Hymn For Her – Bloodier Than Blood – CD-Review

Review: Michael Segets

Hym For Her – kurz H4H – startete als Duo. 2008 brachte das Paar Lucy Tight und Wayne Waxing ihr Debüt heraus. Deren Tochter Diver stößt nun auf dem sechsten Album „Bloodier Than Blood“ hinzu und erweitert die Formation zu einem Trio. H4H ist jetzt also ein generationenübergreifendes Projekt. Der Titel des Longplayers soll die enge Bindung der Familie ausdrücken. In den Texten werden dementsprechend Familiengeschichten aufgegriffen. Ergänzung finden sie durch die Verarbeitung von Eindrücken und Erlebnissen während der Touren durch Amerika.

Manchmal schwingt ein Hauch der Seventies mit, auf die das Artwork der CD bereits Bezug nimmt. Die Songs sind von Harmoniegesängen geprägt, wobei jedes Familienmitglied beim Leadgesang zum Zuge kommt. So steht auch Diver mit ihrer klaren, hellen Stimme auf einigen Tracks im Vordergrund („Deer Isle“, „Things 2 Say 2 U“). Musikalisch bewegen sich die Songs hauptsächlich im Americana, der seine Basis im Folk hat. „Unseen“ und „Elders“ sind zwei sehr gelungene, eingängige Genrebeiträge. Lucy Tight, die unter anderem Ukulele und Cigar-Box-Guitar spielt, brilliert bei ihnen.

Darüber hinaus zeigen sich H4H anderen Musikrichtungen durchaus aufgeschlossen. Bei „Canine Calypso“ mischen sich beispielsweise karibische Rhythmen hinein. Eine Nähe zum Jazz weist „Stolen Heartbeat” auf. H4H gibt einzelnen Tracks einen poppigen Einschlag mit. Auffällig ist dieser auf „Dead To The World“, bei dem von Timothy Eaton arrangierte Bläser den Sound unterstützen.

Wenn Wayne Waxing am vorderen Mikro steht, geht es auch mal in Country-Gefilde wie bei „Been Drinkin“. Im positiven Sinne überraschend sind die etwas angeschrägten Titel. So wird Waxings Stimme auf „The Buzz“ technisch verzerrt. Imitiertes Hundegeheul wird in das vom Banjo getriebene „Skook“ eingeflochten. „Guns, Porn And Jesus” schrammelt schon fast in Richtung Cow-Punk. Die Stücke bilden ein gelungenes Gegengewicht zu den ruhigen Kompositionen, die auf dem Werk hauptsächlich vertreten sind. Sie stellen für mich die Highlights der Scheibe dar.

In ihrer Karriere arbeiteten H4H mit erfahrenen Tontechnikern zusammen, die die Abmischung der Tracks übernahmen. Phil Nicolo (Lauryn Hill), Jim Diamond (White Stripes), Vance Powell (Chris Stapleton) oder Mitch Easter (R.E.M.) sind hier zu nennen. An dem Mischpult betätigten sich diesmal Bud Snyder (Allman Brothers, Jeff Buckley, Gov’t Mule) und Mike Fahey. Die kompositorische Komplexität der Songs wird von ihnen eingefangen und auch klanglich gibt es an der CD nichts auszusetzen. Von den Live-Qualitäten der Band kann man sich bald selbst ein Bild machen, da im Rahmen ihrer Europa-Tournee im Juni und Juli einige Termine in Deutschland vorgesehen sind.

Hymn For Her, angewachsen durch die Tochter Diver von Lucy Tight und Wayne Waxing, präsentieren auf „Bloodier Than Blood“ Amricana-Songs der meist ruhigeren Gangart. Auch wenn bei der bunten Palette eingewobener Stile nicht jeder Track zu überzeugen weiß, finden sich doch einige stimmungsvolle Balladen und überraschend aufgekratzte Beiträge, die aus der Country-Ecke stammen, sodass ein Reinhören in das Album lohnt.

