Eric Bibb – Dear America – CD-Review

Review: Jörg Schneider

Nachdem Eric Bibb auf seinem 2017‘er Album „Migration Blues“ die großen Themen Migration bzw. Einwanderung aufgriff, widmet er sich nach „Global Griot“ (2018) auf seinem neuen Werk „Dear America“ dem Rassismus und den gesellschaftlichen Problemen in den USA der vergangenen Dekaden und der Gegenwart. Sein soziales Engagement, geprägt von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, an die ihn bereits sein Vater Leon Bibb, der bereits gemeinsam mit Martin Luther King auf die Straßen gegangen war, herangeführt hatte, kommt hier textgewaltig und verpackt in eingängige, teilweise auch melancholische Melodien zum Ausdruck.

Von Bibb mit warmer, ruhiger Stimme auf einer Akustikgitarre im Fingerpicking-Stil vorgetragen, regen sie zum Nachdenken und Reflektieren an, wobei zahlreiche Gastmusiker (u. a. sind Eric Gales, Ladonna Gales, Ron Carter, Steve Jordan und Big Daddy Wilson zu hören), für instrumentelle und gesangliche Abwechslung sorgen.

Eric Bibb spannt den narrativen Bogen über Gewalt gegen Frauen („Born Of A Woman“ – mit schönen Gesangseinlagen von Shaneeka Simon), Depressionen („Whole World‘s Got The Blues“ – mit einem klasse Gitarrensolo von Eric Gales im Mittelteil), Rassentrennung und Diskriminierung („Dear America“, ein eher traditioneller Blues mit Big Daddy Wilson als Hintergrundsänger), Rassenunruhen in Chigaco („Different Picture“ – auch wieder mit toller gesanglicher Unterstützung von Shaneeka Simon) bis hin zu dem Lynchmord an Emmett Till, einem schwarzen Bürgerrechtler (Emmett‘s Ghost“), ein Song der durch den Tod von George Floyd eine neue Aktualität erhält.

Auch Vorurteile gegen Schwarze werden von Eric Bibb in dem Slowblues „White & Black“ thematisiert, genauso wie die Eisenbahn als amerikanisches Symbol der Freiheit, Hoffnung und Sehnsucht („Talkin‘ Bout A Train, Part 1 & Part 2).
Allerdings startet das Album zunächst mit einem melodiösen Roots-Stück („Whole Lotta Lovin‘“), gespielt im Fingerpicking- und Singer-Songwriter-Stil.

Das positive Feeling spiegelt sich auch in „Tell Yourself“ (ein Slowblues über den Glauben an eine bessere Welt) und in „Along The Way“ wider, einem Song, der dazu anregt, sich Zeit zu nehmen, um sich auf die wesentlichen Dinge zu besinnen. Schließlich endet „Dear America“ mit zwei optimistisch stimmenden Liedern über die Kraft der Liebe („Love‘s Kingdom“) und „One-Ness Of Love“, einem gospelig anmutenden Lovesong.

„Dear America“ ist sicherlich ein Album, das man nicht nur so nebenbei hören sollte, da es nicht nur musikalisch, durch ehrliche Arrangements ohne Schnickschnack, oft im Singer-Songwriter-Stil, und Bibbs einfühlsame Stimme besticht. Mindestens genauso beeindruckend sind seine wortgewaltigen Lyrics, mit denen man sich unbedingt auseinandersetzen sollte. Erst so entfaltet das Werk seine volle Kraft. Sehr hilfreich ist dabei, dass alle Songtexte dem Album in einem kleinen Booklet beiliegen.

Label: Provogue (2021)
Stil: Blues

Tracks:
01. Wohle Lotta Lovin‘
02. Born Of A Woman
03. Whole World‘s Got The Blues
04. Dear America
05. Different Picture
06. Tell Yourself
07. Emmett‘s Ghost
08. White & Black
09. Along The Way
10. Talkin‘ ‚Bout A Train, Part 1
11. Talkin‘ ‚Bout A Train, Part 2
12. Love‘s Kingdom
13. One-Ness Of Love

Eric Bibb
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Eric Bibb – Migration Blues – CD-Review

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Review: Jörg Schneider

Das erste, was an der neuen CD von Eric Bibb auffällt, ist das edel wirkende und fotografisch hochwertig in s/w gestaltete und mit leichter Sepiatonung gedruckte Hochglanz-Cover. Dazu gesellt sich ein feines Booklet in ebensolcher Qualität mit einleitenden Worten von Eric Bibb und seinen Mitstreitern J.J. Milteau, einem französischen Bluessänger und Mundharmonikaspieler, sowie Michael Jerome Browne, dreimaliger Gewinner des Canadian Folk Music Award.

Die obligatorischen Songtexte sind im Booklet natürlich auch fast alle nachzulesen. Bis auf die Songtexte ist alles in englischer, deutscher und französischer Sprache verfasst. Allein sich dieses schön produzierte Booklets anzuschauen, macht schon sehr viel Freude, zumal zu jedem Songtexte auch noch ein paar Gedanken und Hintergrundinfos gegeben werden. Dies alles ist sehr schön gemacht und stimmt bestens auf die eigentliche CD ein.

