Brantley Gilbert – Halfway To Heaven – CD-Review

Sehr starkes New Country-Album (sein mittlerweile zweites) des aus Athens, Georgia stammenden Brantley Gilbert, und zwar ein sehr aus dem Rahmen fallendes (oftmals klingt der Bursche wie eine mächtig Dampf ablassende Countryrock-Ausgabe der Southern Rocker von Molly Hatchet, dann wieder bewegt er sich auf dem Terrain eines Keith Urban), was sicher hauptsächlich der Tatsache zu verdanken sein dürfte, dass Gilbert bei einem Indie Label unter Vertrag steht (Average Joes Entertainment Group).

Er kann halt relativ zwanglos zu Werke gehen konnte und so etwas zahlt sich, wie auch hier, künstlerich zumeist aus. Schon der Blick auf das Cover lässt eher vermuten, dass man es mit einer Heavy Metal- oder Biker Rock-Scheibe zu tun haben könnte, als mit einem Werk, das in Nashville Fuß fassen möchte. Lediglich die diversen Co-Songwriter (Gilbert hat alle Stücke mitkomponiert) wie Jeremy Spillman, Dallas Davidson, Ben Haslip oder Rhett Akins, die bereits Lieder für klingende Namen wie Trace Adkins, Jack Ingram, Brooks & Dunn oder Joe Nichols abgeliefert haben, lassen Insider erahnen, wo der Hase lang läuft. Brantley Gilbert hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt und sich mit jedem neuen Auftritt und jedem neu geschriebenen Song ein Stück mehr verbessert.

Auf kompositorischem Gebiet gelang ihm der Durchbruch, als Jason Aldean Gilberts „The Best Of Me“ für sein letztes Album „Wide Open“ auswählte. Das Album, das in produktionstechnischer Zusammenarbeit mit den ebenfalls in Athens ansässigen Atom Brothers und mit vielen aus Georgia kommenden (nicht so bekannten) Musikern entstand (die aber alle frisch, unbekümmert und vor allen Dingen überaus kompetent zu Werke gehen – besonders klasse das deftige Drumming von Gerry Hensen und die filigrane Saiten- und Keyboardarbeit von Country Blues-Rocker Jess Franklin), durchweht demnach eine starke, wohltuende Southern Rock-Brise, die dem Ganzen sehr viel Pepp und Abwechslung verpasst.

Schon der satte Opener „Hell On Wheels“ gibt mit seinen fetten, dominierenden Slide-Riffs mächtig Gummi. Montgomery Gentry, Jeffrey Steele, The Road Hammers,  Trace Adkins oder Van Zant kommen einem da sofort in den Sinn, aber eben auch eine Country-Ausgabe von Molly Hatchet. Ist ein Song, der nicht nur in Truckerkreisen, bei den Countryrockern, den Outlaw-Rockern und der Southern-Fraktion einen Stein im Brett haben dürfte. Die folgenden drei Tracks („Bending The Rules And Breaking The Law“, „Back In The Day“, „My Kind Of Crazy“) zeigen dann die andere Seite des Brantley Gilbert, der sich mit sehr angenehm ins Ohr gehenden, frischen Melodien sich im Stile moderner Interpreten wie Jason Aldean, Keith Urban oder Chris Cagle in seinen ruhigeren Momenten, für Radiopräsenz nahezu aufdrängt.

Die erste Single „Kick It In The Sticks“ ist in seiner Wahl allerdings, wie so vieles auf diesem Album, recht ungewöhnlich und (in Gilberts und im Interesse des Labels) als sehr gewagt zu bezeichnen. Doch es ist eine klasse Nummer. Der mit einem unterschwelligen Redneck-Flair daher stampfende, derartig heftig mit fetten Gitarrenläufen rockende Song dürfte eher der Southern Hard Rock-Fraktion Freudentränen in die Augen treiben, als den kommerziell-orientierten Entscheidern der Radio Airplays. Eine mutige Wahl, wie sie wohl auch nur bei einem Indie-Label möglich ist. Man drückt ganz feste die Daumen, denn der Song ist, wie gesagt, einfach toll. Das Album hat mit seinem Einstieg auf Platz 19 in der Billboard Country Charts immerhin schon mal einen Achtungserfolg erreicht.

