Little Steven And The Disciples Of Soul – Soulfire Live – CD-Review

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Review: Michael Segets

Nach langer Pause veröffentlichte Little Steven 2017 sein Album „Soulfire“ und nutzte die Gunst der Stunde, um mit großer Band – den Disciples Of Soul – auf Tour zu gehen. Eine Bilanz seiner Konzerte hat er nun auf dem Box-Set „Soulfire Live“ mit drei fast randvollen CDs festgehalten.

Für alle Little Steven-Fans und Besucher der Live-Auftritte ist der Kauf sowieso Pflichtsache. Für alle anderen stellt das Set eine gute Gelegenheit dar, mit ihm eine Reise durch die Karriere von Steven van Zandt und der Musikgeschichte des Rock ’n Roll zu unternehmen. Stilecht wird er dann auch von Ikone Mike Stoller angekündigt.

Alle Titel von „Soulfire“ sind auf den ersten beiden Scheiben vertreten, die vorab bereits als Downloads verfügbar waren. Oftmals werden sie von einem Intro eingeleitet, bei dem Little Steven einige Worte zum Hintergrund der Stücke verliert. Gut ist, dass die Einführungen auf den CDs einzeln anzuwählen oder gegebenenfalls auch zu überspringen sind. Weitere Informationen zu den Titeln liefert das umfangreiche und mit vielen Bildern aufgepeppte Booklet. Für die Abmischung konnte Little Steven Bob Clearmountain (Bruce Springsteen, The Rolling Stones, Bryan Adams, Bon Jovi, Sheryl Crow) gewinnen, der es verstand, die Live-Atmosphäre einzufangen.

Seit seinem zweiten Album „Voice Of America“ (1984) versah Little Steven seine Texte meist mit einer politischen Aussage. In dem Intro zu „Until The Good Is Gone“, das zwar als Download zur Verfügung steht, aber aus Platzgründen keine Aufnahme auf die CDs gefunden hat, stellt er das Programm seiner Auftritte vor. Er will nicht die Politik thematisieren, sondern die ‚verrückten Zeiten‘ außen vor dem Konzertsaal lassen und stattdessen die Menschen durch die Begeisterung für handgemachte Live-Musik verbinden. In seinen über zweieinhalb stündigen Konzerten gelingt ihm das auch, wie ich im Frankfurter Batschkapp letztes Jahr miterleben durfte.

Dies ändert natürlich nichts daran, dass Little Stevens ältere Stücke dennoch politische Themen aufgreifen. Vor allem auf der zweiten CD des Sets sind diese durch ein Reggae-Intermezzo („Solidarity“, „Leonard Peltier“, „I’m A Patriot“), „Checkpoint Charlie“ und „Bitter Fruit“ vertreten.

Neben den eingängigen Rockstücken „Angel Eyes“, „Forever“ und „Out Of The Darkness“ spielt der Protagonist auch den wunderschönen Lovesong „Princess Of Little Italy“, der zu meinen absoluten Lieblingstiteln gehört. Mit „Salvation“ von seinem Album „Born Again Savage“ (1999) sorgt Little Steven dafür, dass von jedem seiner bisherigen Alben mindestens ein Titel auf seiner Live-CD erscheint.

Während bislang das Standardrepertoire seiner Setlist während der 2017er-Tour aufgenommen wurde, versammelt der dritte Silberling seltener gespielte Titel und Auftritte einiger Gastmusiker. Außer „Time Of My Life“, dem Soundtrack zu „Nine Month“, und einer alternativen Version von „I Don’t Wanna Go Home“ handelt es sich durchweg um Cover-Versionen.

„Can I Get A Witness” findet sich bereits auf Little Stevens Rockpalast-DVD. Auf der neuen Version steht Richie Sambora mit auf der Bühne. „Even The Loosers“, „Working Class Hero”, „You Shook Me All Night Long” sind Verneigungen vor Tom Petty, John Lennon und Malcom Young (AC/DC). „Tenth Avenue Freeze-Out“ performt er zusammen mit seinem Freund Bruce Springsteen.

Den Sounds-Of-South-Fans wird „It’s Not My Cross To Bear“ von Greg Allman gefallen. Die sechziger Jahre lässt Little Steven bei „Can’t Be So Bad“ (mit Jerry Miller) von Moby Grape, „We Gotta Get Out Of This Place“ von The Animals und „Freeze Frame“ (mit Peter Wolf) von der J. Geils Band aufleben. Als Abschluss gibt es „Merry Christmas (I Don’t Wanna Fight Tonight)” der Ramones.

Little Steven hat den Kraftakt vollbracht, seine vierzehnköpfige Begleitband so lange zusammenzuhalten, um in eine zweite Konzert-Runde zu gehen. Als Lehrmeister des Rock ’n Roll promotet er 2018 sein erstes Live-Album mit der Teachrock-Tour. Lehrer konnten sich für einen Workshop anmelden, der die Anregung vermittelte, jungen Menschen die Wurzeln der Musik, die sie hören, näher zu bringen.

