Heartland – I Loved Her First – CD-Review

Das der Erfolg junge Bands geradezu wie der Blitz trifft, ist im New Country-Genre normalerweise nicht alltäglich. Oftmals gibt es zunächst eine Single, das Label wartet ab, wie sie ankommt, und entscheidet dann über das Erscheinen eines Albums oder spricht sich eben dagegen aus. Wie oft haben wir erlebt, dass selbst renommierte Interpreten die dicksten Scherereien hatten, bis sie ihr Album dann endlich auf den Markt bringen konnten, nicht selten in Verbindung mit gerichtlichen Auseinandersetzungen und anschließendem Wechsel. Umgekehrt verhält es sich im Falle des Newcomer-Sextetts Heartland, deren Single „I Loved Her First“ in den Billboard-Charts einschlug wie eine Bombe.

Da hat das Label Lofton Creek Records (mit dem alten Fuchs Mike Borchetta an der Spitze) den Erscheinungstermin des Albums kurzerhand einfach nach vorne geschoben. Kein Wunder, denn auch das Gesamtwerk kann sich wahrlich sehen lassen. Produziert wurde die Scheibe von Routinier Walt Aldrigde, dessen Gespür für den Zahn der Zeit bekannt ist, und dessen Discographie in Sachen Songwriting, eigener Musik und Produktionstätigkeit schier endlos erscheint.

Aldridge hat seinen Einfluss nicht nur beim Songwriting deutlich geltend gemacht (er hat etliche Songs geschrieben), man fühlt sich grundsätzlich des öfteren an dessen frühere Combo „The Shooters“ erinnert, wie auch ein Hauch vieler anderer Künstler, die er bereits produzierte, durch diesen Silberling weht. Heartland sind ein Sextett aus dem U.S.-Bundesstaat Alabama. Sie spielen allesamt ihre Instrumente selbst, werden aber zum Teil durch recht prominente Musiker unterstützt (u. a. Neu-Skynyrd Mark Matejka, J. T. Corenflos, Larry Franklin, Glenn Duncan.)

Als ihre Einflußgeber benennen sie eine recht breit gefächerte Palette von Interpreten wie Johnny Cash, Van Halen, Elvis Presley, The Beach Boys, AC/DC, Otis Redding, Sam Cooke und natürlich Alabama, die auch ein wenig als Sprungbrett für die Jungs dienten, als sie in Fort Payne ein Konzert als deren Support vor 20.000 Zuschauern geben durften. Den Auftakt des Albums bildet der recht knackige, aber traditionell gehaltener New Country-Song „Boys Like Us“. Ein flockiger Drums-, Akustik- u. E-Gitarren-Rhythmus wird unterbrochen von sägenden Fiddels; dezenten Orgel-Passagen und feinen Harmoniegesängen.

Ein schönes Stratocaster-Solo mit Fiddle-Antwort komplettieren das Stück, das auch Montgomery Gentry oder Alabama in ihrem Programm haben könnten. „Play Hurt“ besitzt ein recht poppiges Flair und liegt dank der eingefügten Harmoniegesänge irgendwo zwischen den Rascal Flatts und Restless Heart. Die erste Ballade ist „You“, der mit „Built To Last“ und der bereits erwähnten Hit-Single „I Loved Her First“ noch zwei weitere folgen, die alle recht romantisch wirken und schön instrumentiert sind. Lonestar, Rascal Flatts, Billy Dean, Diamond Rio sind da im weitesten Sinne als Bezugsgrößen zu nennen. Die ganz starke Phase des Albums beginnt jedoch mit dem Remake des alten Ronnie Milsap-Hits „No Getting Over Me“ (natürlich aus Aldridge’s Feder), das wunderbar relaxt mit Stratocasterbegleitung im Stile von Vince Gill vor sich hin swingt.

Danach folgt plötzlich ein Schrei aus der Box und AC/DC-mäßige Riffs dröhnen einem entgegen. Das „Macho-PS“-getränkte Stück rockt dreckig vor sich hin und erinnert nicht nur wegen seines Titel „Let’s Get Dirty“ an einen der Klassiker der einstigen Hard Rocker von Little Caesar (natürlich auf „country“). „Too Country“ ist ein toller Country-Rocker mit klasse Slidegitarren, schwülen Orgel- und Mundorgeleinlagen der Marke Montgomery Gentry/Anthony Smith. Die Southern-Fans werden dann mit einem großartigen Stück verzückt, dessen Titel eigentlich schon alles sagt. „Freebird In A Firebird““ „Sweet Home Alabama“-mäßiges E-Intro, danach glänzende E-Gitarrenarbeit der Marke Lynyrd Skynyrd von einst.

Das Stück wäre von seiner musikalischen Konsistenz her wohl damals selbst von Ronnie Van Zant für’s Bandrepertoire genehmigt worden. „Mississippi Mud“ (locker-poppig, aber mit Country-typischen Zutaten wie Steelguitar und Fiddle (Richtung Rascal Flatts, Lonestar) und „Judge A Man By A Woman“ (mit bluesig relaxtem Barroom-Flair, nette kurze Double Leads-Passage) lassen ein sehr abwechslungsreiches Werk ausklingen. Wir wagen die Prognose, dass die Alabama-Truppe Heartland Nashville in den nächsten Monaten ordentlich aufmischen werden. Die Vorverlegung von „I Loved her First“ erscheint absolut nachvollziehbar. Hitverdächtig in allen Kategorien!

Lofton Creek Records (2006)
Stil: New Country

01. Boys Like Us
02. Play Hurt
03. You
04. Built To Last
05. No Getting Over Me
06. Let’s Get Dirty
07. Too Country
08. Freebird In A Firebird
09. I Loved Her First
10Mississippi Mud
11. Judge A Man By The Woman

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