Gary Jeffries – Middle Class Man – CD-Review

Es sind gerade wieder gute Wochen für die Freunde des Southern Rocks! Da gibt es das starke Zweitwerk von Zach Williams & The Reformation, die mit viel Herzblut eingespielte Sam Morrison Band-Scheibe und auch noch das neue Solo-Album von Gary Jeffries. Dazu die Ankündigung des Skynyrd-Clans, demnächst wieder ein neues Album in Angriff nehmen zu wollen, was aber heute eher nur noch reservierte Vorfreude auslöst. Ja, dieser Gary Jeffries, um den es hier geht, der hat schon einiges an musikalischer Erfahrung auf dem Buckel. Asphalt Ballet, Coupdeville, Übergangssänger bei den Regulators (deren Debütscheibe ein unverzichtbarer Klassiker ist, allerdings nicht mit ihm am Mikro) und als Frontsau von den jetzt nicht mehr bestehenden Alligator Stew.

Jetzt hat Gary seiner Meinung nach das Beste an Songs aus diesen Bandphasen herausgepickt, neu eingespielt und dazu mit einigen brandaktuell kreierten Tracks garniert. Da ich nur eine Scheibe von Alligator Stew, und zwar die „A First Taste Of“ (und nichts bzgl. der anderen Bands), besitze und auf dieser hier kein einziger Song davon vertreten ist, kann ich mich auf komplettes Neuland konzentrieren, bis auf den CCR-Gassenhauer “ Bad Moon Rising“ als Cover natürlich, der hier in einem schönen Countryambiente (Banjo, Harp, Akustik-Slide) mit Bluegrass-Touch gegen Ende der CD präsentiert wird.

Obwohl die Scheibe eine Eigenproduktion ist und vermutlich mit streng kalkuliertem Budget erstellt wurde, macht Jeffries nicht den Fehler, sich als ‚Alleinwissender‘ über die Sache herzumachen. Er hat sich bei der Produktion von Ron Pease über die Schulter schauen lassen. Die ist nämlich hervorragend gelungen und bewältigt den Balance-Akt zwischen ’nicht zu altbacken und zu overstylt klingen‘ ganz hervorragend. Aufgrund des durchgehend starken Songmaterials ist somit ein echter Hörspaß über knapp fünfzig Minuten garantiert.

Schon beim Opener „Free“ heulen direkt die Slidegitarren zu einem flotten Rhythmus aus Akustik- und Baritongitarre, dass es jedem Southern-Rocker warm ums Herz wird. Das folgende „Heaven Winds Blow“ erinnert an die „Gator Country“-Tage von Molly Hatchet mit typischem E-Solo, wummernder Orgel und herrlichen Backs von Kristin Kincaid. Zu diesen sumpfigen Klängen bekommen vermutlich selbst Alligatoren eine Gänsehaut. Grandios auch der Titeltrack, mit seiner bumpigen Note und den tollen E-Gitarren. Eine Mischung aus Molly und Blackfoot zu besten Tagen. Stark!

Und die Highlights gehen weiter und weiter. Das melodische „Ashes To Ashes“ und der gitarrenlastige Honkytonker „Know Ya Too Well“ (Pianist Jimmy Rogers mit Billy Powell’schem Geklimper, erinnert ein wenig an „Jukin‘ City“ von Hatchet) bilden die Vorhut für das sensationelle „Blood On The Highway“ (aus dem Aphalt Ballet-Fundus) mit seinem swampigen E-Groove, quäkiger Harp, gurgelnder Orgel, klasse Backs und jaulender Les Paul. Ein Killersong! Atmosphärisch wird es bei „Flowers On My Grave“, da meint man die Hooters hätten sich dem Southern Rock zugewendet. Klasse auch hier der üppige Slideanteil.

Das nächste Superstück, das jedem Genre-Fan weiche Knie bescheren wird, ist „Mississippi Girl“. Der Anfang noch im sprechgesanglich gehaltenen Charlie Daniels-Ambiente, geht über in eine Uptemponummer der Marke Molly Hatchet mit fettem Drumming (von Randy Trent), vor allem der Tempowechsel im langen E-Solo in Ingram’scher Manier ist genial. „Free My Soul“ (aus der Coupdeville-Phase) erinnert mit seinem dezenten psychedelischen Touch ein wenig an Skynyrds „Voodoo Lake“. Das stampfende „Southern Pride“ (ebenfalls aus der Coupdeville-Zeit) mit Harp, Backs und Slide hat eine bluesige Note, toll hier die ruhige Billy Powell-Gedächtnis-Piano-Passage als Bridge angelegt. Am Ende lässt Jeffries, der mich auf den Bildern an eine schlanke Reinkarnation von Dave Hlubek erinnert) mittels „Free In Heaven“ (seinem verstorbenen Vater gewidmet) sein bärenstarkes „Middle Class Man“-Album gefühlvoll ausklingen. Wunderbar erneut die weiblichen Backs von Kristin Kincaid.

Gary Jeffries‘ musikalisches Plädoyer für den Mittelstand ist absolute Spitzenklasse geworden. Eine schöne, hervorragende, moderne Aufarbeitung der guten alten Southern Rock-Zeit im Stile der Anfangstage von Bands wie Skynyrd, Molly, Doc & Co. mit den heute etwas besseren technischen Möglichkeiten und Erkenntnissen. Für mich eine der besten Southern Rock-Scheiben des neuen Jahrtausends. Toll gemacht, Gary Jeffries!

Eigenproduktion (2011)
Stil: Southern Rock

01. Free
02. Heaven Winds Blow
03. Middle Class Man
04. Ashes To Ashes
05. Know Ya Too Well
06. Blood On The Highway
07. Flowers On My Grave
08. Mississippi Girl
09. Free My Soul
10. Bad Moon Rising
11. Southern Pride
12. Free In Heaven

Gary Jeffries bei Reverbnation
Bärchen Records