Little Steven schöpft aus der Rockgeschichte und spürt damit seinen eigenen musikalischen Wurzeln nach. Mit den Disciples Of Soul im Rücken, erzeugt er einen kraftvollen Sound, der sich an der frühen Phase des Rock ’n Roll orientiert und sich dem derzeitigen Mainstream entgegenstellt. Er zaubert ganz verschiedene Stimmungen – „magical vibrations“ –, die viel Soul transportieren. Dies gelingt ihm, ob er nun im Rock, Blues oder Funk unterwegs ist.

Little Steven And The Disciples Of Soul sind ein grandioser Live-Act, was auch das Album einfängt. Von ihren Live-Qualitäten kann man sich ebenfalls auf WDR 4 überzeugen, der Ausschnitte des Auftritts im Kölner E-Werk Anfang Juli – bei dem ich sie erneut bejubeln durfte – am 11.10.2018 sendet.

Neben „Plain Spoken – From The Chicago Theatre ” von John Mellencamp ist „Soulfire – Live” das zweite herausragende Live-Dokument dieses Jahres, das in keiner Rock-Sammlung fehlen sollte.

Wicked Cool Records/UMG/Universal Music (2018)
Stil: Rock and more

Disk: 1
01. Mike Stoller Intro
02. Soulfire
03. I’m Coming Back
04. Blues Is My Business (Intro)
05. Blues In My Business
06. Love On The Wrong Side Of Town
07. Until The Good Is Gone
08. Angel Eyes
09. Some Things Just Don’t Change
10. Saint Valentine’s Day (Intro)
11. Saint Valentine’s Day
12. Standing In The Line Of Fire (Intro)
13. Standing In The Line Of Fire
14. I Saw The Light
15. Salvation
16. The City Weeps Tonight (Intro)
17. The City Weeps Tonight

Disk: 2
01. Down And Out In New York City
02. Princess Of Little Italy (Intro)
03. Princess Of Little Italy
04. Solidarity
05. Leonard Peltier
06. I Am A Patriot
07. Groovin‘ Is Easy
08. Ride The Night Away (Intro)
09. Ride The Night Away
10. Bitter Fruit
11. Forever
12. Checkpoint Charlie (Intro)
13. Checkpoint Charlie
14. I Don’t Want To Go Home
15. Out Of The Darkness (Intro)
16. Out Of The Darkness

Disk: 3
01. Even The Losers
02. Can’t Be So Bad (featuring Jerry Miller)
03. You Shook Me All Night Long
04. Working Class Hero
05. We Gotta Get Out Of This Place
06. Can I Get A Witness (featuring Richie Sambora)
07. It’s Not My Cross To Bear (Intro)
08. It’s Not My Cross To Bear
09. Freeze Frame (featuring Peter Wolf)
10. The Time Of Your Life
11. Tenth Avenue Freeze-Out (featuring Bruce Springsteen)
12. I Don’t Want To Go Home (featuring Bruce Springsteen)
13. Merry Christmas (I Don’t Want To Fight Tonight)

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Little Steven – Soulfire – CD-Review

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Review: Michael Segets

Steven van Zandt, alias Little Steven, ist ein Urgestein in der Musikbranche. Vor allem als kopftuchtragendes Mitglied der E Street Band von Bruce Springsteen wurde er international bekannt. 1982 startete er seine Solo-Karriere mit „Men Without Women“. Diesem Album folgten in den Achtziger Jahren noch drei weitere. 1999 meldete er sich mit „Born Again Savage“, das auf seinem eigenen Wicked-Cool-Label erschien, nochmal zurück.

Zwischenzeitlich widmete er sich der Schauspielerei als Mafiosi in „The Sopranos“ und „Lillyhammer“. Seit Jahren produziert er Alben junger Bands, moderiert seine Radio-Show ‚Little Steven’s Underground Garage‘ und tourt mit Springsteen.

Nun veröffentlicht Little Steven mit „Soulfire“ sein erstes Solo-Album in diesem Jahrtausend. Wer jedoch nach so langer Pause neues Songmaterial erwartet hat, wird weitgehend enttäuscht. Steven van Zandt wirft eher einen Blick zurück und spannt den Bogen von den 1970er Jahren, die von der Zusammenarbeit mit Southside Johnny und den Asbury Jukes geprägt waren, bis zu den neueren Arbeiten für Bands seines Labels. Die CD bietet acht von ihm (mit-)geschriebene Songs, die bereits andere Künstler veröffentlicht haben, zwei Coverversionen und zwei Erstveröffentlichungen.

Nach seiner politischen Phase, die ihn vom Rock’n’Roll in Richtung Pop entfernte, kehrt der Sechsundsechzigjährige nun zu seinen musikalischen Anfängen zurück. Sechzehn Musiker und sechs Backgroundsängerinnen unterstützen ihn dabei. Das Album bietet energiegeladene Rocksongs, die an die besten Zeiten Little Stevens anknüpfen. Der Little Stevens Frühwerk kennzeichnende Einsatz der Horn-Section prägt auch die aktuelle CD. Der mehrstimmige Gesang der Backgroundsängerinnen, wohl als Hommage an die frühe Phase des Rock’n’Roll gedacht, nimmt manchen Songs den ungeschliffenen Charme, der seine Alben aus der ersten Hälfte der 1980er Jahren charakterisiert, integriert sich aber nahtlos in den zumeist satten Klangteppich der Arrangements.

