Review: Michael Segets
Willie Nile rockt mit der Energie eines Jungspunds, obwohl er Mitte der Siebzig ist. 2022 arbeitete er eine temporeiche Setlist im New Yorker Daryl’s House Club ab, die einen Querschnitt durch seine Karriere widerspiegelt. Seit ich ihn vor einer Dekade live erleben durfte, scheint er nichts an Elan verloren zu haben. Seine letzten Konzert-Aufnahmen, die auf CD gepresst wurden, stammen aus dem Jahr 2011. Danach veröffentlichte Nile sieben Studio-Werke, sodass ein aktuelles Live-Album längst überfällig wurde.
Einen leichten Schwerpunkt bei der Liedauswahl legt Nile auf „New York At Night“ (2020). Von dem Longplayer sind neben dem Titeltrack zwei weitere vertreten („Lost And Lonely World“, „Run Free“). Ansonsten präsentiert er fast von jedem seiner Alben einen Song. Vom Anfang seiner Karriere wählt er „Shoulders“. Das einzige langsame Stück auf der CD leitet Nile mit einem Klavier ein. Hier gibt er Jimi Bones für ein längeres Gitarrensolo Raum. Der Break zwischen den straight forward gespielten Rockern, bei denen Jon Weber am Schlagzeug und Johnny Pisano am Bass für den richtigen Druck sorgen, liegt genau in der Mitte des Albums und ist so geschickt platziert, um ein kurzes Durchatmen zu gestatten.
Die musikalische Karriere von Nile wurde von Rechtsstreitigkeiten behindert und verlief daher nicht ohne längere Unterbrechungen. Aus den 1990ern finden sich „Places I Have Never Been“ und „Black Magic And White Lies”. Richtig in Schwung gekommen ist Nile dann in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends. Mit „House Of A Thousand Guitars“ (2009), „The Innocent Ones“ (2010) und das auf Blue Rose Records veröffentlichte „American Ride“ (2013) legte der in Buffalo, New York, gebürtige Songwriter drei stake Longplayer in Folge vor. „House Of A Thousand Guitars“, „One Guitar“ und „ This Is Our Time“ stammen von diesen Werken.
Die CD „World War Willie“ (2016) ist mit „Trouble Down In Diamond Town“ vertreten, während die Balladen von „If I Was A River“ (2014) nicht berücksichtigt werden. Die Titelauswahl ist gelungen, auch wenn einige meiner Favoriten nicht auftauchen. Der charismatische Songwriter hätte also genug Material in der Hinterhand für weitere Live-Mitschnitte.
Neben Stücken, die einfach Spaß machen, schlägt Nile auch sozialkritische Töne an, die vor allem seine letzen Veröffentlichungen prägen. „Earth Blues“ und „The Day The Earth Stood Still“ sind hier beispielsweise zu nennen. In diese Kategorie fällt auch „Wake Up America“. Der bislang auf keinem Studio-Album vertretene Track wurde im Original 2022 als Duett mit Steve Earle veröffentlicht.
Die Setlist des Konzerts im Daryl’s House Club gibt einen Überblick über Willie Niles mehr als vierzigjährige Karriere. Nile wählt aus seinem Katalog an Eigenkompositionen fast ausschließlich rockige Nummern, die er mit unbändiger Dynamik performt. Wer authentischen Gitarrenrock mag, kommt auch heute noch an Willie Nile nicht vorbei.
River House Records (2024)
Stil: Rock
Tracks:
01. Places I Have Never Been
02. This Is Our Time
03. Black Magic And White Lies
04. Earth Blues
05. Lost And Lonely World
06. The Day The Earth Stood Still
07. Shoulders
08. New York At Night
09. Trouble Down In Diamond Town
10. Wake Up America
11. House Of A Thousand Guitars
12. Run Free
13. One Guitar