Neil Carswell – Keep You Guessing – CD-Review

Cars

Neil Carswell dürfte der Southern Rock-Gemeinde noch immer ein Begriff sein. Anfang der Neunziger Jahre erreichte er als Kopf und Frontmann der damals urplötzlich auf der Southern Rock-Bildfläche erscheinenden, teils knochenharten Band Copperhead mit deren hoch gelobtem Debüt bis zum heutigen Tage Kultstatus. Die Truppe präsentierte seiner Zeit einen fulminanten, kochenden Mix aus eigenständig komponierten Blackfoot-, Molly Hatchet– und Lynyrd Skynyrd-Anleihen und galt somit als neuer Senkrechtstarter des Genres. Es blieb aber leider bei diesem einen Werk, lediglich eine Jahre später veröffentlichte Scheibe mit Live-Material wurde noch nachgeschoben.

Im Jahre 2006 meldete sich Neil Carswell dann aus der Versenkung zurück und präsentierte mit „Good Man’s Journey“ ein erstes Solo-Album, das zwar auch dem Southern Rock verbunden war, aber deutlich relaxter und Balladen-orientierter rüberkam, als zur rockorientierten Copperhead-Sturm- und Drang-Phase. Mit seinem brandneuen Werk „Keep You Guessing“ nun geht Carswell genau diesen Weg weiter, doch auf einem wesentlich höheren Level. Das neue Werk ist um Längen stärker als der Vorgänger. Professioneller, besseres Songmaterial, ausgefeiltere Arrangements, viel besserer Sound und bessere Produktion. Ein klasse Teil mit wunderbarer, sehr inspirierter, entspannter, aber voller Spirit, Soul und innerer Kraft steckender Country-infizierter Southern-/Roots(Rock)-Musik!

Wieder ist ihm in Zusammenarbeit mit Exekutiv-Producer William Patton jr., Bob Dylan Band-Musiker Stu Kimball, und dem großartigen Ex-Outlaws-Gitarristen Chris Anderson ein Reigen starker, soulig relaxter Southern-Stücke gelungen, die vor allem neben Carswells intensiver Vokalpräsentation (der Bursche erinnert oftmals wie in prächtig in Form agierender Bob Seger – so klingt die baumstarke Eröffnungsnummer „Bright Lights“ beispielsweise als wäre der „Bär von Detroit“ ein waschechter Southern Rocker) von der exzellenten Instrumentierung der involvierten Klasse-Musiker leben (u.a. mit dabei Ex-The Allman Brothers-Keyboarder Johnny Neel, Steel Guitar-Veteran Russ Pahl).

In der mit fünfzehn Songs (Spielzeit knapp eine Stunde!) recht üppig bestückten CD gehört die erste Hälfte ausnahmslos wunderbar melodisch gebrachten und soulig angehauchten Southern Rock-Ohrwürmern, wobei das klasse Zusammenspiel von Carswells Gesang mit Akustik-, Electric- (toll besonders Andersons Soli), Steel-Gitarren, Piano und Orgel (herrliche Tasten-Arbeit von Neel) seiner Mitspieler zu begeistern weiß. Grandios die Coverversion von Graham Parsons „She“ (Dickey Betts-artige E-Gitarren-Fills, klasse Pianogeklimper), das fast episch anmutende Titelstück „Keep You Guessing“ oder das groovige „Since I Met You“, bei dem Kim Keyes (erinnert fast an Kim Carnes), wie auch bei vielen anderen Songs, tolle, southern soulige, weibliche „Backs“ mit einfließen lässt. Was für eine Röhre!

Im zweiten Part des Albums lässt Carswell dann zur Auflockerung deutlich mehr, teils durchaus traditionelle Countryelemente einfließen, die in ihrer Art sehr variabel eingespielt wurden. Doch auch hier geht das Southern-Feeling nie verloren. Das erfrischende, Dobro-betonte „Time To Think“ hat dank Carswells wandelbarem Gesang gar ein wenig George Jones-Flair, „Nothing Left To Loose“, eine dezent spanisch angehauchte Nummer (typisches Akustikgitarrenspiel), „Carolina Line“, ein voller Tradition und Ursprünge steckender, ungemein fröhlicher, rauer, uriger Two Step-Stomper, sind klare Höhepunkte!

Beim abschließenden „Altar Call“ mimt Carswell mit narrativem Sprechgesang fast einen Kris Kristofferson. Zwischendurch mischen sich noch mal zwei entspannte Southern-Nummern drunter, zum einen das an eine weitere Modifikation von Marshall Tuckers „Can’t You See“ erinnernde „Big Sky“ und das sich ebenfalls im Dunstkreis von The Marshall Tucker Band und den Outlaws (wen wundert es bei Andersons Beteiligung) befindliche „South Wind“ (mit klasse E-Gitarren-Solo und starken Orgel-Momenten). Zu sämtlichen Songs und ihrer Entstehungsgeschichte gibt es im Booklett interessante Anmerkungen von Carswell nachzulesen.

Insgesamt ist Neil Carswell mit „Keep You Guessing“ ein klasse Album gelungen, das den Liebhabern der eher gediegenen Southern Rock-Kost jede Menge Freude bereiten dürfte. Ein wenig Bob Seger, Gregg Allman, Louisiana’s Le Roux, Travis Tritt und George Hatcher (falls den noch jemand kennt) kommen im weitesten Sinne zu den bereits genannten Bezugsgrößen hinzu. Ansonsten, ist das der beste „Solo Neil Carswell“, den wir bisher gehört haben. Schöne, entspannte, inspirierte und Veranda-taugliche, Country-infizierte Southern-Kost zum Genießen!

Aspirion Records (2009)
Stil: Southern Soul Rock

01. Bright Lights
02. Gypsy Lady
03. Every Sad Song
04. She
05. Keep You Guessing
06. Since I Met You
07. Till the Blues Come In
08. Time to Think
09. Nothing Left to Lose
10. Roll On
11. Carolina Line
12. Big Sky
13. South Wind
14. Temporary Relief
15. Altar Call

Neil Carswell
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