Jack McBannon – Tennessee – CD-Review

Review: Michael Segets

Der Wuppertaler Thomas Willer veröffentlichte 2021 unter seinem neuen Künstlernamen Jack McBannon das Album „True Stories“. SoS-Kollege Stephan Skolarski hatte seinerzeit das Werk, mit dem sich McBannon aufmachte, seine Country-Wurzeln zu erkunden, als zukunftsweisend eingeschätzt. Recht hat er behalten. Für den nun vorliegende Nachfolger „Tennessee“ nutzte McBannon die Chance, an geschichtsträchtigem Ort den eingeschlagen Pfad weiter zu verfolgen. „True Stories“ überzeugte nämlich nicht nur den SoS-Redakteur, sondern auch John Carter Cash. Nachdem McBannon dem Sohn von Johnny Cash auf gut Glück eine Aufnahme von „True Stories“ geschickt hatte, erhielt er die Einladung, das Cash Cabin Studio in Hendersonville zu nutzen. Mit elf neuen Songs im Gepäck machte sich McBannon dann auf den Weg nach Tennessee und John Carter Cash übernahm die Produktion des Longplayers.

Zwischen Americana und Country angesiedelt gelingt McBannon mit „Tennessee“ ein Album, das sich nicht hinter denen amerikanischer Songwriter verstecken muss. Mit seiner angerauten Stimme bringt er Atmosphäre in die Stücke, egal ob sie getragen oder rockig ausfallen. Das Duett mit John Carter Cash „The Only Rule“ ist sehr reduziert in der instrumentalen Begleitung, ansonsten hat McBannon eine souverän aufspielende Band im Rücken, die mal mehr und mal weniger dominant auftritt. Vor allem bei „A Sinner’s Sin“ lässt sie es ordentlich krachen. Der Song mit einem Grunge-Einschlag gehört neben „Can You Hear Me“ – einem Roots Rocker vom Feinsten – zu den beiden schnelleren Tracks auf der Scheibe. Sie setzen Akzente zwischen den überwiegend balladesk gehaltenen Beiträgen.

Aber auch bei den langsamen Titeln baut McBannon Variationen ein. Manche Songs sind von Country-typischem Slide untermalt („Tennessee“, „Home“), der bei „Not Alone“ stimmungsvoll mit einem Klavier kombiniert wird. Atmosphärisch dicht – mit einem Hauch von Pathos – fällt der Opener „Back Then“ aus. Leidenschaft legt McBannon bei „Turn Around“ in seine Stimme, das in der zweiten Hälfte des Longplayers das Tempo nochmal etwas anzieht. Darauf folgt die runde Americana-Ballade „In Us I Believe“. „As Simple As That“ fällt in die gleiche Kategorie. Für den Abschluss wurden Streicher eingeflogen. Die Tracks wurden allesamt live im Cash Cabin Studio eingespielt, was sicherlich dazu beiträgt, das deren Sound direkt und erdig klingt.

Wenn man denkt, zwischen dem Bergischen Land und Amerika liegen Welten, dann irrt man sich in musikalischer Hinsicht. Jack McBannon überbrückt die kulturellen Diskrepanzen anscheinend mühelos. „Tennessee“ dient als Beweis, dass auch Musiker aus deutschen Landen in der Lage sind, ernsthafte Genrebeiträge zum Americana und Country zu liefern. McBannon hat den Sprung über den Atlantik gewagt und unter den Fittichen von John Carter Cash ein durchgehend überzeugendes Album geschaffen. Dabei offenbart er ebenso Qualitäten in Sachen Roots Rock, von denen in den nächsten Projekten gerne mehr gezeigt werden können.

My Redemption Records – Cargo (2024)
Stil: Country / Americana

Tracks:
01. Back Then
02. Can You Hear Me
03. Tennessee
04. The Only Rule (feat John Carter Cash)
05. A Sinner’s Sin
06. Home
07. Not Alone
08. Turn Around
09. In Us I Believe
10. Dry County
11. As Simple As That

Jack McBannon
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Cargo
Oktober Promotion

Todd Snider – First Agnostic Church Of Hope And Wonder – CD-Review

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Review: Michael Segets

Von der Kritik wird häufig gelobt, wenn Musiker sich in neue Gefilde vorwagen und so ihre musikalische Bandbreite erweitern. Für den Künstler ist es sicherlich auch wichtig, mit neuen Einflüssen zu experimentieren und die Ausdruckformen zu variieren. Für mich als Rezipienten frage ich mich manchmal, warum etwas, das gut ist, verändert werden soll. Aber vielleicht gehöre ich ja auch zu einer Minderheit, wenn ich denke, dass drei Akkorde für einen guten Song prinzipiell ausreichen, solange er eine Stimmung und Message transportiert.

