The Tip – 26.04.2019, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

Tip_haupt

The Tip waren als Support für The Darkness und L.A. Guns unterwegs, mit denen sie musikalisch auf einer Wellenlinie liegen. Markus ‚Pille‘ Peerlings prophezeite bei der Ankündigung von The Tip auf der Webside der Kulturrampe daher einen Abend mit viel Testosteron und Adrenalin, bei dem man sich anschnallen sollte. Er hatte nicht zu viel versprochen. Die Band aus Nashville gab von Beginn an mächtig Gas. In der ausverkauften Rampe blieb allerdings kein Platz, um einen Gurt anzulegen.

Mit einer halbstündigen Verspätung bahnte sich die Band von bombastischer Musik begleitet ihren Weg durch die wartende Menge zu der abgedunkelten Bühne. Dort stand bereits ein Tablett mit Whiskey und Cola bereit. Verzichtend auf die koffeinhaltige Limonade nahm der charismatische Frontmann Benny Carl einen kräftigen Schluck aus der Whiskeyflasche und zog das wie entfesselt rockende Publikum mit dem Kracher „Can You Smell The Money“ von der aktuellen Scheibe „Sailor’s Grave“ direkt in seinen Bann.

Danach folgte das ebenso starke „Ride Tonight“, das sich auf dem selbstbetitelten Debütalbum (2015) findet. Hier gab Gitarrist Myles Baker bereits einen Vorgeschmack auf die Riffs und Hooklines mit denen er den Sound der Band während des Konzerts prägte.

Nach dem Einstieg erspähte mich Drummer Dixie Carl, wie ich mir konzentriert Notizen machte und kam kurzerhand hinter seinem Schlagzeug hervor, um mir Stift und Block aus der Hand zu nehmen. Erst nachdem ich bewiesen hatte, dass ich zu angemessen ekstatischen Bewegungen fähig bin, gab er mir meine Arbeitsgeräte zurück.

Dixie Carl lieferte an den Drums eine große Show ab. Er zog mit Mimik und genretypischen Posen die Aufmerksamkeit oftmals auf sich. Dass er zudem sein Instrument fest im Griff hat, zeigte er in einem langen und kreativen Solo. Als später am Abend auch noch ein Fell den Geist aufgab, bewies Dixie Carl Improvisationstalent, übernahm bei „Struttin‘“ den Gesangspart, schwang die Hüften und überbrückte so den Austausch der Trommel.

Aber auch die anderen Bandmitglieder waren äußerst aktiv, allen voran Sänger Benny Carl, der ständig in Bewegung war – beispielsweise bei einem Rock’n Roll-Medley vollführte er einen Duckwalk a la Chuck Berry beziehungsweise Angus Young. Er feuerte das Publikum mehrmals an, zu klatschen oder einen Gesangpart zu übernehmen. Seine Einlagen an der Mundharmonika wurden frenetisch bejubelt.

The Tip berücksichtigten Titel ihrer beiden Alben, präsentierten einzelne neue Stücke und streuten Coverversionen in die Setlist ein. Sie spielten „Whiskey And Coke“ sowie „Rock N‘ Roll Heaven“ von ihrer letzten CD, von ihrem Debüt „Favorite Sin“, „Don’t Want It“ und „Rock N‘ Roll Man“. Der von Myles Baker gesungene Fleetwood-Mac-Klassiker „Oh Well“ wurde hervorragend interpretiert. Nicht nur bei ihm kochte der Saal förmlich über.

Das Tempo des schweißtreibendes Sets wurde lediglich durch den Blues „L‘ve Me E’ry Woman“ unterbrochen. Ansonsten folgte ein Rocker nach dem anderen. „We’re An American Band“ von Grand Funk Railroad war die erste Zugabe. Den Abschluss bildete „Otta Control“, bei dem der agile Bassist Robby Bote sich nochmal richtig ins Zeug legte, während sich Benny Carl beim Stagediving und ausgiebigen Crowdsurfing feiern ließ. Zum fulminanten Finale putschten sich die Gitarren gegenseitig auf, bevor um Punkt 23 Uhr die letzten Töne verhallten.

Erwartungsgemäß beanspruchte die Lautstärke die Gehörgänge, aber der Sound war wie immer in der Rampe optimal ausgesteuert. Die Live-Versionen der Songs kamen erdiger rüber als die Studioaufnahmen, was mir besonders gut gefiel. The Tip zelebrieren den Rock auf der Bühne und lieferten eine Show ab, die im Gedächtnis bleibt.

Bei dem mitreißenden Auftreten der Band, deren erster Europatour sich dem Ende zuneigt, war es nicht verwunderlich, dass die CDs bereits ausverkauft waren. So blieb nichts anderes übrig, als bei den T-Shirts zuzuschlagen. Die Bandmitglieder brauchten zwar einige Zeit, um sich umzukleiden, mischten sich dann aber unter die Menge.

Jörg und ich unterhielten uns ausführlich mit Dixie Carl, der erzählte, wie er zur Musik gekommen ist und welche Pläne die Band zurzeit schmiedet. Obwohl er es liebt, auf der Bühne zu stehen – was er während des Konzerts deutlich gezeigt hatte –, freut er sich nun doch auf zuhause und seine Freundin. Wie es sich für einen Rockmusiker gehört, fand Dixie Carl noch ein paar deutliche Worte für den Mainstream in Nashville und für den amerikanischen Präsidenten. Schließlich signierte er noch einen Drumstick, den er mir während des Auftritts als Entschädigung für die Torpedierung meiner Arbeit zugeworfen hatte.

Line-Up:
Benny Carl (lead vocals, guitar, harmonica)
Myles Baker (guitar, vocals)
Robby Bote (bass)
Dixie Carl (drums, vocals)

Text: Michael Segets
Bilder: Jörg Schneider

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