Mit dem Titelstück „Soulfire“ legt die CD rockig los und gibt das Grundtempo des Albums vor. Das hymnenhafte „I’m Coming Back“ reißt von Anfang an mit. Die Bläser-Abteilung mit den beiden alten Weggefährten Stan Harrison (Tenor Saxophon) und Eddie Manion (Bariton Saxophon) von den Asbury Jukes gibt dem Song enormen Schwung.

Bei „Blues Is My Buisness“ covert Little Steven eine Blues-Rock-Nummer, die aus der Feder von Kevin Bowe und Todd Cerney stammt. Durch die – für die Verhältnisse von Little Steven – langen Soli von Gitarre und Orgel, den mehrstimmigen Gesang und das Spiel zwischen Chor und Lead Vocals gelingt es ihm tatsächlich, ein authentisches Blues-Feeling aufkommen zu lassen, ohne dass er seine Wurzeln, die nun mal im Rock liegen, verleugnet. Little Steven liefert mit „I Saw The Light“ wiederum einen geradlinigen, bislang unveröffentlichten, Rocksong ab.

Das etwas langsamere „Some Things Just Don’t Change“ baut geschickt einen Spannungsbogen auf und gewinnt zunehmend an Intensität. „Love On The Wrong Side Of Town“, das Little Steven zusammen mit Bruce Springsteen geschrieben hat, wurde wie das vorangegangene Stück ursprünglich von Southside Johnny und den Asbury Jukes aufgenommen. Beide Songs gehören unter den Kompositionen von Little Steven zwar nicht zu meinen Favoriten, sind aber gut arrangiert und den ursprünglichen Versionen mindestens ebenbürtig.

„The City Weeps Tonight“ erinnert an die Schnulzen der Fünfziger oder Sechziger Jahre. Das bis dato unveröffentlichte Stück ist mit Doo Wop überfrachtet. Der mehrstimmige Backgroundgesang verleiht dem Song eine ziemliche Süße und für den schmachtende Gesang von Little Steven muss man schon in einer sehr speziellen Stimmung sein. In den ersten zwei Minuten steigt „Down And Out In New York City“ mit ungewohnt jazzigen Klängen ein, die auch später immer wieder durchscheinen. Little Steven gibt der Funk-Nummer von James Brown dann aber einen rockigen Einschlag, bei dem der mitreisenden Chorus das Highlight darstellt.

„Standing In The Line Of Fire“ galoppiert mit seinem treibenden Rhythmus, bei dem Schlagzeuger Rich Mercurio ganze Arbeit leistet, direkt in den Sonnenuntergang. Die staubtrockene Gitarre könnte einen Italowestern begleiten. Das als Single ausgekoppelte „Saint Valentine’s Day“, zeichnet sich durch den coolen Gesang von Little Steven aus, der durch den etwas reduzierteren Klangteppich voll zur Geltung kommt. Die Version seines Klassikers „I Don’t Wanna Go Home“ unterscheidet sich mit dem Einsatz der akustischen Gitarre von der Live-Performance beim Rockpalast 1982, ist deshalb aber nicht weniger gelungen. Den Abschluss der CD bietet mit „Ride The Night Away“ nochmal eine straight gespielte Rocknummer, die durch die Bläser viel Drive erhält.

Die anfängliche Befürchtung, dass die CD ein zusammengewürfeltes Konglomerat von Zweitverwertungen seiner Songs darstellt, bestätigt sich nicht. „Soulfire“ ist ein persönliches Album, bei dem sich Little Steven auch vor der Musikrichtungen seiner Jugend verneigt, die er bislang nicht in seinen Soloprojekten verarbeitet hatte. Als einer der Heroen meiner Jugendzeit löst Little Steven bei fast allen Songs das ein, was man von ihm erhoffen kann: kraftvolle, sorgfältig komponierte und arrangierte Rockmusik von einer großartigen Begleitband mit Herz gespielt und mit Leidenschaft gesungen.

Versteht man das Album als Zwischenbilanz und nicht als abschließende Werkschau, bleibt zu hoffen, dass Little Steven trotz seiner vielfältigen Betätigungsfelder den Blick wieder auf seine musikalische Solo-Karriere richtet und weitere Alben in Angriff nimmt, denn sein Feuer brennt noch.

Wicked Cool Records/Universal (2017)
Stil: Rock

01. Soulfire
02. I’m Coming Back
03. Blues Is My Buisness
04. I Saw The Light
05. Some Things Just Don’t Change
06. Love On The Wrong Side Of Town
07. The City Weeps Tonight
08. Down And Out In New York City
09. Standing In The Line Of Fire
10. Saint Valentine’s Day
11. I Don’t Wanna Go Home
12. Ride The Night Away

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