Tyler Ramsey – For The Morning – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die Zerrissenheit zwischen dem ständigen Unterwegssein als Musiker und der Sehnsucht nach Ruhe und Beständigkeit im Kreis der Familie thematisiert Tyler Ramsey auf seinem dritten Album „For The Morning“. Diesen Konflikt verpackt er in sanfte, fast zarte Kompositionen.

Nach der Geburt seiner Tochter ist Ramsey als Gitarrist der Band Of Horses ausgestiegen und aufs Land gezogen. Dort verbringt der Naturliebhaber viel Zeit mit Wanderungen. Seine Songs eignen sich atmosphärisch sehr gut dazu, als unaufgeregte Begleiter Wälder zu durchstreifen. Der Klang des Albums wird durch akustische Gitarre, Klavier und vor allem dem Gesang von Ramsey geprägt. Die Stimme wirkt oftmals so, als wäre sie weiter entfernt oder würde hinter einem Schleier liegen, was durchaus einen außergewöhnlichen Reiz entwickelt.

Der Startpunkt „Your Whole Life“ motiviert dazu, Ramsey auf seinem Weg zu folgen. Er entführt in eine Sphäre voller Wehmut. Die Pedal Steel von Matt Smith trägt dazu ihren Teil bei. Der Auftakt stellt mit dem folgenden „A Dream Of Home“ bereits den Höhepunkt des Longplayers dar. Das zweite Stück erinnert bei manchen Passagen an Tom Petty und seine CD „Wallflowers“. Aber auch „White Coat“ – mit Geigenbegleitung durch Scott Moore – sowie „Breaking A Heart“ sind harmonische Americana-Nummern, die eine dichte Stimmung erzeugen.

Wie das bei langen Wanderungen schon mal so ist, fällt der Mittelteil etwas schwerer. Dadurch, dass die anschließenden Songs von Tempo und Stil keine große Varianz zu den vorangegangenen bieten, stellen sich bei mir leichte Ermüdungserscheinungen ein. Nach dem etwas dunkleren „The Bottom Of The Sea“ und dem instrumentalen „Darkest Cloud“ geht es mit „Firewood“ und „Cheap Summer Dress“ aber wieder bergauf. Auf beiden Stücken zeigt Ramsey seine Klasse als Songwriter. Er holt sich zudem Unterstützung von Joan Shelley für den Backgroundgesang, was durchaus ein Gewinn für die Arrangements ist.

„Evening Country“ kann als Variation von „Evening Kitchen“, das Ramsey für die Band Of Horses schrieb, aufgefasst werden. Bei dem Titel überrascht nicht, dass der Song einen leichten Country-Einschlag aufweist, für den Russ Pahl die Pedal Steel beisteuert. Mit „For The Morning“ neigt sich der Streifzug mit Ramsey dem Ende. Hier greift er nochmal das Grundthema seines Werks auf, das sich mit dem veränderten Lebensrhythmus auseinandersetzt, das ein junges Familienleben mit sich bringt.

Ramsey genießt es, eine Heimat gefunden zu haben. Dennoch erfordert es das Musikerleben, auf Tour zu gehen. Im Mai macht sich Tyler Ramsey für fünf Konzerte nach Europa auf. Das einzige Deutschlandkonzert findet im Berliner Silent Green statt.

Tyler Ramsey lässt den Hörer von „For The Morning“ in poetischen Texten und sorgfältig arrangierten Kompositionen an seiner Welt teilhaben. Einige hervorragende Titel tragen über gewisse Längen, die das Album im Mittelteil entwickelt, hinweg. Die Aussteuerung des Gesangs, der über und neben den Instrumenten schwebt, erzeugt eine eigene, melancholische Atmosphäre, in die es lohnt, für eine Zeit einzutauchen.

Fantasy Records / Universal Music (2019)
Stil: Americana

Tracks:
01. Your Whole Life
02. A Dream Of Home
03. White Coat
04. Breaking A Heart
05. The Bottom Of The Sea
06. Darkest Clouds
07. Firewood
08. Cheap Summer Dress
09. Evening Country
10. For The Morning

Tyler Ramsey
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