Review: Michael Segets
Nachdem Brian Fallon auf Solopfaden wandelte, blieb lange Zeit unklar, ob und wie es mit The Gaslight Anthem weitergeht. „History Books“ beantwortet nun diese Fragen. Fallon trommelte Alex Roamilia (Gitarre), Benny Horowitz (Schlagzeug) und Alex Levine (Bass) wieder zusammen, um da weiterzumachen, wo The Gaslight Anthem mit „Get Hurt“ (2014) vorerst aufhörten. Trotz der langen Pause zeigt sich eine Kontinuität des Sounds, die durchaus beabsichtigt ist. Das Quintett wollte sich nicht neu erfinden und das ist gut so.
The Gaslight Anthem steht für einen eigen Klang, der irgendwo zwischen Heartland und Punk Rock angesiedelt ist. Das Zusammenspiel zwischen härteren Riffs und leiseren Tönen sind dabei ein Markenzeichen der Band. Vor allem Fallons Gesang verbindet oftmals in seiner eigenen Art Aggressivität mit Sensibilität, wodurch er Gänsehautmomente erzeugt. Diese stellen sich auf dem neuen Album insgesamt seltener ein. Die Intensität von Fallons Gesang reicht nach dem Eindruck der ersten Durchläufe nicht ganz an die früherer Songs heran.
Diese Kritik soll aber über das Niveau der aktuellen Scheibe nicht hinwegtäuschen. Sie mag auch verzerrt sein, da sich vor allem „Keepsake“ und „Too Much Blood“ als Vergleichspunkte bei mir eingebrannt haben. Die beiden Songs tönen seit elf Jahren mehr oder minder regelmäßig durch meine Lautsprecher. Sie stammen von „Handwritten“, auf dem sich die beiden starken Stücke „Spider Bites“ und „I Live In The Room Above“ gut integriert hätten. Die Titel zeigen, dass The Gaslight Anthem den Wechsel von brachialen Gitarren und gefühlvollen Passagen immer noch perfekt beherrschen. Obwohl die Songs um die vier Minuten kreisen, gelingt das Spiel mit der Dynamik erneut hervorragend.
Die bisherigen Singles spiegeln die aggressive Seite des Albums wieder. So gehen „Positive Charge“ und „Little Fires“, bei dem Stefan Babcock (PUP) mit von der Partie ist, ohne Kompromisse straight forward. Auch der bereits herausgegebene Titelsong „History Books“ rockt mit straffen Rhythmus. Bruce Springsteen tritt hier als Duett-Partner von Fallon auf. Die beiden fühlen sich schon längere Zeit verbunden – nicht nur aufgrund der gemeinsamen Herkunft aus New Jersey. Die Anregung für die Zusammenarbeit stammt vom Boss und Fallon ergriff die Chance, dass einer seiner musikalischen Heroen einem selbstgeschriebenen seine Stimme leiht.
Die Auswahl der Singles ist nicht repräsentativ für den Longplayer. Bei fast der Hälfte der Songs schlägt die Band gemäßigte Töne an. „Michigan, 1975“ sowie das von Keys dominierte „Empires“ sind sanfte, aber intensive Balladen. Auch mit „Autumn“, bei dem ein leicht keltischen Einschlag durchscheint, gelingt der Band eine runde Sache. „The Weatherman“ sticht unter den melodiösen Beiträgen hervor und stellt meinen Favoriten auf der Scheibe dar. Der Track lässt ebenso wie das abschließende „A Lifetime Of Preludes“ Verbindungslinien zu „Local Honey“ (2020), dem – lässt man seine Weihnachtsplatte unberücksichtigt – letzten Soloalbum von Fallon, aufblitzen.
Protest und Widerstand bleiben weiterhin Bestandteile der greifbaren Poesie in den Texten. Der Titel „History Books” umschreibt die thematische Ausrichtung des Albums. Die Auseinandersetzung mit vergangene Kapiteln des Lebens an dem Punkt abzuschließen, an dem es zur Belastung wird, an ihr festzuhalten, mag sich als essentielle Empfehlung herauskristallisieren. Dass Fallon und Co. das Kapitel der gemeinsamen Geschichte noch nicht beendet haben, sondern die Vergangenheit aufleben lassen, stellt für die Hörer einen Glücksfall dar.
Das Comeback von The Gaslight Anthem knüpft nahtlos an die früheren Alben an. Rockige Nummern mit einer gewissen Punk-Attitüde wechseln sich mit ruhigen Stücken ab. Selbst bei den leiseren Beiträgen versprühen Brian Fallon und seine Mitstreiter immer noch die Energie, für die die Band bekannt ist.
Rich Mahogany Recordings – Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Rock
Tracks:
01. Spider Bites
02. History Books (feat. Bruce Springsteen)
03. Autumn
04. Positive Charge
05. Michigan, 1975
06. Little Fires (feat. Stefan Babcock)
07. The Weatherman
08. Empires
09. I Live In The Room Above
10. A Lifetime Of Preludes
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