Bluegrass liegt so eher am Randbereich meiner musikalischen Vorlieben. Dass ich mich dann doch an einem Mittwochabend zum Konzert von Flats & Sharps aufgeraffte, lag vor allem daran, dass sich nur noch ein paar Gelegenheiten ergeben, die Rampe unter der Federführung von Markus Peerlings zu besuchen. Ob auch weiterhin Bands aus dem Spartenprogramm, die kein ausverkauftes Haus erwarten lassen, auf der schrägen Bühne stehen, wird die Zukunft zeigen. Wie stets bereute ich meinen Gang zum Großmarkt nicht, denn der Auftritt der gut aufgelegten Flats & Sharps bot ein kurzweiliges Vergnügen der besonderen Art.
Zum Einstieg lobte „Pille“ die auffallende Pünktlichkeit englischer Bands und so versammelten sich die vier Männer von Flats & Sharps punktgenau um 20.30 Uhr rund um das zentrale Mikro. Sie stimmten mit „East Virginia“ gemeinsam auf den Abend ein, den sie in zwei Sets mit fast dreißig Stücken in einer Mischung aus Traditionals, Covern und eigenen Kompositionen bestritten. Den Auftritt moderierte Mickey Ponsford, der mit einigen unterhaltsamen Anekdoten die Songs kommentierte und dabei spielerisch Kontakt zum Publikum aufbaute, das die Darbietungen durchweg mitging.
Ponsford dominierte mit seiner Mandoline allerdings nicht durchgängig, sondern alle Bandmitglieder hatten in den Stücken ihren Part. So traten abwechselnd die jeweiligen Protagonisten näher an das Mikro, um mit ihrem Instrument die Melodieführung zu übernehmen und ihre Fingerfertigkeit an den Saiten zu demonstrieren. Auch die Lead Vocals wurden aufgeteilt. Ponsford gefolgt von Danny Hart hatten dabei zwar die größten Anteile, aber Bassist Liam Fitzharris kam ebenfalls gelegentlich zum Zuge. Einzig Josh Warner hatte als Sänger kein Solo, stieg jedoch bei den häufig mehrstimmigen Gesangspassagen mit ein. Seine Einlagen an der akustischen Gitarre honorierte das Publikum häufig mit Szenenapplaus.
Zusätzliche Abwechslung brachte Hart dadurch in die Performance, dass er das Banjo ab und zu gegen die Geige tauschte. Die Bandbesetzung auf der Bühne wechselte zweimal. Einmal stand Hart alleine mit seinem Banjo im Rampenlicht, das andere Mal gaben Ponsford und Fitzharris ein Duett zum Besten. Fitzharris legte dafür seinen Double Bass zur Seite und begleitete Ponsford auf der Gitarre. Der Bassist, sonst gerne für einen Spaß zu haben, offenbarte hier eine sensible Seite. Die zwischenzeitlich inaktiven Mitglieder der Formation versorgten sich an der Theke, um den Flüssigkeitsverlust in der angenehm temperierten Location auszugleichen.
Im ersten Set lag der Schwerpunkt der Songauswahl auf Stücken ihres Longplayers „The Play“ (2020). Neben dem Titeltrack wurden untern anderem „Nobody‘s Love Is Like Mine“, das von Ralph Stanley stammt, sowie „Pike County Breakdown“, das schon Lester Flatt mit Earl Scruggs interpretierte, gespielt. Ebenfalls auf dem Album findet sich „Ray“, mit dem sich die Band in die Pause verabschiedete. Highlights des ersten Konzertabschnitts waren für mich die älteren Songs „Boat“ und „Caleb Meyer“.
Bereits vor der Unterbrechung präsentierten Flats & Sharps mit „For My Sins“ und „Pretty Fair Maid In The Garden“ zwei Titel ihrer aktuellen CD „In The Glass“ (2022). Die Vorstellung dieses Longplayers stand dann im Zentrum des zweiten Sets. „I’m Better Off Without You“, „Take These Eyes“, „I‘m Doing Fine“ sowie das starke, von Hart gesungene „Little Girl Of Mine In Tennessee” sind auf dem letzten Album vertreten. Die Stücke, bei denen Hart die Lead Vocals übernahm, klangen etwas rauer und gingen tendenziell in eine Spielart des Bluegrass, die man gewöhnlich in Amerika ansiedelt.
Aber auch West Cornwall, der Stammsitz von Flats & Sharps, hat landschaftlich und, wie sich an dem Abend zeigte, musikalisch seinen Reiz. So stellten für mich die beiden hintereinander gespielten „We Should Be Friends“ und „Open Up The Door“ – wiederum auf der 2022er Veröffentlichung zu finden – einen weiteren Höhepunkt des Abends dar. Der Auftritt endete schließlich schwungvoll mit der Zugabe „My Walking Shoes Don’t Fit Me Anymore & Train 45“.
Das sympathische Quartett aus England hat Eindruck bei dem Publikum hinterlassen und ein Empfehlungsschreiben für den Bluegrass ausgestellt. Die Band zeigte sich von der Location, der Betreuung durch Markus Peerlings und seine Mannschaft sowie selbstverständlich vom Krefelder Publikum begeistert. So bleibt zu hoffen, dass die Kulturrampe auch weiterhin Musikern eine Bühne bietet, die abseits des Mainstreams aktiv sind.
Line-up:
Mickey Ponsford (lead vocals, mandoline)
Danny Hart (vocals, banjo, fiddle)
Liam Fitzharris (vocals, double bass, guitar)
Josh Warner (vocals, guitar)
Text und Bilder: Michael Segets