Melissa Etheridge – One Way Out – CD-Review

Review: Michael Segets

Beim ersten flüchtigen Durchlauf von „One Way Out” dachte ich, dass Melissa Etheridge wie in ihren frühen Jahren klingt. Dieser Eindruck täuschte nicht, denn die Ursprünge der Songs gehen tatsächlich bis in die 1980er zurück. Damals hatten die Stücke nicht den Weg auf ein Album gefunden. Diese Entscheidung muss aus irgendwelchen konzeptionellen Gründen gefallen sein, denn bei den Tracks handelt es sich nicht um Ausschuss- oder B-Ware.

Die Stücke gerieten in Vergessenheit, bis Etheridge ein Boxset über ihre Karriere plante. Sie trommelte ihre Weggefährten 2013 zusammen und spielte die Tracks gemeinsam mit Gitarrist John Shanks (Stevie Nicks, Sheryl Crow), Bassisten Kevin McCormick (Jackson Browne, Nils Lofgren) und Schlagzeuger Fritz Lewak (Jackson Browne, Vonda Shepard) ein.

Das Boxset wurde aufgrund eines Labelwechsels jedoch nie realisiert und Etheridge wandte sich neuen Projekten zu. Es gingen weitere sieben Jahre ins Land, bis ihr die Aufnahmen wieder ins Gedächtnis kamen. Angereichert mit zwei Livemitschnitten eines Konzerts von 2002 in Los Angeles liegen die sieben Songs auf „One Way Out“ nun als eigenständige Veröffentlichung vor.

Volle Gitarren, kräftige Mundharmonika und treibender Rhythmus dominieren den Titeltrack, der zugleich als erste Single ausgekoppelt wurde. „One Way Out“ erscheint vielleicht noch einen Tick härter als ich die Songs aus ihren musikalischen Anfangsjahren in Erinnerung habe. Auch sonst legt sich Etheridge mächtig ins Zeug. Mit Mundharmonika-Sprengseln nimmt beispielsweise „For The Last Time” Fahrt auf und steigert sich zu einem Refrain, bei dem sich Etheridge quasi die Seele aus dem Leib singt.

Die Studioaufnahmen wirken wie aus einem Guss, wobei sich die einzelnen Stücke voneinander abheben. In „As Cool As You Try” ist ein Gitarrensolo eingebaut – so cool wie der Titel verspricht. Die Hu-Hus auf „Save Myself” erinnern an die Rolling Stones. Mit „That Would Be Me” rockt Etheridge in für sie klassischer Manier, erneut unter Einsatz der Mundharmonika.

Neben den fünf allesamt erstklassigen Rockern streut Etheridge zwei langsamere Songs ein. Auch mit diesen knüpft die zweifache Grammy- und Oscar-Preisträgerin stilistisch an ihre frühen Erfolge an. Das Ende von „I’m No Angel Myself” untermalen gefühlvolle Gitarrenvibes. Während sie dort ihre Stimmgewalt zeigt, lebt „Wild Wild Wild“ von dem sensiblen Gesang, bei dem Etheridges markante Stimmfarbe voll zur Geltung kommt.

Mit den beiden Live-Mitschnitten hebt sich die Spiellänge der CD auf Album-Niveau, wobei sie die konzeptionelle Anlage des Werks durchbrechen. Ich bin kein Fan von Longplayern, auf denen Studio- und Liveaufnahmen gemischt sind, aber die beiden straight rockenden Songs „You Have No Idea” und „Life Goes On” lassen die Energie erahnen, die Etheridge auf der Bühne entwickelt. Es wäre schade gewesen, wenn die beiden, meines Wissens bislang unveröffentlichten, Titel weiterhin in der Schublade verschwunden geblieben wären. Als Bonus-Tracks stellen sie eine ideale Ergänzung des Streifzugs durch fast vergessene Aufnahmen dar.

Melissa Etheridge gräbt auf „One Way Out“ Schätze aus, die bislang in ihrem Fundus schlummerten. Durch die Bank wecken sie Erinnerungen an ihre ersten Veröffentlichungen. Auf den Songs rockt Etheridge fern jeglicher Nostalgie frisch wie in jungen Jahren.

Anmerkung der Red.: Der Veröffentlichungstermin der physischen Version ist kurzfristig auf den 01.10.2021 verschoben worden!

BMG Rights Management/Warner (2021)

Stil: Rock

Tracks:
01. One Way Out
02. As Cool As You Try
03. I’m No Angel Myself
04. For The Last Time
05. Save Myself
06. That Would Be Me
07. Wild Wild Wild
08. You Have No Idea (Live)
09. Life Goes On (Live)

Melissa Etheridge
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