Joe Grushecky And The Houserockers – Can’t Outrun A Memory – Album-Review

Review: Michael Segets

Das goldene Zeitalter des Heartland Rock ist längst vergangen. Sofern die damaligen Protagonisten noch leben, haben sie die Siebzig längst überschritten. Bruce Springsteen zelebriert ihn zumindest live noch, von Bob Seger hört man seit längerer Zeit nichts, John Mellencamp wendet sich mittlerweile musikalisch ruhigeren Gefilden zu. Der zur gleichen Generation gehörende Joe Grushecky stand eher in der zweiten Reihe und verbuchte nie vergleichbare Erfolge wie die genannten Musiker. Dennoch ist der in Pittsburgh, Pennsylvania, geborene Grushecky dem Heartland Rock treu geblieben und legt mit „Can’t Outride A Memory“ ein Album vor, wie man es heute kaum noch hört.

Die CD beziehungsweise Doppel-LP umfasst siebzehn Stücke, wobei vier Songs in zwei Versionen vertreten sind. So gibt es von der Single „Here In ‘68“ sowie von dem dunkleren „Living In Coal Country“ jeweils eine akustische Alternative. Auch der molodiöse Titeltrack wird einmal mit vollem Schlagzeug und einmal reduzierter dargeboten, wobei er ganz unterschiedlich wirkt. Das mit einem bluesrockigen E-Gitarren-Intro und fulminant krachendem Ende versehene „Sleeping Dog“ bekommt in der Horn-Variante nochmal eine Portion mehr Power verpasst. Neben den alternativen Interpretationen wird „Leave Well Enough Alone“ als Bonus-Track ausgewiesen. Mit seinem leichten Funk-Einschlag weicht der Titel behutsam von den übrigen ab, was vielleicht dazu geführt hat, ihn als Outtake abzusondern.

Das Album bietet eine ausgewogene Mischung aus straight forward gespielten Rockern und langsameren Songs. Stampfendes Schlagzeug und Heartland-typische Gitarrenriffs prägen „This Is Who We Are“. Das hymnische „We Gotta Get Out Of This Place“ wird ebenfalls von einen treibenden Rhythmus angetrieben. Ein weiterer Pluspunkt ist dort der Refrain, auch wenn er textlich nicht ganz neu ist. Der Chorus bei „Until I See You Again“ geht ebenfalls ins Ohr. Die etwas entspanntere Nummer gehört derzeit zu meinen Favoriten auf dem Longplayer.

Neben dem guitar driven Rock finden sich ein paar langsamere Beiträge („Just Drive“, „Rocked My Soul“). Sehr gelungen ist der Einstieg zu „Let’s Cross The Bridge“, bei dem die Orgel an Springsteens E Street Band erinnert. Auch sonst sticht der Song unter den balladesken hervor. Bei „Who’s Fooling Who“ wird die Stimme von Grushecky technisch verzerrt. Ansonsten klingt das Album so handgemacht, wie man es im Heartland erwartet.

Grushecky veröffentlichte 1979 mit den Iron City Houserockers sein erstes Album. 1989 machte er als Joe Grushecky And The Houserockers weiter. Die Houserockers sind derzeit Danny Gochnour (Gitarre), Jeff Garrison (Bass), Joffo Simmons (Schlagzeug, Percussion) und Youngster Johnny Grushecky (Gitarre, Schlagzeug, Percussion).

Joe Grushecky And The Houserockers hat sich dem Heartland Rock seit 45 Jahren verschrieben. Mit „Can’t Outrun A Memory“ ruft Grushecky die Erinnerung an dessen glorreichen Zeiten wach und liefert zugleich eines seiner besten Alben ab.

Omnivore Recordings (2024)
Stil: Heartland Rock

Tracks:
01. This Is Who We Are
02. Here In ‘68
03. Can’t Outrun A Memory
04. Just Drive
05. Sleeping Dog
06. Until I See You Again
07. If These Hills Could Talk
08. We Gotta Get Out Of This Place
09. Living In A Coal Country
10. Who’s Fooling Who
11. Rocked My Soul
12. Let’s Cross The Bridge
13. Can’t Outrun A Memory (Coda)
14. Leave Well Enough Alone (Outtake)
15. Sleeping Dog (Horn Version)
16. Living In A Coal Country (Acoustic Version)
17. Here In ’68 (Acoustic Version)

Joe Grushecky And The Houserockers
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Omnivore Recordings

