Kid Rock – Born Free – CD-Review

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Meine Berührungspunkte mit dem in der Nähe von Detroit geborenen Robert James Ritchie, der sich selbst den Künstlernamen Kid Rock auferlegte, konnte ich bisher an einer Hand abzählen. In negativer Hinsicht, als er damals zur Verschandelung des Skynyrd-Klassikers „Gimme Back My Bullets“ seinen, nicht unwesentlichen Beitrag leistete, zum anderen durch seine regelmäßig durch die Medien gegangenen Proll-Attacken. Auch das letztendlich dann doch ziemlich nervende „All Summer Long“ ging an einem, ohne, dass man sich dagegen wehren konnte, nicht spurlos vorüber.

Positiv blieb im Hinterstübchen, dass er ‚frauentechnisch‘ mit mir auf einer Wellenlänge zu schweben scheint (ich bin, zumindest rein optisch, ebenfalls – möge sie sein, wie sie wolle – bekennender Pamela Anderson-Fan…) und sein starkes Duett mit Willie Nelson auf dessen „The Great Divide-Scheibe, als er die Country-Ikone bei „Last Stand In Open Country“ förmlich an die Wand sang. Da bewies er in jedem Fall schon sein großes Gesangstalent.

Nachdem ich das fluffige, groovige „Care“ (herrlich begleitendes Orgel-Spiel, grandiose Gesangsunterstützung von Mary J Blige – wow, was für eine Röhre! Das Stück gibt es übrigens auch noch in einer zweiten, hier nicht vertretenden Version mit Country-Diva Martina McBride als Duettpartnerin; selbst die kurze Einlage von Rapper I.T. ist erträglich und wird deshalb verziehen) im Radio gehört hatte und die nachträgliche Recherche ihn (Kid Rock) als ausführenden Künstler outete, klickte ich bei Amazon mal in die Soundschnipsel des dazu gehörenden Albums „Born Free“ rein. Die machten allesamt einen vielversprechenden Eindruck und auch die Tatsache, dass so namhafte und für Qualität bürgende Künstler wie u.a. Bob Seger, Sheryl Crow, Zac Brown, Trace Adkins, Los Lobos-Chef Dave Hidalgo, Red Hot Chilli Peppers-Drummer Chad Smith, Chavez-Gitarrist Matt Sweeney und Heartbreaker-Klimperer Benmont Tench mit an Bord waren, ließ eine Kaufentscheidung in unmittelbar greifbare Nähe rücken.

Als der bald in Rheinberg, meiner Heimatstadt, ansässige Konzern (die bauen dort zur Zeit ein riesiges Logistikcenter), den Preis für den Download auf 4,23 Euro runtergesetzt hatte (mittlerweile wieder auf 9,94 hochgestuft), griff ich zu und habe es nicht bereut. Eine wahre Sternstunde des Mainstreamrocks, die ich diesem Kid Rock nie und nimmer zugetraut hätte. Ein Ohrwurm reiht sich an den nächsten, kein Hänger über die gesamte Spielzeit.

Klaro, viele werden die Scheibe mit rümpfender Nase als Anbiederung ans gemeine, oberflächliche und konsumorientierte Musikvolk abtun. Ich sehe es, als jemand mit nicht gerade kleinem Horizont in dieser Hinsicht, der immer mal wieder durchaus auch den Blick über den Tellerrand wirft, aber etwas anders. Wenn ein Interpret eine erstklassige Leistung abliefert und hier stimmt von Rocks Songwriting, seinem grandiosen Gesang, den eingebundenen, songdienlich spielenden und mitsingenden Musikern bis hin zur knackigen Produktion, von keinem geringeren als Rick Rubin betreut, einfach alles, sollte man das auch honorieren. Lediglich für die unverbesserliche, Ami-typische zur Schau-Stellung der Knarren auf dem ansonsten lässigen Titelfoto gibt es marginale Abzüge.

Die Stücke sind allesamt abwechslungsreich gestaltet (gut abgestimmte Songanordnung), von der Slow- (das wunderbare „Collide“ mit Bob Seger am Piano; das bluesige „Rock On“), über die Midtempo- („Care“; die beiden mit unterschwelliger Countrynote versehenen „When It Rains“ Richtung Eli Young Band und „Flyin‘ High“ im Duett mit Zac Brown; die melancholisch anmutende Detroit-Hommage „Times Like These“ im Bereich zwischen Bob Seger, den Eagles und Poco und das abschließende „For The First Time In A Long Time“ in Quireboys-Manier) bis hin zur launigen Uptempo-Variante (der heartlandträchtige, stadiontaugliche Titeltrack mit tollen Slidepassagen, der furiose Southern Rocker „Slow My Roll“, mit herrlichen weiblichen Backs und starker E-Gitarrenuntermalung plus Solo, das fröhliche „Purple Sky“, das treibende, nicht nur für Rednecks konzipierte, mitgröhlbare „God Bless Saturday“ im Black Crowes-Stil oder das shufflige, fußwippende, honkytonkeske „Rock Bottom Blues“) ist alles vertreten.

Kid Rock hat mit „Born Free“ zweifellos eine Meisterleistung hingelegt. Eine Art Karrierealbum, das in Zukunft nur schwer zu toppen sein wird. Trotz seiner simplen, eingängigen und radiokompatiblen Strukturen, eine klare Bereicherung meiner Musiksammlung, gerade zu den jetzt wieder steigenden Temperaturen. Irgendein vertracktes musikalisches Konstrukt hinzubekommen, mag für den einen oder anderen zwar spannender und anspruchsvoller sein, der kann dann ja bei Bedarf auch gerne zu den reichhaltigen Alternativen greifen. Mal ehrlich. Wer an meiner Stelle würde zu dieser Jahreszeit (oder auch generell) nicht tausend Mal eher ein, von einem flotten Feger Marke Pamela Anderson serviertes, banales kaltes Bier und ein erstklassig gegrilltes Nackensteak, einem filigranen, von Johann Lafer kredenzten 3-Sterne- Salatteller mit raffiniert begleitendem Früchtecocktail vorziehen? Und wenn es noch so ungesund sein und primitiv erscheinen sollte…!

Atlantic Records (2010)
Stil: Rock

01. Born Free
02. Slow My Roll
03. Care
04. Purple Sky
05. When It Rains
06. God Bless Saturday
07. Collide
08. Flyin‘ High
09. Times Like These
10. Rock On
11. Rock Bottom Blues
12. For The First Time (In A Long Time)

Kid Rock
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