Eric Bibb, der heute überwiegend in Europa lebt, wurde in seiner Jugend durch die Blues- und Folkmusik geprägt und hat im Laufe seiner Karriere u. a. schon mit so großen Musikern wie Ray Charles, John Mayall, Bonnie Raitt, Charlie Musselwhite und Taj Mahal zusammengearbeitet. Auf seinem neuen Werk nimmt er sich eines aktuell die Menschen bewegenden Themas an. Wie der Titel „Migration Blues“ schon vermuten lässt, liegen ihm die Flüchtlinge und die diesen Menschenströmen zugrunde liegenden Fluchtursachen am Herzen. Zitat Eric Bibb: „Mit diesem Album möchte ich uns alle ermutigen, unseren Verstand und unsere Herzen weit zu öffnen für die andauernde Notlage von Flüchtlingen überall. Wie die Geschichte zeigt, stammen wir alle von Menschen ab, die irgendwann einmal weiterziehen mussten.“

So handeln seine Songs vom einfachen Leben im Delta („Diego’s Blues“) und von Flucht und Vertreibung („Delta Getaway“, „Four Years, No Rain“, ein Song, von dem Bibb selbst sagt, dass er alles auf den Punkt bringt), angefangen in den 20’er Jahren des letzten Jahrhunderts, als aus wirtschaftlicher Not heraus, Menschen aus den armen Südstaaten, auf der Suche nach einem lebenswerteren Dasein, in den reicheren Norden der USA auswanderten, bis hin zu den Bootsflüchtlingen heutzutage („Prayin‘ For Shore“ mit Big Daddy Wilson als Gastsänger im Hintergrund).

Das Album umfasst insgesamt 15 Tracks, drei davon sind, für das Album recht fröhliche, reine Instrumentalstücke: „Migration Blues“ ist ein Mundharmonika untermaltes Duett aus einer 12-seitigen Resonatorgitarre, gespielt von Bibb und einer 12-seitigen Slidegitarre, gespielt von Browne. Ein schönes Mundharmonika-betontes (JJ Milteau)  Cajun-Traditional ist „La Vie, C’est Comme Un Oignon“, zusätzlich instrumentiert mit Fiddel und Cajun-Triangel, die von Michael Jerome Browne betätigt werden. Auf „Postcard From Booker“ brilliert Eric Bibb allein auf einer Booker-Gitarre. Die übrigen Songs des Albums sind größtenteils eher melancholisch und stimmen nachdenklich, vermitteln mitunter aber auch ein Gefühl von Hoffnung und Zuversicht („Brotherly Love“ & „Mornin’ Train“, ein Spiritual mit Ulrika Bibb als zweite Stimme) auf eine bessere Zukunft bis nach dem Tod.

Musikalisch gibt es auf der CD puren Delta-Blues mit sehr deutlichen Folk- bzw. Countryeinflüssen zu hören, alle Stücke größtenteils im Fingerpicking-Stil. Der gesamte Silberling ist daher auch sehr zurückhaltend und feinfühlig mit Akustik-Saiteninstrumenten arrangiert, wodurch Bibb’s Stimme und seine Fingerpicking-Technik sehr prägnant zur Geltung kommen und teilweise an Taj Mahal („We Had To Move“) erinnern. Außerdem verzichtet Bibb bei den Arrangements, von zwei Ausnahmen abgesehen („Delta Getaway“ & „With A Dolla‘ In My Pocket“), auf ein Schlagzeug. Dafür spielen Bibb und Browne abwechselnd 12-seitige Gitarren, Tenorgitarre, Baritongitarre, Resonatorgitarre, Slidegitarre, Banjo und Mandoline, während Milteau fast jeden der Songs auf seiner Mundharmonika begleitet.

Es ist sicherlich kein Album mit viel Gute-Laune-Musik, dafür aber mit sehr feinem Gitarrenspiel. Man muss sich in Ruhe auf die Musik einlassen. Also macht man es sich am besten zu Hause im Sessel bequem, setzt die Kopfhörer auf, vertieft sich in die Songtexte und fühlt jede einzelne Vibration der von Eric Bibb und Michael Jérôme Browne gezupften bzw. geschlagenen Saiten sowie die Schwingungen der einfühlsam von JJ Milteau gespielten Mundharmonika. Liebhaber des Delta-Blues sollten die Scheibe auf jeden Fall in der Sammlung haben.

Line-Up:
Eric Bibb (vocals, guitar, banjo)
Michael Jérôme Browne (guitar, fiddle, mandoline, cajun triangle)
JJ Milteau (harmonica)
Olle Lindner (drums on „Delta Getaway“ & „With a Dolla‘ In My Pocket“)
Bis Daddy Wilson (background vocals on „Prayin‘ For Shore“)
Ulrika Bibb (background vocals on „Mornin‘ Train“)

Dixiefrog Records (2017)
Stil: Delta Blues

01. Refugee Moan
02. Delta Getaway
03. Diego’s Blues
04. Prayin‘ For Shore
05. Migration Blues
06. Four Years, No Rain
07. We Had To Move
08. Masters Of War
09. Brotherly Love
10. La Vie C’estcomme Un Oignon
11. With A Dolla‘ In My Pocket
12. This Land Is Your Land
13. Postcard From Booker
14. Blacktop
15. Mornin‘ Train

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H’ART Musik-Vertrieb GmbH