Da muss man doch glatt wieder 400 km runterreißen, um mal ein New-Country-Konzert hier in Deutschland erleben zu können. Chely Wright spielte ihr einziges Konzert in Hamburg, was blieb einem da übrig? Meine Frau und ich hatten uns gemeinsam diesen Event im Zuge unserer kurz aufeinender folgenden Geburtstage geschenkt. So reisten wir schon Freitag früh morgens an und machten uns zunächst einen schönen Tag in der norddeutschen Metropole.
Danach zurück zum Hotel, duschen und mit der U-Bahn ab zum Knust. Eine wirklich feine Location: Ein mit Hohlzbohlen belegter, mittelgroßer, einladend wirkender Vorplatz, dann links seitlich gelegen die gemütliche Kneipe, vor der ein Grill aufgebaut war und auf dem für die wartende New-Countryklientel (einige Leute mit typischen Outfit) die Würstchen bruzzelten. Innen drin, eine Bullenhitze, der Bierdurst meldete sich unvermittelt.
Der Konzertsaal ähnelte von seiner Art und Größe dem Schwarzen Adler in meiner Heimatstadt, nur dass man hier noch die Möglichkeit hatte in eine höher gelegene Etage emporzusteigen, so dass man sich ein wunderschönes, logen-ähnliches Plätzchen mit optimalem Ausblick sichern konnte. Einziger Nachteil: Der unumgängliche Weg zur Theke wurde etwas erschwert, dafür lagen aber die Toiletten auf dem Weg…
Gegen 20.30 Uhr legte sie mit „C’est La Vie (You Never Can Tell)“ dem alten Chuck Berry-Klassiker von ihrem noch aktuellen Album „The Metropolitan Hotel„, das ich bei Erscheinen für meinen anderen Partner Bärchen Records reviewt habe, los wie die Feuerwehr. Das Publikum ging sofort begeistert mit. Tränen des Schweißes und der Freude, wie man sie sonst nur im Fußball bei einem Spiel von Rot-Weiss Essen erlebt, liefen direkt über die Wangen. Ein gelungener Start! Chely Wright entpuppte sich im weiteren Verlauf als kleine Quasselstrippe und suchte fast vor jedem weiteren Stück den Dialog zu den Leuten.
„She Went Out For Cigarettes“ und „It Was“ waren die Highlights der guten, und abwechslungsreichen ersten Stunde, gespickt mit ein paar Weltpremieren, in der vor allem auch ihre hervorragende und sympathisch wirkende Begleittruppe instrumentaltechnisch zu gefallen wusste. Danach folgte ein Akustikset, bei dem sie auch ihre Spielkunst an der Gitarre unter Beweis stellte. „The River“ mein persönliches Lieblingsstück der noch aktuellen, bereits o.a. CD, leitete dann eine recht interessante Schlussphase an.
Gespannt war ich, ob und wie sie ihren pro-amerikanischen Irak-Kriegssong „The Bumper Of My S.U.V.“ verkaufen würde (es geht um einem Autoaufkleber, den ihr Bruder ihr aus dem Golf-Krieg zugeschickt hat und der jetzt an ihrem Wagen klebt). Sie tat es, auch wenn sie sichtlich nervös in ihrer Ansage wirkte, wohl wissend, dass sie sich in Good Ole Germany unter Umständen auf sensiblen Parkett bewegen könnte. Höflich, wie Cowboys nun mal sind, lies man sie ihr Liedchen ohne kritische Zwischenrufe vortragen und gut war es.
Ihr Smash-Hit „Single White Female“, ein wunderbarer, rhythmischer Country-Rock-Song bildete den Abschluss, des Hauptprogramms, wo selbst meine Frau, die ja eigentlich für das Fotografieren zuständig ist, mir vor Begeisterung beim Mitklatschen den Schreiber für meine Notizen aus der Hand schlug, und der prompt über das Geländer in die unteren Stehränge flog. Oder war es doch eine Folge des sich verändernden Reaktionsvermögens meinerseits, nachdem ich den enormen Flüssigkeitsverlust mit einer recht üppigen Menge dieser lecker schmeckenden 0,33l-Jever-Fläschchen auszugleichen versucht hatte…?!
Die stürmisch eingeforderten Zugaben wurden mit drei weiteren Songs belohnt und Chely betonte, in jedem Fall im nächsten Jahr hier wieder auftreten zu wollen, wenn man sie lassen würde. Klar doch Mrs. Wright , wer sollte was dagegen haben? Am Schluss wurde noch mal einer der glänzend aussehenden, deutschen Cowboys auf die Bühne geholt, Chely gratulierte zum Geburtstag. Nach zwei Stunden war ein schweißtreibender, stimmungsgeladener Gig in super angenehmer Atmosphäre zu Ende gegangen.
Doch nicht genug. Im Anschluss gab die Hauptakteurin bereitwillig noch eine gute Stunde Autogramme, plauderte mit jedem ein paar Sekunden und bedankte sich höflich per Handschlag für das Kommen. Ich wies sie kurz auf unser Magazin hin, und bat sie, in ihren Kreisen mal die Werbetrommel in Sachen New-Country und Deutschland zu rühren. Vielleicht muss ich ja mal irgendwann nicht mehr soweit reisen…
Alles in Allem eine wirklich positive Publicity in Sachen New-Country. Danke Chely Wright !