Eigenproduktion (2024)
Stil: Americana

Tracks:
01. Been Drinkin
02. Unsee
03. Deer Isle
04. Dead To The World
05. Guns, Porn And Jesus
06. Elders
07. Canine Calypso
08. Things 2 Say 2 U
09. Electric Love
10. Blue Cowboy Boots
11. Stolen Heartbeat
12. Skook
13. The Buzz
14. Sunset Ride

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Gov’t Mule – Peace…Like A River – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Mit Blick auf das 30-jährige Bandjubiläum im kommenden Jahr haben Gov’t Mule ihr neues Album “Peace…Like A River” vorgestellt. Die 12. Studioproduktion seit 1994 reiht sich ein in die frühere Werkschau von “By A Thread” (2009) oder “Shout!” (2013) und ist gespickt mit bekannten Gastinterpreten. Laut Bandleader und Songschreiber Warren Haynes ist “Peace…Like A River” nicht das eigentliche, thematische Nachfolgealbum des Grammy nominierten Longplayers “Heavy Load Blues” (2021), sondern stilistisch als Follow-up von “Revolution Come, Revolution Go” aus 2017 zu verstehen.

Die erste Single “Dreaming Out Loud” begeistert mit einem starken Wechselgesang im Stil von Sly & The Family Stone, diesmal dargeboten durch Ivan Neville (u. a. The Neville Brothers) und Blues Sängerin und Gitarristin Ruthie Foster (u. a. Derek Trucks) und gibt in den auf Zitaten von Dr. Martin Luther King, John und Robert Kennedy basierenden Lyrics, einen “first taste” des ambitionierten Projekts. Die einst aus der Allman Brothers Band hervorgegangenen Gov’t Mule haben ihr musikalisches Southern-Rock/Blues-Jam Konglomerat erneut ausgedehnt. Das komplette Originalmaterial kennzeichnet die Entwicklung der Band und deren Einflüsse, z. B. beim ZZ Top inspirierten “Shake Our Way Out” (mit Gast-Vocals von Billy Gibbons). Die prägende Stimme von Billy Bob Thornton markiert die experimentelle Reggae-Nummer “The River Only Flows One Way” und Soul-Blues Sängerin und Gitarristin Celisse Henderson leiht “Just Across The River” ihre intensive, stimmliche Ausdruckskraft.

Die 12 Songs des Longplayers wurden zur gleichen Zeit wie “Heavy Load Blues” im Power Station Studio, New England, produziert, jedoch grundsätzlich in anderen Räumen, sowie vollständig mit anderen Instrumenten und Equipments, um den neuen Songs von “Peace…Like A River” eine andere Individualität und damit musikalische Persönlichkeit auf den Weg zu geben. Diese sensible Kreativität begründet Haynes mit den sehr ehrgeizigen Zielen der Band, u.a. Arrangements zu schaffen, deren Wendungen und vielseitige Song-Philosophie in der heutigen Popmusik unüblich und daher selten sind.

Die vorliegenden Tracks wirken in ihrer Gesamtheit und vielen Parts wie ein rock-geschichtlicher Rückblick, in Anklängen durchaus nach Pink Floyd (“Made My Peace”) und Doors (“After The Storm”). Eine gewisse southern-soundige Ursprünglichkeit ist in weiten Jam Guitar Parts der durchweg längeren Titel zu spüren. Zum Beispiel auch im letzten Song “Gone Too Long”, unverkennbar eine etwas melancholische Rückbesinnung, jedoch mit positiver Lebensperspektive untermalt vom einschlägigen heavy Texas-Blues Temperament. Ergänzt wird der Longplayer in der CD-Deluxe-Ausgabe durch die “Time Of The Signs”-EP, mit weiteren 4 Bonus-Tracks und einer alternativen Version von “The River Only Flows One Way”.

Das Album “Peace…Like A River” bekräftigt den großartigen Rock’n’Roll Spirit von Gov’t Mule. Die 12 Aufnahmen präsentieren die Band als massives Urgestein mit hohen Ansprüchen an die Kraft der eigenen musikalischen Wurzeln, ein Masterpiece aus Blues- und Southern Rock, Soul und erstklassigen Collaborations.

Fantasy Records (2023)
Stil: Southern Rock, Blues Rock, Soul

Tracks:
01. Same As It Ever Was
02. Shake Our Way Out (ft. Billy Gibbons)
03. Peace I Need
04. Made My Peace
05. Your Only Friend
06. Dreaming Out Loud (ft. Ivan Neville and Ruthie Foster)
07. Head Full Of Thunder
08. The River Only Flows One Way (ft. Billy Bob Thornton)
09. After The Storm
10. Just Across The River (ft. Celisse Henderson)
11. Long Time Coming
12. Gone Too Long

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