Steve Azar – Slide Over Here – CD-Review

Seit sich Steve Azar aus den Klauen der Major-Konzerne gelöst hat (Azar hatte 2002 mit seinem zweiten Album „Waitin’ On Joe“ bei Mercury Records eine durchaus erfolgreiche Zeit, im Anschluss daran aber infolge zu großer Eingriffsversuche in die musikalische Gestaltung nur noch Stress und Ärger), scheint der aus dem Mississippi-Delta stammende Künstler immer mehr aufzublühen.

Es ist gerade mal ein Jahr vergangen, seit Azar sein grandioses, der Blues-Legende Albert King gewidmetes Album „Indianola“ herausgebracht hat (promoted übrigens im Rahmen einer umjubelten Tour zusammen mit Bob Seger), da legt der „Sunnyboy“ (erinnert von Typ her ein wenig an Keith Urban) mit „Slide On Over Here“ sein nächstes Prachtwerk vor. Steve knüpft im Prinzip da an, wo er mit „Indianola“ aufhörte. Eine hoch interessante, spannende, exzellent vorgetragene Mischung aus angenehmem New Country, rootsigen Americana-Elementen und sporadisch eingeflochtenem, unaufdringlichem, leicht verdaulichem Delta Blues – eingebettet in wunderbare Melodien!

Das ist alles schön abwechslungsreich (mal entspannt und melancholisch, dann wieder locker, flockig, zumeist im Balladen- und Midtempo-Bereich, aber auch mal mit einem feinen Roadhouse-Countryrocker dazwischen), passt hervorragend zusammen und macht richtig Spaß. Ja man wünscht sich fast, das Werk auf der Veranda einer geschichtsträchtigen Südstaatenvilla im Rahmen einer kleinen Session-Party in der abendlichen Sonne bei einem kühlen Gläschen genießen zu können. Ein Album voller Atmosphäre! Der großartige Opener „I’ll Find Me“ wird von einem markantem Slide-Riff getragen und groovt herrlich lässig, bei äusserst angenehmer Instrumentierung (Akustikgitarrenuntermalung, E-Gitarren-Fills, Orgel-Tupfer, Slide-Solo) vor sich hin.

Das anschließende, lockere „Sunshine“ dürfte seiner hübschen Frau gewidmet sein (Azar hat mit ihr drei Kinder). Ein viel Wärme verströmender, leicht melancholisch angehauchter, sehr authentisch wirkender, wunderbarer, flockiger Lovesong (toll hier die sanft „quäkende“ Harmonika und das schöne, fließende E-Gitarren-Spiel). Beim folgenden, recht rootsig angehauchten „All I Need“ (wieder eine feine Harmonika in Verbindung mit schönen Akustik- und E-Gitarren) erinnert Azar fast an den jungen John Mellencamp, noch mehr aber an Chris Knight. Sein toller Gesang, seine dezent heisere, staubige Stimme passen hier besonders gut in diese americana-mässige Gestaltung dieser klasse Nummer.

Einer der Center-Songs des Albums dürfte aber der „launige“, starke, gut rockende Roadhouse-/Country-/Honky Tonk-/Blues-Stomper „Moo La Moo“ werden. Er ist als erste Single ausgekoppelt und auch als humorvoller Videoclip produziert worden, bei dem Azar (übrigens auch ein sehr guter Golfspieler, belegt zur Zeit die Top 5 des Musiker-internen Circuits) auf die Unterstützung von „King Of Queens“-Schauspieler und Komiker Gary Valentine setzen konnte (hat bei Steve ja Tradition, so wurde er damals bei „Waitin’ On Joe“ schon einmal von keinem geringeren als Oscar-Preisträger Morgan Freeman beehrt), der mit seinen eigenwilligen Bewegungen (teilweise im Goofy-Kostüm) einen neuen Kult-Tanz kreiert haben könnte. Der von rhythmischen Handclaps und feinen Gitarren getragene, auch textlich recht amüsante Song kommt als eine Art „La Macarena meets the Country-Blues“ daher und könnte zum Überraschungshit des Sommers avancieren. Eine spaßige Sache!

