Dave Simonett – Red Tail – CD-Review

Simonett_300

Review: Michael Segets

Dave Simonett war ein unbeschriebenes Blatt für mich. Ich kannte weder seine EP „Razor Pony“ (2014) noch die Werke seiner Band Dead Man Winter. Völlig unvorbelastet widmete ich mich also seinem ersten, acht Tracks umfassenden Album „Red Tail“. Dort präsentiert sich Simonett als nachdenklicher Songwriter, der sich Experimenten nicht unabgeneigt zeigt. Den Longplayer duchzieht dabei eine melancholische Grundstimmung.

Zwar finden sich mit „Pisces, Queen Of Hearts” und „By The Light Of The Moon” folkorientierte Titel auf der CD, bei denen die akustische Gitarren die Begleitung dominiert. Aber selbst diese Titel werden durch zusätzliche Untermalung, beispielsweise von der Pedal Steel, bereichert. Einige Songs sind voller instrumentalisiert und schaffen so Klangsphären, die sehr dicht wirken.

Vor dem dezenten Hall des Backgrounds erklingt der Gesang von Simonett auf „Revoked“ wie weit entfernt. Damit stellen sich Assoziationen zu dem jüngsten Werk von Tyler Ramsey ein, mit dem ihn auch die Liebe zur Natur verbindet, die beiden als Inspirationsquelle dient. Vor dem inneren Auge ziehen verschneite Winterlandschaften vorbei und erinnern an den Film „Fargo“. Auch wenn dessen Handlungsort in North Dakota liegt, ist das ja nicht weit von Minnesota, dem Heimatsaat Simonetts, entfernt.

Ähnlich angelegt ist das von einem Klavier getragene „In The Western Wind And The Sunrise“. Am Ende des sanften, fast schon hypnotischen Stücks mischt Simonett ein Kratzen in den Song, der mich bei Vinyl hätte einen Blick auf die Platte werfen lassen, um zu prüfen, ob sie beschädigt ist oder ob das so sein muss. Simonett fügt damit ein überflüssiges Klangexperiment ein, das mit den Hörerwartungen bricht und den Song nicht aufwertet.

Im positiven Sinne überrascht die kratzig-wimmernden E-Gitarre auf „You Belong Right Here“. Hier gelingt Simonett eine ausgewogene Vebindung aus klassischen Americana und innovativen Ideen. Das Stück stellt neben dem flotteren, countryfizierten „Silhouette” meinen Favoriten des Albums dar. Zwar nicht vom Gesang, aber vom Songwriting kommt Tom Petty dort in den Sinn.

Simonett bezeichnet sich selbst nicht vornehmlich als Gitarristen, er zeigt jedoch seine Fertigkeiten beim Fingerpicking auf „It Comes And Goes“, bei dem er sich nochmal dem Folk zuwendet.

Zum Abschluss gibt es „There’s A Lifeline Deep In The Night Sky”. Der runde, mit mehrstimmigen Gesang vorgetragene Song geht ins Ohr und könnte auch aus der Protestbewegung der sechziger Jahre stammen. Anscheinend wurde er live im Studio eingespielt. Ich hätte den verpatzten Einsatz nicht gebraucht, die ausgelassene Stimmung der Band kommt jedoch gut rüber.

Auch wenn nicht jeder musikalische Einfall gelungen ist, bewegt sich Dave Simonett souverän im Grenzbereich zwischen Americana und Folk. Von den meist getragenen Songs seines Solodebüt-Albums „Red Tail“ bleiben die winterlich anmutenden Klangwelten im Gedächtnis, die aber vermutlich nicht hoch in die Charts einsteigen werden. Das sieht Simonett gelassen: „I like it. For me, that’s a success.“

Dancing Eagle/Thirty Tigers (2020)
Stil: Americana, Folk

Tracks:
01. Revoked
02. Pisces, Queen Of Hearts
03. Silhouette
04. By The Light Of The Moon
05. In The Western Wind And The Sunrise
06. It Comes And Goes
07. You Belong Right Here
08. There’s A Lifeline Deep In The Night Sky

Dave Simonett
Dave Simonett bei Facebook
Thirty Tigers
Oktober Promotion

Tyler Ramsey – For The Morning – CD-Review

TR_300

Review: Michael Segets

Die Zerrissenheit zwischen dem ständigen Unterwegssein als Musiker und der Sehnsucht nach Ruhe und Beständigkeit im Kreis der Familie thematisiert Tyler Ramsey auf seinem dritten Album „For The Morning“. Diesen Konflikt verpackt er in sanfte, fast zarte Kompositionen.

