Chely Wright – 21.07.2006, Knust, Hamburg – Konzertbericht

Da muss man doch glatt wieder 400 km runterreißen, um mal ein New-Country-Konzert hier in Deutschland erleben zu können. Chely Wright spielte ihr einziges Konzert in Hamburg, was blieb einem da übrig? Meine Frau und ich hatten uns gemeinsam diesen Event im Zuge unserer kurz aufeinender folgenden Geburtstage geschenkt. So reisten wir schon Freitag früh morgens an und machten uns zunächst einen schönen Tag in der norddeutschen Metropole.

Danach zurück zum Hotel, duschen und mit der U-Bahn ab zum Knust. Eine wirklich feine Location: Ein mit Hohlzbohlen belegter, mittelgroßer, einladend wirkender Vorplatz, dann links seitlich gelegen die gemütliche Kneipe, vor der ein Grill aufgebaut war und auf dem für die wartende New-Countryklientel (einige Leute mit typischen Outfit) die Würstchen bruzzelten. Innen drin, eine Bullenhitze, der Bierdurst meldete sich unvermittelt.
Der Konzertsaal ähnelte von seiner Art und Größe dem Schwarzen Adler in meiner Heimatstadt, nur dass man hier noch die Möglichkeit hatte in eine höher gelegene Etage emporzusteigen, so dass man sich ein wunderschönes, logen-ähnliches Plätzchen mit optimalem Ausblick sichern konnte. Einziger Nachteil: Der unumgängliche Weg zur Theke wurde etwas erschwert, dafür lagen aber die Toiletten auf dem Weg…

Gegen 20.30 Uhr legte sie mit „C’est La Vie (You Never Can Tell)“ dem alten Chuck Berry-Klassiker von ihrem noch aktuellen Album „The Metropolitan Hotel„, das ich bei Erscheinen für meinen anderen Partner Bärchen Records reviewt habe, los wie die Feuerwehr. Das Publikum ging sofort begeistert mit. Tränen des Schweißes und der Freude, wie man sie sonst nur im Fußball bei einem Spiel von Rot-Weiss Essen erlebt, liefen direkt über die Wangen. Ein gelungener Start! Chely Wright entpuppte sich im weiteren Verlauf als kleine Quasselstrippe und suchte fast vor jedem weiteren Stück den Dialog zu den Leuten.

„She Went Out For Cigarettes“ und „It Was“ waren die Highlights der guten, und abwechslungsreichen ersten Stunde, gespickt mit ein paar Weltpremieren, in der vor allem auch ihre hervorragende und sympathisch wirkende Begleittruppe instrumentaltechnisch zu gefallen wusste. Danach folgte ein Akustikset, bei dem sie auch ihre Spielkunst an der Gitarre unter Beweis stellte. „The River“ mein persönliches Lieblingsstück der noch aktuellen, bereits o.a. CD, leitete dann eine recht interessante Schlussphase an.

Gespannt war ich, ob und wie sie ihren pro-amerikanischen Irak-Kriegssong „The Bumper Of My S.U.V.“ verkaufen würde (es geht um einem Autoaufkleber, den ihr Bruder ihr aus dem Golf-Krieg zugeschickt hat und der jetzt an ihrem Wagen klebt). Sie tat es, auch wenn sie sichtlich nervös in ihrer Ansage wirkte, wohl wissend, dass sie sich in Good Ole Germany unter Umständen auf sensiblen Parkett bewegen könnte. Höflich, wie Cowboys nun mal sind, lies man sie ihr Liedchen ohne kritische Zwischenrufe vortragen und gut war es.

Ihr Smash-Hit „Single White Female“, ein wunderbarer, rhythmischer Country-Rock-Song bildete den Abschluss, des Hauptprogramms, wo selbst meine Frau, die ja eigentlich für das Fotografieren zuständig ist, mir vor Begeisterung beim Mitklatschen den Schreiber für meine Notizen aus der Hand schlug, und der prompt über das Geländer in die unteren Stehränge flog. Oder war es doch eine Folge des sich verändernden Reaktionsvermögens meinerseits, nachdem ich den enormen Flüssigkeitsverlust mit einer recht üppigen Menge dieser lecker schmeckenden 0,33l-Jever-Fläschchen auszugleichen versucht hatte…?!

Die stürmisch eingeforderten Zugaben wurden mit drei weiteren Songs belohnt und Chely betonte, in jedem Fall im nächsten Jahr hier wieder auftreten zu wollen, wenn man sie lassen würde. Klar doch Mrs. Wright , wer sollte was dagegen haben? Am Schluss wurde noch mal einer der glänzend aussehenden, deutschen Cowboys auf die Bühne geholt, Chely gratulierte zum Geburtstag. Nach zwei Stunden war ein schweißtreibender, stimmungsgeladener Gig in super angenehmer Atmosphäre zu Ende gegangen.