Southside Johnny And The Asbury Jukes – Live In Cleveland ‘77 – CD-Review

Review: Michael Segets

Zum ruhigeren Jahresende finde ich die Muße, nochmal auf 2022 zurückzublicken und auch Alben durchzuhören, die im Tagesgeschäft untergegangen sind. Seit einigen Monaten liegt das 77er Cleveland-Konzert von Southside Johnny And The Asbury Jukes bei mir neben dem Schreibtisch, ohne dass ich es bislang mit der angemessenen Hingabe wahrgenommen hätte. Aufmerksamkeit verdient die Scheibe zum einen natürlich durch die Musik, die mich in meine Jugendzeit versetzt, zum anderen bin ich durch sie darauf aufmerksam geworden, dass Cleveland International Records wieder aktiv ist.

Von Steve Popovich, Sr. gegründet veröffentlichte das Label u. a. Meat Loafs Kultalbum „Bat Out Of Hell“ (1977) und Longplayer von Ian Hunter oder Ronnie Spector. Sieben Jahre nach dem Tod seines Vaters startete Steve Popovich, Jr. 2018 einen neuen Anlauf zur Neubelebung der Firma. Wiederveröffentlichungen älterer Scheiben, so von Joe Grushecky And The Houserockers – vormals Iron City Houserockers –, und Liveaufnahmen, beispielsweise von den Georgia Satellites, lohnen einen Blick in den Katalog. In diesem findet man auch das Southside Johnny Konzert. An dessen Soundqualität ist, vor allem auch angesichts des Alters der Aufnahme, nichts auszusetzen.

Davon, dass Southside Johnny ein hervorragender Sänger und mitreißender Live-Performer ist, konnte ich mich seinerzeit vor Ort in Köln im Rahmen der Rockpalast-Reihe überzeugen. Als Songwriter ist er weniger aktiv und so ist er auf der Setlist auch lediglich bei „We’re Having A Party“ als Co-Autor neben Sam Cooke verzeichnet. Die Energie, die Southside Johnny auf der Bühne freisetzt, lässt sich auf der CD erahnen. Besonderen Drive erhalten die Songs durch die Miami Horns rund um Ed Marion, La Bamba und Stan Harrison.

Außergewöhnlich ist der Gastauftritt von Ronnie Spector mit dem Klassiker von Billy Joel „Say Goodbye To Hollywood“. Ansonsten sind auf dem Longplayer die für diese Phase von Southside Johnny typischen Stücke vertreten, die sich auch auf anderen Live-Alben auffinden lassen. Immer wieder gerne gehört werden „Got To Get You Off Of My Mind“, „The Fever“ oder „Broke Down Piece Of Man”. Natürlich dürfen auch die von Stevie van Zandt, alias Little Steven, verfassten Songs „This Time It’s For Real”, „She Got Me Where She Wants Me“ und „I Don’t Want To Go Home” aus dem Standardrepertoire der Jukes nicht fehlen.

Van Zandt stand an dem Abend als Gitarrist auf der Bühne und ist an einigen Stellen bei den Background Vocals sowie als Duett-Partner deutlich herauszuhören. Er schrieb auch die Liner Notes zu der vorliegenden Veröffentlichung, in denen er die Bedeutung von Steve Popovich, Sr. für die damalige Musikszene in New Jersey würdigt. Zu dieser gehörte auch Bruce Springsteen, von dem Southside Johnny „When You Dance“ spielt.

Der soulige, horn driven Rock von Southside Johnny And The Asbury Jukes funktioniert auch heute noch, obwohl er bereits 45 Jahre auf dem Buckel hat. „Live In Cleveland ‘77“ ist daher mehr als ein historisches Dokument einer spannenden Phase der New Jersey-Musikszene. Southside Johnny bringt die Energie von live gespieltem Rock durch die heimischen Lautsprecher, dabei lässt sich der Besuch von Konzerten natürlich nicht ersetzen.

Cleveland International Records (2022)
Stil: Rock

Tracks:
01. This Time Is For Real
02. Got To Get You Off Of My Mind
03. Without Love
04. She Got Me Where She Wants Me
05. Little By Little
06. It Ain’t The Meat, It’s The Motion
07. When You Dance
08. Say Goodbye To Hollywood (feat. Ronnie Spector)
09. The Fever
10. I Don’t Want To Go Home
11. Broke Down Piece Of Man
12. We’re Having A Party
13. You Don’t Know Like I Know

Southside Johnny
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Cleveland International Records