Justin Townes Earle – The Saint Of Lost Causes – CD-Review

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Review: Michael Segets

Mit 37 Jahren längst den Kinderschuhen entwachsen, ist es wohl das Schicksal von Justin Townes Earle immer wieder mit seinem Vater Steve Earle verglichen zu werden. Dies soll hier nicht geschehen, denn die beiden gehen musikalisch schon längst getrennte Wege – auch wenn sie derzeit auf dem gleichen Label veröffentlichen.

Auf seinem neunten Studioalbum „The Saint Of Lost Causes” bleibt Justin Townes Earle seiner favorisierten Musik treu. Bei der einen Hälfte der Songs schlägt das Pendel stärker in Richtung Blues aus, bei der anderen bedient sich Earle der klassischen Zutaten des Americana. Genau auf der Grenze liegt der Titelsong, der den Longplayer eröffnet.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Titel, auf denen sich Earle dem Blues zuwendet: Dezent aber fein instrumentalisiert erzählt „Appalachian Nightmare” von einem Verlierer, der auf die schiefe Bahn gerät. Damit greift Earle ebenso wie bei dem flotten „Ain’t Got No Money“ auf ein gängiges Thema des Genres zurück. Sein eindrucksvolles Storytelling rückt dadurch in den Vordergrund, dass er die instrumentale Begleitung auf den Punkt bringt und keine unnötigen Effekte einbaut.

Gleiches gilt für „Don’t Drink The Water”. Das Stück variiert allerdings das Tempo, indem es in seinem Verlauf mit scheppernden Schlagzeug, Bluesgitarre und Mundharmonika-Sprengseln Fahrt aufnimmt. Auf das Schlagzeug verzichtet Earle bei „Say Baby”. Hier gibt eine akustische Gitarre den Rhythmus vor.

Einen langsamen Boogie mit etwas Swing performt Earle mit „Pacific Northwestern Blues“. einen schnelleren – ganz im Stil der guten alten Zeiten des Rock ’n Roll – unter Einsatz eines Backgroundchors im Refrain mit „Flint City Shake It“. Bei seinen bluesinfiltrierten Stücken bewegt sich Earle überwiegend im oberen Tempobereich des Genres.

Die Americana-Titel des Albums sind tendenziell langsamer. „Mornings In Memphis” und „Frightened By The Sound” erinnern an Jackson Browne, „ Over Alemada” an American Aquarium. Besonders die beiden letztgenannten Songs sind starke Vertreter der Musikrichtung. Während der Slide bei den Titeln die typische Atmosphäre erzeugt, ist er mir auf „Talking To Myself“ etwas zu aufdringlich.

Die Gleichförmigkeit von „Ahi Esta Mi Nina“ lenkt die Aufmerksamkeit wiederum auf die Lyrics, die bis auf den titelgebenden Vers auf Englisch gesungen sind. Wie bei den anderen Songs lohnt sich ein genaues Hinhören auf die poetischen Zeilen. Obwohl sich nur wenige Songs direkt im Ohr festsetzen, entwickeln sie Tiefe und Intensität, wenn man das Album mehrfach durchlaufen lässt.

Im Americana-Bereich sind in diesem Jahr bereits einige interessante Veröffentlichungen erschienen, denkt man beispielsweise an die neuen CDs von Ryan Bingham, Hayes Carll, Son Volt oder Josh Ritter. Justin Townes Earles „The Saint Of Lost Causes” setzt diese Reihe fort, unterscheidet sich von diesen durch die deutlichere Akzentsetzung auf den Blues. Sowohl unter den bluesorientierten als auch unter den Americana-Titeln finden sich einige Nuggets, die es zu entdecken gilt. Die volle Wirkung erzielen die Songs, wenn man sich die Muße nimmt, den Texten zu folgen.

Pias/New West Records (Rough Trade) (2019)
Stil: Americana, Blues

Tracks:
01. The Saint Of Lost Causes
02. Ain’t Got No Money
03. Mornings In Memphis
04. Don’t Drink The Water
05. Frightened By The Sound
06. Flint City Shake It
07. Over Alemada
08. Pacific Northwestern Blues
09. Appalachian Nightmare
10. Say Baby
11. Ahi Esta Mi Nina
12. Talking To Myself

Justin Townes Earle
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