Doch nicht genug. Im Anschluss gab die Hauptakteurin bereitwillig noch eine gute Stunde Autogramme, plauderte mit jedem ein paar Sekunden und bedankte sich höflich per Handschlag für das Kommen. Ich wies sie kurz auf unser Magazin hin, und bat sie, in ihren Kreisen mal die Werbetrommel in Sachen New-Country und Deutschland zu rühren. Vielleicht muss ich ja mal irgendwann nicht mehr soweit reisen…

Alles in Allem eine wirklich positive Publicity in Sachen New-Country. Danke Chely Wright !

Chely Wright
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Knust Hamburg

Chely Wright – The Metropolitan Hotel – CD-Review

Chel

Chely Wright is back, und zwar mit ihrem 6. Album „The Metropolitan Hotel“, das, um es vorweg zu nehmen, hervorragend gelungen ist! Nach einigen Turbulenzen, u. a. Verlust ihres Major-Kontrakts, einer Frust-EP auf einem Independant Label, hat Chely wieder „die Kurve gekriegt“, und besinnt sich auf die Dinge, die sie schon in frühster Jugend einst nach Nashville getrieben hatten, nämlich den Spirit ihrer Vorbilder wie Buck Owens, Loretta Lynn, Dolly Parton oder Ricky Skaggs mit ihrer ganz persönlichen Note in die moderne Countrymusic herüber zu transportieren.

Der Wandel vollzog sich in London, im angeführten Metropolitan Hotel im Jahr 2002, als sie mit guten Freunden eine komplette Nacht damit verbrachte, CDs o. a. Künstler durchzuhören, und der Entschluss feststand, in Zukunft Musik zu machen, mit der sie sich wieder selbst identifizieren kann. Vorbei ist die Zeit von aufwendigen Videos und glamourösen Foto-Shootings. Und die hübsche, im ländlichen Kansas aufgewachsene, 34-jährige hat sich für ihr neues Album mächtig ins Zeug gelegt, hat acht der zwölf Songs selbst geschrieben, sowie sämtliche Titel produziert oder co-produziert.

„My main objective was to have a collection of gems. I’m most proud of the fact that it’s 12 good songs, 12 well-recorded songs, 12 songs I love to sing. I wanted to make a record that told you a story, which is what country music does. You want to hear a story? Here’s a story“, sagt sie über das Werk. Im Mittelpunkt eines abwechslungsreichen Mixes aus besinnlichen Midtempo-Tracks, kraftvollen, modernen Balladen und der einen oder anderen etwas flotteren Nummer, steht sicher das 6 ½-minütige „The River“, ein atmosphärisches Lied über eine Kleinstadttragödie mit einem dramatischem String-Arrangement im zweiten Teil und hervorragenden, einfühlsamen Background-Vocals von Vince Gill.

An die Nieren gehend schon ein wenig die bedrückende Aufarbeitung des berühmt-berüchtigten Mutter-Tochter-Konflikts, anlässlich der Trennung eines Ehepaares, aus dem Blickwinkel eines jungen Mädchens bei „Between A Mother And A Child“. Den Sprung in die Charts gibt es bereits mit „The Bumper Of My S. U. V.“, mit einer textlich amerika-typisch und patriotisch argumentierenden Sichtweise und Sympathiebekundung für das Treiben der amerikanischen Truppen in der Golfregion.

Weitere Höhepunkte sind der von Bonnie Baker und Katrina Elam (man beachte auch deren eigenes, großartiges Album – siehe unter „Stöbern“) geschriebene, recht knackige Opener „It’s The Song“ mit dezentem Shania-Flair, das rhythmische “ Just The Way We Do It“ in strahlender Keith Urban-Manier, mit tollem Gitarrenspiel von Tom Bukovac, und die ebenfalls im Shania-Stil mit knackigen Drums, Percussion, wunderbaren Hammond-Klängen und vorzüglichem E-Gitarrenspiel und -Solo durchzogene, Countryrock-Ballade „Southside Of Lonesome“. Richtig honkytonk-mäßig geht die Post ab beim Chuck-Berry-Klassiker „C’est La Vie (You Never Can Tell)“!

„The Metropolitan Hotel“ beeindruckt vom nett anzusehenden Titelbild, den Texten bis hin zur letzten gespielten Note! Ein starkes Comeback! Chely Wright hat mit diesem glänzenden Werk sicherlich eine erste Duftmarke in Sachen „Bestes weibliches Album“ für die Awards im Jahre 2005 gesetzt.

AGR Records (Universal Music) (2005)
Stil: New Country

01. It’s The Song
02. Back Of The Bottom Drawer
03. I Got Him Ready For You
04. The River
05. Just The Way We Do It
06. The Bumper Of My S.U.V.
07. Your Shirt
08. Between A Mother And A Child
09. Southside Of Lonesome
10. Wheels
11. C’est La Vie (You Never Can Tell)
12. What If I Can’t Say No Again

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