Josh Ritter – I Believe In You, My Honeydew – CD-Review

Review: Michael Segets

Josh Ritter bringt seit über fünfundzwanzig Jahren Musik heraus. Bislang hatte ich zwei Berührungspunkte mit seinem Output: Das starke Album „Fever Breaks“ (2019), das in Kollaboration mit Jason Isbell & The 400 Unit entstand, sowie das enttäuschende „Spectral Lines“ (2023). Der neue Longplayer „I Believe In You, My Honeydew“ reicht zwar nicht an die Scheibe aus dem Jahr 2019 heran, überflügelt aber „Spectral Lines“ um Längen.

Der Opener „You Won’t Dig My Grave“ hätte gut auf „Fever Breaks“ gepasst. Der Chor mit seinem Gospel-Einschlag gibt dem starke Stück eine besondere Atmosphäre, die den Textinhalt – eine selbstbewusste Abrechnung mit Widersachern – nochmal unterstützt. Unter der Leitung von David Coleman liefern die Background-Sänger*innen Nicole Herring, Crystal Dixon und George Furtado bei anderen Tracks („Noah’s Children“, „Wild Ways“) gleichfalls eine hervorragende Leistung ab.

Sie begleiten ebenso „Kudzu Vines“. Der Song ist durch den Wechsel von solo-vokalen Passagen und kräftigem Schlagzeug mit härteren Gitarrenriffs geprägt. Das Gitarrensolo gegen Ende des Titels setzt diesem nochmal ein Sahnehäubchen auf. Dieser Beitrag, der auf meiner Bestenliste der diesjährigen Veröffentlichungen steht, rechtfertigt zusammen mit dem Opener schon den Kauf des Albums.

Darüber hinaus bietet der Longplayer aber noch weitere Stücke, die lohnenswert sind. Dabei beweist Ritter ein variantenreiches Songwriting sowie abwechslungsreiche Arrangements. Seine Songs changieren irgendwo zwischen denen von Todd Snider, Hayes Carll oder Will Varley. Bei dem ausschließlich mit akustischer Gitarre performten „Truth Is A Dimension (Both Invisible And Blinding)“ bewegt sich Ritter ganz in der Tradition der Folksinger. Sehr stimmungsvoll ist auch „Thunderbird“ mit einer dezenten, aber feinen Instrumentalisierung.

Expressiver wirkt hingegen „Honeydew (No Light)“, bei dem Ritter auf dominante Percussion setzt. Der Song ist nicht so mein Fall. Mit „Wild Ways“ hatte ich meine Anlaufschwierigkeiten. Der zunächst sehr gleichförmig erscheinende Track gewinnt bei mehrmaligen Hören und enthält einige Spannungskurven, sodass er ebenfalls auf der Habenseite zu verbuchen ist wie der Country-Walz „The Wreckage Of One Vision Of You“.

Josh Ritter erweist sich auf „I Believe In You, My Honeydew“ als versierter Songwriter, der zu einem erdigeren Sound zurückfindet. Zwei hervorstechende Songs, mehrheitlich überzeugende Beiträge und nur einzelne Tracks, die mich nicht so ansprechen, führen insgesamt zu einer deutlich positiven Bilanz. Mit dem Album setzt sich der Mann aus Idaho wieder auf die Liste der Musiker, die zukünftig im Auge zu behalten sind.

Phytheas Recordings – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. You Won’t Dig My Grave
02. Honeydew (No Light)
03. Truth Is A Dimension (Both Invisible And Blinding)
04. Noah’s Children
05. Wild Ways
06. Thunderbird
07. Kudzu Vines
08. I’m Listening
09. The Wreckage Of One Vision Of You
10. The Throne

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Will Varley – Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me – CD-Review

Review: Michael Segets

Der Titel von Will Varleys siebten Studiowerk „Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me” hat es mir direkt angetan. Irren ist menschlich, wie man so schön sagt. Der Albumtitel regte mich jedenfalls dazu an, eine Besprechung von Will Varleys neuem Longplayer von ChatGPT erstellen zu lassen, um zu sehen, ob Maschinen auch Fehler machen:

„Der englische Singer-Songwriter Will Varley ist bekannt für seine eindrucksvollen Texte, die oft gesellschaftliche Themen, persönliche Geschichten und eine Prise Humor miteinander verbinden. Mit seiner charakteristischen Stimme und seinem akustischen Stil hat er sich eine treue Fangemeinde aufgebaut und gilt als einer der bedeutenden Stimmen in der aktuellen Folk- und Singer-Songwriter-Szene. Sein neues Album mit dem Titel „Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me“ ist ein weiteres Beispiel für seine Fähigkeit, tiefgründige und nachdenkliche Lieder zu schreiben. […] Das Album zeichnet sich durch seine eingängigen Melodien, ehrlichen Texte und eine emotionale Tiefe aus, die Fans und Kritiker gleichermaßen begeistert. Will Varley schafft es, komplexe Themen verständlich und berührend zu präsentieren […].“

Soweit der freundliche, doch ziemlich allgemein gehaltene Kommentar der Künstlichen Intelligenz, die mir zudem angeboten hat, ihren Text etwas kritischer zu formulieren. Das ist aber nicht nötig. Die Lyrics weisen Varley tatsächlich als versierten Songwriter aus. In eigenen Worten des Musikers geht es auf dem Album um den Versuch, Hoffnung und Frieden zu finden in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist.

Zur musikalischen Seite seien aber noch ein paar Worte verloren: Der in Kent beheimatete Varley verfolgt auf dem aktuelle Longplayer weniger den akustischen Stil, der ihm von ChatGPT bescheinigt wird. Es finden sich zwar gelungene, instrumental reduzierte Tracks wie „Long Way Back To Now“ oder „Venus Returns“, aber die Folk-Anteile treten mehrmals hinter opulenter wirkenden Arrangements zurück. Während „Home Before The World Ends“ und „Everthing Has A Hearbeat“ in Richtung Pop weisen, findet Varley bei „Only Louise” sowie dem sanften Ausklang des Albums „Whatever‘s Left“ die richtige Mischung zwischen handgemacht und aufgepimpt.

Varley holt sich gelegentlich Unterstützung von befreundeten Musikern wie Dan Smith von Bastille auf dem Titeltrack und Billy Bragg. Die tiefe Stimme von Bragg in Kombination mit der von Varley sorgt bei „End Times“ für einen Gänsehautmoment. Den mit Abstand stärkste Track der Scheibe stellt allerdings die erste Single „Different Man“ dar. Brent Cobb diente hier wohl als Inspirationsquelle.

Auf „Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me” zeigt sich Will Varley erneut als tiefsinniger Songwriter. Das Album fällt weniger folkig aus, als man vielleicht erwartet. Neben den einzelnen akustisch gehaltenen Stücken sind aber weitere Beiträge vertreten, die für SoS-Leser*innen interessant sein könnten – allen voran die Single „Different Man“.

Folketown-MNRK UK – SPV (2025)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. Long Way Back To Now
02. Different Man
03. Home Before The World Ends
04. Never Get Tired Of Loving You
05. End Times
06. Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me
07. Only Louise
08. Venus Returns
09. Everything Has A Heartbeat
10. Whatever’s Left

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