Ein weiteres Stück, das im Gesamtkontext ein wenig aus dem Rahmen fällt und ebenfalls mächtig in die Beine geht, ist „Sweet Delta Chains“. Hier groovt es richtig fett und funkig (fast sogar ein wenig südamerikanisch angehaucht), mit deftigem E-Piano und satten Bläsereinsätzen aus den Boxen, dazu auch schöne weibliche Background-Gesänge. Das sollte selbst der letzte Tanzmuffel zum Hüftschwung animieren. Klingt ein wenig wie der Nachfolger des starken „Flatlands“ vom „Indianola“-Vorgängerwerk.

Dazwischen immer wieder Stücke, die Azars ernstzunehmende Singer-/Songwriter-Ansprüche untermauern, wie das grandiose „Back To Memphis“ (wieder sehr Slide-betont, Piano, klasse Melodie und Atmosphäre), die hochmelodischen „Apart At The Seams“, „Take Your Time (Ryan’s Song)“, „Let Go Of The Rope“ oder „Startin’ Today“, wobei einem spontan Leute wie John Mellencamp, Jack Ingram oder Radney Foster als Bezugsgrößen in den Sinn kommen. Traumhaft stark auch der swampig southern groovende, total lockere, flotte, mit tollen Slide-Licks und prächtiger Banjo-Untermalung ausgestattete Delta-Countryrocker „Sinkin‘ Or Swimmin‘ (With You)“. Beim abschließenden „Beautiful Regret“ schimmert gar ein wenig die gemeinsame Tourzeit mit Bob Seger durch.

Die Piano-betonte Nummer kommt ganz im Stile Segers balladeskerer Stücke zu „Against The Wind“-Tagen rüber (inkl. ein wenig Steel, schöner Orgel-Begleitung und angenehmen Harmonies). Direkt im Anschluss gibt es dann das Titellied „Slide On Over Here“ als „hidden track“ serviert, wobei Steve noch mal sein ganzes Deltablues-Herz in die Waagschale wirft. Hier gibt es rauchigen Azar-Gesang pur, gepaart nur mit sich filigran duellierender Akustikgitarre und Dobro. Am Ende vernimmt man dann noch ein hauchdünnes Akkordeon. Ein herrlicher Ausklang!

Steve Azar gelingt mit „Slide On Over Here“ eine adäquate Weiterentwicklung zum starken „Indianola“-Vorgänger, was alles über die hervorragende Qualität seines neuen Albums aussagt. Angesichts eines, laut eigener Aussage, noch bestehenden Fundus von über 100 bisher noch unveröffentlichten Songs, darf man sich auf weitere Outputs dieses Kalibers freuen. Produziert hat das Werk übrigens Steve Azar selbst, zusammen mit dem sehr bekannten Justin Niebank (u.a. Keith Urban, Bon Jovi, Kenny Chesney, Rascal Flatts, Pat Green, Van Zant), der vor kurzem auch an dem bärenstarken „Little Piece Of Dixie“ der Southern Rocker von Blackberry Smoke beteiligt war. „Slide on over here“ präsentiert einen“ Steve Azar at his very best“!

Dang Records (2009)
Stil:  New Country

01. I’ll Find Me
02. Sunshine
03. All I Need
04. Moo La Moo
05. Hard Road
06. Back To Memphis
07. Apart At The Seams
08. Sinkin‘ Or Swimmin‘ (With You)
09. Take Your Time (Ryan’s Song)
10. Let Go Of The Rope
11. Sweet Delta Chains
12. Startin‘ Today
13. Beautiful Regret (inkl. hidden track Slide On Over Here)

Steve Azar
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Bärchen Records

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