So wird vieles vermutlich von der Nachfolge-Single abhängen, aber hier kann Gilbert neben den zu Anfang erwähnten Songs bei „Halfway To Heaven“ (autobiographischer Titelsong, der einen Autocrash Gilberts textlich verarbeitet und ihn zum Umdenken seines Lebenswandels bewog, Bilder seines zerquetschten Pickups im Booklet lassen einen dabei den Atem anhalten), „Saving Amy“ (thematisiert ebenfalls einen Unfall, bei dem der Fahrer allerdings nicht, wie in Gilberts Fall, überlebt – schön mit emotionalen Streicherelementen in Szene gesetzt), „Them Boys“ (schönes Dobro-Spiel, klasse Strat-E-Gitarren-Solo, erinnert ein wenig an Kenny Chesneys „Young“) oder dem pianoträchtigen, balladesken Lovesong „Fall Into Me“ (mit einem Hauch von Lynyrd Skynyrds „Tuesday’s Gone“) aus einem reichhaltigen Fundus schöpfen. Während diese Songs dem Hörer Luft zum Atmen gewähren, wird dann immer wieder ordentlich dazwischen gerummst.

„Country Must Be Country Wide“ oder „Take It Outside“ sind nichts für zart besaitete Gemüter, sondern eher etwas für derbe, raue, rebellische Vertreter. Beides sind klasse, aggressiv gesungene „Auf die Zwölf-Country-/Outlaw-Rocker, wie man sie von Chris Cagle, Travis Tritt, Shooter Jennings oder Jeffrey Steele mit viel Wucht um die Ohren gebrettert bekommt. Am Ende gibt es mit „Dirt Anthem Road (Revisited)“ noch ein „Gimmick“, den Colt Ford (auch bei einigen anderen Tracks als Co-Writer involviert) bereits auf seinem eigenen Album „Ride Through The Country“ vorgestellt hatte.

Hier präsentieren die beiden eine entspannt groovende Version (Brantleys Gesang mit seinem dezent introvertierten Touch erinnert oftmals ein wenig an Eric Heatherly), die von erstaunlich gut passenden Rap-Einlagen Ford’s immer wieder unterbrochen wird. New Country meets Rap, ebenfalls nicht alltäglich, aber ein äußerst gelungenes Finish. Brantley Gilbert hat mit „Halfway To Heaven“ ein äußerst spannendes Album („he’s somewhere between the Rock-N-Roll vibe of the southern country rock scene, the roots-rock oriented flavors of Texas country and the mainstream of Nashville”, so eine weitere, den Stil durchaus korrekt beschreibende Kritikermeinung) abgeliefert, das sich aufgrund des mutigen Konzepts viel Respekt verdient hat.

Ein frisches, modernes, instrumentell hochwertig eingespieltes Werk (kommt auch ohne die arrivierten, omnipräsenten Studiomusiker hervorragend aus), das den relativ festgefahrenen Strukturen Nashvilles gut tun sollte. Tolle, abwechslungsreiche und kurzweilige New Country-Musik, die richtig Laune macht! Viel Erfolg, Brantley Gilbert!

Average Joes Entertainment (2010)
Stil:  New Country

01. Hell On Wheels
02. Bending The Rules And Breaking The Law
03. Back In The Day
04. My Kind Of Crazy
05. Kick It In The Sticks
06. Halfway To Heaven
07. Saving Amy
08. Country Must Be Country Wide
09. Take It Outside
10. Them Boys
11. Fall Into Me
12. Dirt Road Anthem (Revisted)

Brantley Gilbert
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Bärchen Records

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