Todd Snider behält die Qualität seiner Texte bei „First Agnostic Church Of Hope And Wonder“ bei, schlägt aber neue musikalische Wege ein. Snider experimentiert mit einer Spielart des Schlagzeugs, die dem Funk entliehen und auch im Reggea anzutreffen ist. Auf der Suche nach einem Drummer, der diesen als Fatback bezeichneten Stil beherrscht, stieß er auf Robbie Crowell. Das Spiel mit dem Rhythmus prägt dann auch die CD, was bereits beim Einstieg deutlich wird. „Turn Me Loose (I’ll Never Be the Same)“ kommt als bluesiger Jam mit Funk-Einschlag daher.

Bei den beiden folgenden Tracks „The Get Together“ und „Never Let A Day Go By“ frönt Snider dem Sprechgesang, wenn auch in zwei unterschiedlichen Varianten. Auf die Spitze treibt er ihn bei „Agnostic Preacher’s Lament“. Bereits auf seinem Album aus dem Jahr 2019 „Cash Cabin Sessions Vol. 3“ streute Snider eher gesprochene Songs ein, von denen ich kein Fan bin. Der Folkeinschlag dieser CD findet mit „Sail On, My Friend” seine Fortsetzung, wobei der entspannte Titel sehr schön mit einer Mundharmonika einsteigt. Die erste Single täuscht über die Grundausrichtung des neuen Werks allerdings etwas hinweg.

In die gleiche Kerbe wie die Anfangsstücke schlägt „That Great Pacific Garbage Patch“ sowie der Abschluss „The Resignation Vs. The Comeback Special” – beide angereichert durch experimentellere Instrumentalpassagen. Nahezu durchgängig fällt der Backgroundgesang auf, den Snider selbst beisteuert. Snider spielt ebenso die meisten Instrumente. Lediglich Robbie Crowell ist für das Schlagzeug und Percussion engagiert. Tchad Blake leistet zudem noch Feinarbeit, z. B. durch die Tuba bei „Handsome John“. Durch die Tuba erhält der Titel, der hauptsächlich durch das Klavier getragen wird, eine sakrale Atmosphäre, zumal Snider hier auf Schlagzeug oder Percussion verzichtet. Mit der Ballade erinnert Snider an John Prine, den er lange kannte und für den er einige Shows eröffnete. Der Track stellt den Höhepunkt des Albums dar.

Daneben ist noch „Battle Hymn Of The Album“ auf der Habenseite zu verbuchen. Den Song schrieb Snider mit John Carter Cash. Die der Marschmusik entliehenen Trommelwirbel, zusammen mit dem Call And Response zwischen Lead- und Backgroundgesang, heben den Track von den anderen ab. Unruhige Rhythmen, das abrupte Beenden sowie das Runter- und wieder Hochsteuern dominieren neben klangtechnischen Spielereien den Gesamteindruck von seinem neuen Werk.

Todd Snider hat herausragende Songs in seinem Repertoire, auch wenn die meisten Alben von ihm nicht durchgängig begeistern. „First Agnostic Church Of Hope And Wonder” bildet da keine Ausnahme. Dass er sich verstärkt Elementen aus dem Funk zu- und von der Roots Musik abwendet, mag progressiv sein, führt aber dazu, dass insgesamt die Anzahl seiner Treffer sinkt.

Aimless Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Americana and more

Tracks:
01. Turn Me Loose (I’ll Never Be The Same)
02. The Get Together
03. Never Let A Day Go By
04. That Great Pacific Garbage Patch
05. Handsome John
06. Sail On, My Friend
07. Battle Hymn Of The Album
08. Stoner Yodel Number One
09. Agnostic Preacher’s Lament
10. The Resignation Vs. The Comeback Special

Todd Snider
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Thirty Tigers
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