohnt charismatischen Bühnenpräsenz aufwartet, steuert Marcus Praed, oft in sich gekehrt wirkend, einige starke Gitarren-Soli bei und erweist sich dabei auch als ein Meister des Slidens. Titos Tochter Lolita, mit einem Dauergrinsen in Gesicht ihren Bass lasziv zupfend, sorgt mit Drummer Rafael Gayol für eine wohl temperierte Rhythmus- Grundlage im gut abmischten Sound in der Zeche Carl.

Egaux Sells und Carrie Fussell liefern nicht nur tanzend für den Background Gesang, sondern steuern noch Keyboards und bei manchen Tracks die dritte und vierte Gitarre bei. Ein Highlight ist insbesondere für einige Fans aus den ersten Reihen „After Dark“, wo Tito zum Tanz auf der Bühne einlädt, bis diese rappelvoll ist. Mit einer spanisch gesungenen Variante von „Anarchy In The UK“ beendet die Band einen Abend, der die Fans stimmungsvoll in die Weiten der texanisch-mexikanischen Grenzregion entführt und das Flair der Titty Twister Bar in den Kohlenpott gebracht hat.

Line-up:
Tito Larriva (lead vocals, electric guitar)
Marcus Praed (Guitar, backing vocals)
Lolita Carroll Larriva (bass, vocals)
Rafael Gayol (drums)
Egaux Sells (backing vocals, guitar)
Carrie Fussell (backing vocals, keyboards, guitar)

Bericht und Bilder: Gernot Mangold

Tito & Tarantula
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Zeche Carl

John Primer – Grown In Mississippi – CD-Review

Blues ist nun mal Blues. In diesem speziellen Genre herrschen ganz eigene Gesetze, den Hardlinern, mittlerweile überwiegend schon im gesetzten Alter, kann es vermutlich oftmals nicht traditionell genug sein.

In dieser Hinsicht wird John Primers aktuelle CD „Grown In Mississippi“ (nach dem Anhören scheue ich mich wirklich schon fast das Wort ’neue‘ in den Mund zu nehmen) ein einziges Freudenfest sein. Er huldigt hier seine heimatlichen Wurzeln (er hat ja den Anfang seines Lebens in Camden, MS, verbracht, bis er mit seiner Mutter irgendwann nach Chicago ausgewandert ist) auf eine Art und Weise, wie sie ursprünglicher eigentlich nicht mehr sein kann.

Es ‚deltabluest‘ an allen Ecken und Enden, Liebhabern der Szene wird allein beim Lesen der involvierten Musiker (wie u. a. Bobby Rush, Charlie Musselwhite, Watermelon Slim, Eden Brent, Lightnin‘ Malcolm, Gary Vincent, Deak Harp, Rickey ‚Quicksand‘ Martin, Steve Bell, Rosalind Wilcox) und Songschreiber der Fremdkompositionen (u. a. Willie Dixon, Joseph Lee Williams, Jimmy Reed) vermutlich schon das Herz aufgehen. „Beim gospeligen „Lay My Burdens Down“ ist Tochter Aliya mit von der Partie und sorgt stimmlich für etwas Abwechselung.

Da ist wirklich alles aus dem Textbausteinkatalog des Genres wie „I woke up in the morning“, I was born in Mississippi“ oder „…and my baby is gone“, etc. vorhanden, und selbst mir kommt jede Melodie, jedes Riff, jede Hook und jedes Solo vor, als wenn ich sie schon zum tausendsten Mal gehört hätte. Engagierte Hobby-Plagiatsjäger, sofern es die in diesem Sektor gibt, hätten vermutlich, auch bei Primers Eigenkreationen, die nächsten Wochen Dauerbeschäftigung.

Somit liegt Authentizitätsfaktor bei satten 100 Prozent, der innovative Wert geht gen Null. Für mich persönlich (und ich erlaube mir diesen Kommentar, auch wenn mich die Blues-Hardliner dafür wahrscheinlich Teeren und Federn mögen werden), hört sich das Ganze am Ende an, als wenn der Protagonist zuhause aus einer 60-jährigen Amnesie gerade erwacht wäre und von dort aus direkt ins Aufnahmestudio gefahren ist.

Fazit: Wer auf so einen ur-traditionellen Blues-Stoff im Delta-Ambiente (mit viel nöhlender Harp) steht, für den ist John Primers „Grown In Mississippi“ ein absolutes Muss.  Für ihn als Musiker vom Mississippi ist dies mit Sicherheit eine wichtige Vergangenheitsbewältigung, für den Mann vom Rhein eher eine überflüssige Geschichte…

Label: Blues House Productions
Stil: Blues

01. John’s Blues Holler
02. Born In Mississippi
03. Blues Before Sunrise
04. Down In the Bottom
05. Walkin‘ Blues
06, Nothin‘ But A Chicken Wing
07. A Better Day
08. When I Met The Blues
09. Baby Please Don’t Go
10. Let Me Be Your Electrician
11. Shame Shame Shame
12. Lay My Burdens Down
13. Ain’t Kickin‘ Up No Dust
14. John’s Crawdad Song

John Primer
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Tony Holiday – Keep Your Head Up – CD-Review

Tony Holiday ist bei Forty Below Records unter Vertrag und befindet sich dabei in bester Gesellschaft mit namhaften Blues-Künstlern, die auch schon bei uns besprochen wurden,  wie u. a. John Mayall, Charlie Musslewhite, Sugaray Rayford, JD Simo, etc.