Nach der Geburt seiner Tochter ist Ramsey als Gitarrist der Band Of Horses ausgestiegen und aufs Land gezogen. Dort verbringt der Naturliebhaber viel Zeit mit Wanderungen. Seine Songs eignen sich atmosphärisch sehr gut dazu, als unaufgeregte Begleiter Wälder zu durchstreifen. Der Klang des Albums wird durch akustische Gitarre, Klavier und vor allem dem Gesang von Ramsey geprägt. Die Stimme wirkt oftmals so, als wäre sie weiter entfernt oder würde hinter einem Schleier liegen, was durchaus einen außergewöhnlichen Reiz entwickelt.

Der Startpunkt „Your Whole Life“ motiviert dazu, Ramsey auf seinem Weg zu folgen. Er entführt in eine Sphäre voller Wehmut. Die Pedal Steel von Matt Smith trägt dazu ihren Teil bei. Der Auftakt stellt mit dem folgenden „A Dream Of Home“ bereits den Höhepunkt des Longplayers dar. Das zweite Stück erinnert bei manchen Passagen an Tom Petty und seine CD „Wallflowers“. Aber auch „White Coat“ – mit Geigenbegleitung durch Scott Moore – sowie „Breaking A Heart“ sind harmonische Americana-Nummern, die eine dichte Stimmung erzeugen.

Wie das bei langen Wanderungen schon mal so ist, fällt der Mittelteil etwas schwerer. Dadurch, dass die anschließenden Songs von Tempo und Stil keine große Varianz zu den vorangegangenen bieten, stellen sich bei mir leichte Ermüdungserscheinungen ein. Nach dem etwas dunkleren „The Bottom Of The Sea“ und dem instrumentalen „Darkest Cloud“ geht es mit „Firewood“ und „Cheap Summer Dress“ aber wieder bergauf. Auf beiden Stücken zeigt Ramsey seine Klasse als Songwriter. Er holt sich zudem Unterstützung von Joan Shelley für den Backgroundgesang, was durchaus ein Gewinn für die Arrangements ist.

„Evening Country“ kann als Variation von „Evening Kitchen“, das Ramsey für die Band Of Horses schrieb, aufgefasst werden. Bei dem Titel überrascht nicht, dass der Song einen leichten Country-Einschlag aufweist, für den Russ Pahl die Pedal Steel beisteuert. Mit „For The Morning“ neigt sich der Streifzug mit Ramsey dem Ende. Hier greift er nochmal das Grundthema seines Werks auf, das sich mit dem veränderten Lebensrhythmus auseinandersetzt, das ein junges Familienleben mit sich bringt.

Ramsey genießt es, eine Heimat gefunden zu haben. Dennoch erfordert es das Musikerleben, auf Tour zu gehen. Im Mai macht sich Tyler Ramsey für fünf Konzerte nach Europa auf. Das einzige Deutschlandkonzert findet im Berliner Silent Green statt.

Tyler Ramsey lässt den Hörer von „For The Morning“ in poetischen Texten und sorgfältig arrangierten Kompositionen an seiner Welt teilhaben. Einige hervorragende Titel tragen über gewisse Längen, die das Album im Mittelteil entwickelt, hinweg. Die Aussteuerung des Gesangs, der über und neben den Instrumenten schwebt, erzeugt eine eigene, melancholische Atmosphäre, in die es lohnt, für eine Zeit einzutauchen.

Fantasy Records / Universal Music (2019)
Stil: Americana

Tracks:
01. Your Whole Life
02. A Dream Of Home
03. White Coat
04. Breaking A Heart
05. The Bottom Of The Sea
06. Darkest Clouds
07. Firewood
08. Cheap Summer Dress
09. Evening Country
10. For The Morning

Tyler Ramsey
Tyler Ramsey bei Facebook
Unisversal Music
Oktober Promotion