Bereits 2013 hatte ich das Vergnügen, den damals noch 21-jährigen Krissy Matthews in der Kulturrampe, einem kleinen aber feinen Klub in Krefeld, live zu erleben. Zu der Zeit zupfte noch sein Vater Keith den Bass und Chris Sharley bearbeitete das Schlagzeug. Der Gig war damals schon ziemlich gut, aber leider hatte ich den Jungen danach etwas aus den Augen verloren. Und nun fast vier Jahre und ein Studioalbum später, legt er jetzt endlich seine lang erwartete erste Live-CD vor. Aufgenommen wurde der Gig im Sommer letzten Jahres auf dem seit 2012 jährlich stattfindenden 3-tägigen Freak Valley Festival in der Nähe von Siegen.
Natürlich ist bei solchen Festivals die Dauer der Auftritte der einzelnen Bands immer sehr begrenzt, insbesondere wenn sich in den knapp drei Tagen insgesamt 28 Bands präsentieren möchten. Von daher beinhaltet Krissy Matthews knapp einstündiger Auftritt leider nur acht Songs. Um den Silberling trotzdem voll zubekommen, sind aber noch drei Bonustracks drauf, die im Frühjahr 2016 in einer von Matthews Lieblings-Locations, dem ‚Gerd’s Juke Joint‘ in Joldelund (Norddeutschland) live mitgeschnitten wurden. Und er legt Wert darauf, dass die Aufzeichnung, im Gegensatz zu vielen anderen Konzertmitschnitten, nicht nachvertont wurde und das Konzert samt seiner Atmosphäre deshalb unverfälscht wiedergeben werden.
Leise Töne schlägt der britische Bluesrocker mit norwegischen Wurzeln auf seiner Live-CD gewiss nicht an. Die Songs kommen alle in härterer Gangart daher und besitzen vielfach Headbanger-Qualitäten. Matthews Gitarrenspiel ist wahnsinnig schnell und gereicht dem, als schnellsten Gitarristen der Welt bejubelten Alvin Lee, durchaus zur Ehre. Dennoch, in seinen Stücken wechseln sich die wilden, flirrenden Gitarreneinlagen immer wieder mit ruhigeren oder einfach nur pulsierenden Passagen ab. Die Songs wirken daher nie nur laut oder abgedreht, der Sound ist kraftvoll und frech, Matthews Stimme immer klar und deutlich.
Dafür, dass die CD nicht nachverfolgt wurde, bietet sie einen tollen Sound. Matthews ist Vollblutmusiker mit einer ungeheuren Bühnenpräsenz, der sein Publikum schnell in den Bann zieht. Leider kommt dies auf der CD nicht so gut raus, weil das Konzert nahe liegender Weise hinsichtlich einer optimalen Wiedergabe abgemischt und die Stimmung im Publikum von daher etwas zurückhaltend aufgezeichnet wurde. Schade an sich, weil ja gerade dieser Aspekt einen Großteil dazu beiträgt, die Live-Atmosphäre eines Konzertes einzufangen.
Fast alle Songs des Konzertes stammen von Matthews letzten beiden Alben, so auch der Opener „Feeling For The Blues“ vom 2011er Album „Hit The Rock“, ein Fetzer mit sägenden und schnellen, quirligen Gitarrenriffs, der am Ende ganz unmerklich in das kraftvolle, quäkende und sehr rhythmische „I’ve Been Searching“ übergeht, um anschließend von dem nicht minder rhythmischen „All Night Long“, welches schöne Tempi- und Rhythmuswechsel aufweist, abgelöst zu werden.
Großartig ist auch Matthews kraftvolle Interpretation von „Searching The Desert For The Blues“ (mit sehr schönem, filigranen Gitarrenspiel im Mittelteil), ein Song des bereits 1959 verstorbenen und weniger bekannten Blind Willie McTell, dessen Markenzeichen es war, ausschließlich 12-saitige Gitarren zu spielen. „The Soul Will Never Die“ ist eine Hommage an B. B. King, den Matthews einige Jahre zuvor kennengelernt hatte. Das Stück zeichnet sich durch ein leicht bizarres, spaciges Intro mit etwas verhalltem Gesang aus, welches sich als wiederkehrendes Motiv durch den weiteren Verlauf des Stückes zieht, zwischendurch angereichert mit Matthews wilden, quirligen Gitarrenklängen.
Das letzte Stück des Sets ist dann die bekannte Hendrix-Komposition „Freedom“. Zu dem Song ist an sich nicht viel zu sagen, außer, dass er in der vorliegenden Version wesentlich brachialer klingt als das Original. Ob’s besser oder schlechter ist, mag jeder für sich selbst entscheiden; es ist wie immer in der Musik, eine Frage der persönlichen Vorlieben.
Die drei Bonus Tracks aus ‚Gerd’s Jukebox Joint‘ stammen ebenfalls vom bereits erwähnten 2011er Werk bzw. vom 2015er Album „Scenes From A Moving Window“, hier aber mit Keyboardunterstützung, wobei das fröhliche „Roadsick Blues“ einen einen teils etwas folkigen, teils boogieartigen Touch erhält. Dieser Track und das folgende zunächst relaxte, spacig-psychedelische „Bubbles And The Seven Phones“ stellen, zusammen mit „The Soul Will Never Die“, aus Sicht des Rezensenten die herausragenden Songs dieses Albums dar.
Mit seinem Auftritt auf dem Freak Valley Festival hat Krissy Matthews erneut seine Klasse als Gitarrist und Performer unter Beweis gestellt. Von diesem begnadeten, jungen Musiker wird in Zukunft bestimmt noch viel zu hören sein.
Line-Up:
Krissy Matthews – Guitar, Vocals
Sam Weston – Bass, Vocals
Max Maxwell – Drums
Colin Henney – Keyboard (Tracks 9, 10, 11)
Kristel Morrison – Backing Vocals (Tracks 10, 11)
Review: Jörg Schneider
Proper Records (2017)
Stil: Blues Rock
01. Feeling For The Blues
02. I’ve Been Searching
03. All Night Long
04. Searching The Desert For The Blues
05. Language By Injection
06. The Soul Will Never Die
07. Bad Boy
08. Freedom
Bonus Tracks:
09. Hit The Rock
10. Roadsick Blues
11. Bubbles And The Seven Phones
Krissy Matthews
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