Er genießt in der Szene einen veritablen Ruf und so ist es auch nicht verwunderlich, dass bei seinem Neuen Werk „Keep Your Head Up“ klanghafte Gastmusiker wie Eddie 9V, Kevin Burt, Laura Chavez und auch Albert Castiglia vertreten sind.

Das Werk produziert in einem schön kräftigen Klangambiente (und  doch sehr transparent) hat der auch für das Label tätige Eric Corne, der sich auch bei einigen Tracks (3, 4. 5, 6, 8) für die Backing vocals verantwortlich zeichnet.

Auch wenn der Silberling mit insgesamt acht Liedern jetzt nicht allzu üppig bestückt ist, bewegt sich das Ganze hier durchgehend auf hohem Level, auch wenn der der ganz große Hammersong am Ende nicht dabei ist.

Irgendwie kommt mir hier alles so vor wie eine Reise durch die verschiedenen Stile des Blues. Der Opener, das Freddie King-Cover „She’s A Burglar“ geht mit Bläserunterwanderung, klasse E- Gitarren, unter Mitwirkung von Eddie 9V, in Richtung Memphis.

„Twist My Fate“ bekommt durch den ’schwarzen‘ Gesang von Kevin Burt und die quäkende Harp ein wenig Delta-Flair ab. „Woman Named Trouble“ mit seinem Afro-Regaae-Beat und den Marichi-haften Trompeten driftet in Richtung New Orleans, „Good Times“ lässt den Rhythm & Blues aufleben.

„Woman Named Trouble“ wandert unter Mitwirkung der letztjährigen Blues-Gitarristin des Jahres, Laura Chavez (tolles E-Solo) in Richtung Chicago, das hypnotische „Walk On The Water“ ordne ich dem Pyschedelic Blues zu. Albert Castiglia steuert beim wieder rhytmischen treibenden „Drive It Home partielle „Lead vocals und kratzige E-Gitarre samt Solo bei.

Mit dem Southern souligen, dezent country-unterschwelligen und schön melancholischen Barroom Blues „I Can Not Feel The Rain“ (Akustikgitarre, sanftes Piano) gibt es am Ende meinen Lieblingstrack des Werkes.

Tony Holiday zeigt auf dieser Scheibe vortrefflich, wie man die unterschiedlichen Facetten des Blues auf moderne Art und Weise zusammenführen kann. Dabei kann er sich auf tolle Musiker (samt der aufgeführten Gäste und seinen Produzenten verlassen. Ich bin zwar nicht der ganz große Experte auf diesem Gebiet, würde aber angesichts des Gehörten auf „Keep Your Head Up“ erhobenen Hauptes attestieren: Tony Holiday kann Blues!

Forty Below Records (2025)
Stil: Blues (Rock)

Tracklist:
01. She’s A Burglar
02. Twist My Fate
03. Woman Named Trouble
04. Good Times
05. Shoulda Known Better
06. Walk On The Water
07. Drive It Home
08. I Can Not Feel The Rain

Tony Holiday
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Vanja Sky – 04.04.2025 – Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertnachlese

Nach drei Studiowerken hat Vanja Sky zur laufenden „Reborn“-Tour das Live-Album “Access All Areas: Live” herausgebracht , was sie an dem Abend mit kleinen Veränderungen komplett durchspielt. Dafür, dass sie das erste Mal (abgesehen von einem Auftritt bei Rufs Bluescaravan) im Piano auftritt, ist der Saal ansehnlich gefüllt und schnell sorgt sie dafür, dass Stimmung in die Bude kommt.

Das liegt nicht nur an ihrer charmanten Art (während “To Love Somebody” begibt sie sich, während die Zuschauer den Refrain in Dauerschleife singen, mit einem Eimerchen in den Saal und verteilt einige kleine Präsente), sondern auch an der Qualität der Musik. Dabei ist insbesondere Guenther Haas zu nennen, der schon für einige Hochkaräter Gitarre spielte, der nicht wenige der Besucher mit seinem variablen Gitarren Spiel faszinierte.

Stark ist das eingeschobene Medley in “Crossroads Of Life”, wo Sky ihrer Band für einige Minuten die Bühne überlässt und ein Bogen von Metallica bis zu ZZ Top gespannt wird, um mit Sky zusammen wieder in den eigentlichen Song abzubiegen. Der gut abgestimmte transparente Sound wird getragen von der Rhythmussektion um Drummer Sebastian Harder und Bassist Joshua Hoffmann, auf den Sky und Haas wechselweise Akzente mit ihren Soli setzen.

