Joe Bonamassa – Blues Of Desperation – CD-Review

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Neues Studioalbum des Blues Rock-Tausendsassas! Wenn es im Genre sowas wie Fleißkärtchen zu verteilen gäbe, stünde der 38-jährige, aus New Hartford stammende Musiker, sicher auch ganz vorne in der Reihe. Der Zögling eines Gitarrengeschäftbesitzers veröffentlicht ja, seit er zur Jahrtausendwende mit seiner Debüt-CD „A New Day Yesterday“ erstmals in Erscheinung trat, in verschiedensten Konstellationen (solo, Black Country Communion, mit Beth Hart) Tonträger fast wie am Fließband ab.

Mittlerweile schien dem bekennenden Rory Gallagher-Fan wohl die Zeit reif, wieder ein Solo-Album zu veröffentlichen. „Blues Of Desperation“ heißt das neue Werk und wurde, wie schon der Vorgänger „Different Shades Of Blue“ in Nashville samt Involvierung dortiger Musiker (u. a. Greg Morrow, Reese Wynans, Michael Rhodes) und Songwriter (Tom Hambridge, Jerry Flowers, Gary Nicholson, Jeffrey Steele) eingespielt. Für den Sound waren ebenfalls erneut Kevin Shirley und Roy Weisman verantwortlich.

Von Verzweiflung ist, bis auf den Titel, hier eigentlich nichts zu spüren. Bonamassa präsentiert sich, mit kleinen Abstrichen, in prächtiger Form und kann auf das Gesamtergebnis durchaus stolz sein. Sicherlich eine seiner stärksten Veröffentlichungen überhaupt! Schon der Opener „This Train“ brettert unter Führung von Morrows Polterdrums und Joes filigraner E-Gitarrenkunst wie ein wuchtiger Hochgeschwindigkeitszug durch den Raum. Reese Wynans grandioses Pianogeklimper und die herrlichen Backgroundvocals, von den auch im weiteren Verlauf immer wieder bestechend eingesetzten Sängerinnen Mahalia Barnes, Jade McRae und Juanita Tippins, bilden hier das Sahnehäubchen.

Der Song offeriert allerdings auch eine der kleinen Schwächen des Silberlings und zwar die Stimme des Protagonisten. Immer wenn er gegen kräftigere Soundgefüge ansingen muss, wirkt sein vokales Organ doch ein wenig dünnwandig und hölzern. Bei ruhigeren Tracks wie zum Beispiel dem wunderbar atmosphärischen, bestens als Untermalung für ein Roadmovie geeigneten „Drive“ (mit Peter Green-Flair Richtung „Albatross“/“Slabo Day“), dem grandiosen Slow Blues „No Good Place For The Lonely“ (könnte fast als eine Hommage an Gary Moores „Still Got The Blues“ durchgehen) oder dem dezent Country-angehauchten „The Valley Runs Low“ (klasse Akustikgitarre, soulige Harmoniegesänge) passt sie eigentlich dagegen sogar ganz gut.

Ein weiteres kleines Manko ist sein phasenweise zu dick aufgetragenes Gitarrenkönnen. Hallo Herr Bonamassa, wir wissen, dass Sie ein Saitenvirtuose sind! In manchen Stücken, sind mir persönlich die Soli zu übertrieben, zu lang, bzw. zu improvisationsfreudig geraten. Das mag vielen Leuten zwar besonders gefallen, im Studio finde ich es besser, wenn man Sachen einigermaßen kompakt auf den Punkt bringt. Gerade in Nashville, kennt man sich da doch bestens aus, wie man große Klasse auch ohne größeres Maß an Selbstdarstellung beweisen kann (die Herren Bukovac, Greenberg oder Mason mal als Referenzen angeführt). Aber im Blues Rock-Genre scheint es wohl ein unabdingbares Muss zu sein…

Bestes Beispiel der Titelsong: Aus ihm hätte man (wenn man die orientalischen Zwischenklänge weggelassen hätte) einen schönen straighten (Southern) Rocker machen können, der mit psychedelischem Flair überzogene Track wirkt aber mit mehreren ausgedehnten Frickel-Solo-Passagen jetzt insgesamt völlig überladen. „You Left Nothin‘ But The Bill And The Blues“ im Stile des guten alten Albert Collins dürfte den traditionelleren Blues-Anhängern Freude bereiten, während „How Deep This River Runs“ eher den Vertretern der jungen wilden Generation (Richtung Davy Knowles‘ Back Door Slam) zusagen dürfte.

Am Ende rücken bei „Livin‘ Easy“ und „What I’ve Known For A Long Time“ plötzlich bis dato nicht vorhandene Bläsereinlagen verstärkt in den Fokus des Geschehens. In Erstbenanntem versuchen E-Gitarre und Piano sich gegen ein ziemlich dominantes Saxophon zu stemmen, Letztgenanntes erscheint wie ein modernes (bläserbetontes) Update des guten alten „Stormy Monday Blues“. Hier kann Bonamassas Stimme (sh. Einwände oben) die Röhre eines Gregg Allman, die wunderbar auch zu diesem Track gepasst hätte, leider nicht kompensieren. Trotzdem ein stimmungsvoller Abschluss.

Meine (z. T. negativ klingenden) Anmerkungen sollen aber keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass „Blues Of Desperation“ wirklich von beeindruckendem Können geprägt ist und durchaus vielseitige und abwechslungsreiche Unterhaltung auf sehr hohem Niveau bietet. Also, keine Verzweiflung oder Panik, liebe Blues Rock-Gemeinde. Ihr dürft euren Joe (berechtigterweise) auch weiterhin in den Himmel heben!

Zur weiteren Einstimmung hier der Trailer zum Album, das am 25.03.2016 veröffentlicht wird.

Mascot Label Group (2016)
Stil: Blues Rock

01. This Train
02. Mountain Climbing
03. Drive
04. No Good Place For The Lonely
05. Blues Of Desperation
06. The Valley Runs Low
07. You Left Nothin‘ But The Bill And The Blues
08. Distant Lonesome Train
09. How Deep This River Runs
10. Livin‘ Easy
11. What I’ve Known For A Very Long Time

Joe Bonamassa
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