Big Kenny – The Quiet Times Of A Rock And Roll Farm Boy – CD-Review

Zweites, prächtig gelungenes Solo-Album von Big Kenny, der einen Hälfte des megaerfolgreichen Duos Big & Rich. Der Weg von William Kenneth Alphin, alias Big Kenny, geboren in Culpeper, Virginia zu einer der schillerndsten Persönlichkeiten in Nashville’s New Country-Szene war zunächst von einigen Tiefschlägen geprägt. Eine Firmenpleite in seinem bis dato bürgerlichen Leben (er hatte eine Konstruktionsfirma) ergab erst die Initialzündung für seine spätere Karriere. Alphin verließ fluchtartig seine Umgebung und zog nach Nashville, wo er kurze Zeit später einen Job bei einer Musikfirma ergatterte.

1999 schien er am Ziel seiner musikalischen Träume angelangt zu sein. Mittlerweile in Big Kenny „umgetauft“, unterzeichnete er bei Hollywood Records einen Vertrag für sein erstes Album, das aber nach der Fertigstellung gecancelt wurde und für Jahre in den Archiven verschwand. Kenny gründete danach die Band „LuvjOi“, die ihn mit dem ungemein talentierten Gitarrsisten Adam Shoenveld zusammenbrachte, dem man aufgrund seiner glänzenden Saitenarbeit einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg von Big & Rich bescheinigen kann und der darüber hinaus mittlerweile zu den gefragtesten Studiogitarristen der nashville New Country-Szene zählt.

LuvjOi kamen trotz zweier Alben und guten Liveauftritten aber nicht über den Status einer von Insidern geschätzten Band hinaus. Den entscheidenden Durchbruch erlangte Big Kenny erst durch die Bekanntschaft mit John Rich, dem damaligen Bassisten und Zweitsänger von Lonestar. Man tat sich zu dem großartigen. leicht „extravaganten Duo Big & Rich zusammen, deren Erfolgsgeschichte im Rahmen ihrer drei veröffentlichten Alben und einer Live-DVD hinlänglich bekannt ist. Nicht zu vergessen auch ihre kompositorischen Tätigkeit für andere Künstler wie Gretchen Wilson, Jason Aldean, Martina McBride oder Tim McGraw, sowie die Gründung der „MuzikMafia“, einem Zusammenschluss diverser Country-Künstler wie u.a. Jon Nicholson, Gretchen Wilson, Cowboy Troy und James Otto.

Im Fahrwasser des kommerziellen Big & Rich-Erfolges wurde dann auch Kennys Solo-Debüt 2005 nachveröffentlicht. Die scheinbar nicht versiegende Quelle an Ideen beider Protagonisten und die sie verbindende Harmonie gestattete ihnen genug Raum für weitere Solo-Ausflüge. Auch Rich legte im Mai dieses Jahres mit „Son Of A Preacher Man“ ein baumstarkes Album hin. Big Kenny, der sich laut eigener Aussage schon wieder aus einem Fundus von über 50 Stücken bedienen konnte, zieht nun mit seinem neuen Werk „The Quiet Times Of A Rock And Roll Farmboy“ in ebenso starker Manier nach. Er, der schon immer den extrovertierteren Part des Duos Big & Rich abgab, liefert auch hier ein buntes, farbenfrohes, unglaublich viel positive Energie ausstrahlendes, kurzweiliges, sehr abwechslungsreiches New Country-Album ab, das trotz aller „Extravaganz“ (im positiven Sinne), vor guten Songs, großartigen Arrangements und klasse Melodien nur so strotzt.

Schon die eingebundenen, echten indianischen Chorgesänge beim von Kenny mit Jon Nicholson und „3 Doors Down“-Bandmate Brad Arnold komponierten, dezent keltisch anmutenden Opener „Wake Up“, bieten einen ersten, tollen Vorgeschmack auf den weiteren bunten Verlauf dieses Werkes. Das sehr melodische, von einer verspielten, wunderbaren E-Gitarre Shoenvelds begleitete, dabei durchaus knackige „Long After I’m Gone“ ist als erste Single ausgekoppelt und bewegt sich momentan in den oberen Dreissig der Billboard-Charts. Was folgt, ist das reinste musikalischeWechselbad, bei dem Alphin aber niemals den roten Faden verliert. Mit „Be Back Home“ beispielsweise gibt es plötzlich grassigen „Rural“-Country (mit Banjo, Steel, Fiddle, humorvoller Text), gefolgt vom sich fast in U2-Sphären bewegenden, von Cello- und E-Gitarrenklängen dominierten, überaus atmosphärischen „Less Than Whole“ (Kenny singt in großartiger Bono-Manier). Klasse!

Zeit zum Durchatmen gewähren die balladeskeren „Go Your Own Way“ (Pianotupfer, klassische Streicher, weibliche Harmony-Haucher) und das entspannte „To Find A Heart“ (klasse Steelguitar-Solo), beide allerdings mit einem sich stets dynamisch steigernden Verlauf. Gute Laune pur ist Trumpf bei, wie der Titel es schon ausdrückt, „Happy People“. Rhythmische Drums, Handclaps, Fiddle Banjo, eine integrierte Hip Hop-Passage knüpfen an die bewährte Big & Rich-Erfolgsrezeptur an. Grandios das anschließende „Drifter“. Hier erzeugen Dobro, Banjo und Slidegitarren eine swampig-Delta-bluesige Stimmung, die am Ende in ein psychedelisches Finish der Marke Led Zeppelin (der klasse Gesang Kenny’s in Kombination mit Shoenvelds E-Gitarre erinnert an die Art von von Page und Plant) mündet.

Das retro-soulige „Free Like Me“ und der flockige Countrypopsong „Share The Love“ (in Anlehnung an eine von Kenny immer wieder kommunizierte Lebensphilosophie) liessen dann ein extrem abwechslungsreiches, aber trotzdem immer in sich stimmiges Werk ausklingen, käme da nicht wieder mal eine von Big Kennys verrückten Ideen zum Tragen. Unter dem Titel „The Whole Experience“ folgt dann das komplette Album noch einmal als komplett durchgehender Track.

Ein weiteres, lustiges Schmankerl sind die der CD in einer Papphülle beigelegten Blumensamen (mit integrierter Anleitung), nach dem Motto. „Let the music grow“! Abgefahren! So ist erhalt, dieser Big Kenny Alphin! Mit „The Quiet Times Of A Rock And Roll Farmboy“ jedenfalls ist dem stimmlich sehr variabel agierenden Burschen ein wunderbar frisches, farbenfrohes New Country-Album gelungen, das auf ganzer Linie überzeugt. Wesentlich mehr, als nur eine willkommene Überbrückung bis zum nächsten Big & Rich-Streich! Dieser „Rock And Roll Farm Boy“ hat einfach Klasse!

Warner Bros. Records (2009)
Stil:  New Country

01. Wake Up
02. Long After I’m Gone
03. Be Back Home
04. Less Than Whole
05. Go Your Own Way
06. To Find a Heart
07. Happy People
08. Drifter
09. Free Like Me
10. Share the Love
11. The Whole Experience

Big Kenny
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Bärchen Records

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