Nach einem schon starken ersten Set gelingt es Sky mit ihrer Band im zweiten Part noch einen drauf zu setzten um obligatorisch mit dem Gallagher-Hit “Shadow Play” ein bejubeltes Konzert abzuschließen. Laute Zuhabeforderungen holen die Band schnell wieder auf die Bühne und mit einer rasanten Version des Cheap Trick- Klassikers “I Wan´t You To Want Me” und “Louie, Louie” verabschiedet sich eine, ob der Stimmung sichtlich gerührte Sky von den Besuchern, um nur wenige Minuten später samt gesamter Band für ein Meet and Greet zur Verfügung zu stehen, wo sich nicht wenige der Fans die Live-CD als Andenken für den Abend zeichnen ließen.

Line-up:
Vanja Sky (lead vocals, guitars)
Guenther Haas (guitars, vocals)
Joshua Hoffmann (bass)
Sebastian Harder (drums)

Text & Bilder: Gernot Mangold

Vanja Sky
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Musiktheater Piano
3dog-Entertainment

Turnpike Troubadours – The Price Of Admission – Digital-Album-Review

Review: Michael Segets

Pünktlich zum zwanzigsten Jahrestags ihres Debüts überraschen die Turnpike Troubadours mit einem neuen Studioalbum. Seit letzter Woche ist „The Price Of Admission“ digital erhältlich. Die Veröffentlichung als CD und LP soll folgen. Ihr Abtauchen in 2019 hat der Popularität der aus Oklahoma stammenden Band keinen Abbruch getan. Ausgiebige Touren mit vollen Häusern waren den Turnpike Troubadours auch rund um ihr Wiederauftauchen mit „A Cat In The Rain“ (2023) gewiss.

Auch in diesem Jahr sind sie quasi im Dauereinsatz. Vier aufeinanderfolgende Abende im Boone Pickens Stadium in Stillwater sind bereits absolviert. Von ihrem Heimatstaat geht es dann für zwei Gigs nach Colorado ins Red Rocks Amphitheatre, von dem sich zuletzt Ryan Bingham mit einem Livealbum meldete. Sie nehmen an Willie Nelsons Jubiläumstour des Outlaw Music Festivals zusammen mit Bob Dylan, Sheryl Crow und The Red Clay Strays teil. Zwischendurch machen sie einen Abstecher nach Großbritannien. Dort sind sie mit Zach Bryan unter anderem im BST Hyde Park unterwegs. Die Turnpike Troubadours, mittlerweile in die Oklahoma Music Hall of Fame aufgenommen, sind von klangvollen Namen umgeben und spielen ausverkaufte Shows an ehrwürdigen Orte. Sie können damit zu den Institutionen der Country- beziehungsweise Roots-Music-Szene gezählt werden.

„The Price Of Admission“ dürfte ihre Fans nicht enttäuschen. Der Longplayer bietet erneut souverän dargebotenen Country mit einer Prise Red Dirt. Sänger und Songwriter Evan Felker schrieb alle Songs mit Ausnahme des abschließenden „Nothing You Can Do“, das vom Geigenspieler der Band Kyle Nix stammt. Beim Verfassen einiger Stücke kooperierte Felker mit John Fullbright („Searching For A Light“), Dave Simonett („Leaving Town“) oder Lance Roark („Ruby Ann“).

Mit seinem Troubadour-Kollegen Nix komponierte Felker „The Devil Piles His Trade“. Dank der aufgekratzten Geige erhält der erste Uptempo-Track in der Mitte des Albums einen keltischen Einschlag. Dieser tritt bereits zuvor „Be Here“ noch deutlicher hervor. Sehr stimmungsvoll ist dabei das Zusammenspiel von Felker und dem Chor im call and response. Da ich einen Faible für irisch angehauchten Folkrock habe, punktet das Sextett mit diesen Titeln bei mir.

In der ersten Hälfte des Albums gehen es die Turnpike Troubadurs ruhig an. Hervorzuheben ist dort der Opener „On The Red River“. Die atmosphärische Ballade schrieb Felker zusammen mit Ketch Secor (Old Crow Medicine Show). Durch seinen hervorragenden Refrain verdient „Heaven Passing Trough” ebenfalls besondere Erwähnung. Der Song wäre meine Single-Empfehlung. Der zweite Teil des Longplayers zieht das Tempo etwas an. Die Songs sind mit dem richtigen Maß an Twang versehen und durchweg in einem positiven Sinne eingängig. Hier gehören „What Was Advertised“ und „Nothing You Can Do“ zu meinen Anspieltipps.

Das siebte Studioalbum der Turnpike Troubadours ist erneut ein gutes geworden. „The Price Of Admission“ hält schöne Balladen, eingängige Midtempo-Nummern und ein paar galoppierende Songs bereit. Die Troubadoure sitzen dabei stets fest im Sattel.

Bossier City Records – Thirty Tigers (2025)
Stil: Country

Tracks:
01. On The Red River
02. Searching For A Light
03. Forgiving You
04. Be Here
05. Heaven Passing Through
06. The Devil Piles His Trade
07. A Lie Agreed Upon
08. Ruby Ann
09. What We Advertised
10. Leaving Town
11. Nothing You Can Do

Turnpike Troubadours
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Thirty Tigers
Oktober Promotion