Carly Pearce – 29: Written In Stone – CD-Review

Der Stachel sitzt tief bei Carly Pearce. Gerade mal acht Monate dauerte ihre Ehe mit dem Country-Musikkollegen Michael Ray. Dann war Schluss, Scheidung, das war’s. Dazu kam auch noch der Tod ihres früheren Produzenten busbee. Also alles andere als schöne Zeiten für die aus Kentucky stammende Künstlerin.

Wie heißt es so schön: Musik ist die beste Medizin, um solche Dinge aufzuarbeiten und wo hat das nicht größere Tradition als im Country. Zweifelsohne haben die Geschehnisse einen äußerst kreativen Prozess bei Pearce ausgelöst. Mit gleich 15 Songs voller Selbstreflexion und natürlich auch vielen Seitenhieben in Richtung des Ex-Partners werden die eigenen Wunden geleckt, aber auch wieder zum Blick nach vorne genutzt.

Sie und die beiden Produzenten Shane McAnally und Josh Osborne haben sich daher von ihrem zuletzt praktizierten, mainstreamig-ausgerichteten Stil wieder mehr zu ihren bluegrassigen, traditionellen Country-Roots hingewendet, was sich bei der Thematik dieses ‚Konzept‘-Albums auch anbietet.

“I ain’t a coal miner’s daughter, But I’ve sung it all my life/ I ain’t been a widow, But I’ve been an ex-wife/ And I hear your truth, And I feel your pain/ Now I know why you sang that way…” heißt es stellvertretend in „Dear Miss Loretta“, wo es dann auch noch vokale Unterstützung von Ikone Patty Loveless gibt. Weiteren Beistand erhält sie beim schönen „Never Wanted to Be That Girl“ von Ashley McBryde.

Und so dominieren auch die traditionell-typischen Countryinstrumente  wie Mandoline, (kratzige) Akustik- und E-Gitarre (oft Slide und Bariton), weinende/heulende Fiddle, knarzende Dobro (omnipräsent) und Steel zu Carlys oft verletzlichem Gesang, eindeutig die Szenerie. Drums/Percussion, Bass und Keys wirken eher als dezentes Beiwerk.

Hier kann Carly sich ganz auf das Können der involvierten Nashville-Parade-Musiker verlassen, die einfach wissen, wie man in einer solchen Stimmung, beziehungswiese Thematik, spielen muss. Die Scheibe erinnert mich rein musikalisch von der Art her ein wenig an Kathy MatteasRight Out Of Nowhere„.

Allein der Schlagabtausch am Ende von „Easy Going“ zwischen Ilya Toshinskys Akustikgitarre, Jenee Fleenors Fiddle und Josh Mathenys Dobro sind schon den Kauf des Werkes wert. Weitere Highlights in einem in sich geschlossenen Werk, sind die beiden, mit einem lässigen E-Gitarrenrhythmus shuffelnden „Your Drinkin‘, My Problem“ und „Liability“.

‚Leiden mit Carly‘ ist so das gefühlte Motto auf dem 15-teiligen Country-Gefühlstripp „29: Written In Stone“. Die Lebenserfahrung sagt natürlich am Ende auch, dass die Schuld meist nicht nur auf einer Seite zu suchen ist. Interessant wäre sicherlich mal zu wissen, was Michael Ray über die Scheibe zu sagen hat…

Big Machine Records (2021)
Stil: New Country

01. Diamondback
02. What He Didn’t Do
03. Easy Going
04. Dear Miss Loretta
05. Next Girl
06. Should’ve Known Better
07. 29
08. Never Wanted to Be That Girl
09. Your Drinkin‘, My Problem
10. Liability
11. Messy
12. Show Me Around
13. Day One
14. All The Whiskey In The World
15. Mean It This Time

Carly Pearce
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