Melissa Etheridge – This Is M.E. – CD-Review

Da ich Melissa Etheridge nicht persönlich kenne, sind nachführende Ausführungen von mir eher als Mutmaßungen zu betrachten! Ich habe bei ihr immer so das Gefühl, dass neue Alben oft stärker von ihren momentanen Befindlichkeiten geprägt sind, als es oft bei anderen Künstlern ihres Kalibers der Fall ist, von finanziellen Interessen der Plattenfirma oder der reinen Befriedigung des selbstverliebten Egos.

Hatte ich den Eindruck, dass ihr (auch von mir besprochenes), sehr kontrovers aufgenommenes letztes Werk „4th Street Feeling„, noch immer unter den Nachwirkungen ihrer überstandenen Krebserkrankung und mehr denn je in Bezug auf die Scheidung von ihrer zweiten Ehefrau Tammy Lynn Michaels, mit all den vermutlich unerfreulichen Begleiterscheinungen rund um solche Sachen, entstanden war, bin ich nunmehr fest davon überzeugt, dass der neue Longplayer „This Is M.E.“ der mittlerweile 53-jährigen, aus Leavenworth, Kansas stammenden Protagonistin in einer Art ‚emotionalen Hochphase‘ kreiert und eingespielt wurde.

Ein schönes Wortspiel übrigens der Titel mit der Zweideutigkeit ihrer Initialen! Und er impliziert natürlich auch damit, die einzig wahre Melissa Etheridge präsentiert zu bekommen. Die neue CD strotzt nur so von positiver Energie und es macht durchgehend Spaß, Melissas scheinbar neu gewonnenem Lebensmut und dem daraus resultierenden kreativen Tatendrang, Folge zu leisten. Ein Grund dafür ist sicherlich auch ihre erneute, im Juni 2014 geschlossene eheliche Liason mit der Produzentin und Regisseurin Linda Wallem, der sie mit dem Abschluss-Track „Who Are You Waiting For“ eine höchst-sentimentale Ballade widmete und quasi als eine Art Heiratsantrag zum Anlass ihrer Hochzeit vorspielte.

Da sieht man die zweifache Grammy-Gewinnerin und Inhaberin eines Sternes auf dem ‚Hollywood Walk Of Fame‘ auch schon vorm geistigen Auge zum Abschluss ihrer kommenden Live-Konzerte, ähnlich wie damals bei „Please Forgive Me“ von „Skin“ vor dem Piano hocken, und ihrer aktuellen Gefühlswelt freien Lauf und die Eindrücke der jüngsten Vergangenheit Revue passieren lassen.

Auch der Titel des schönen melodischen Openers „I Won’t Be Alone Tonight“ und vor allem, wie die Titelzeile herausschreit, spricht Bände. Hier erscheint es, als wenn sie doch einigen angestauten emotionalen Ballast von sich abgeworfen hätte. Viele Songs von ihr entstanden in Zusammenarbeit mit angesagten Leuten wie Jerrod Bettis (Adel, One Republic, Eric Hutchinson, Gavin DeGraw), Jon Levine (Nelly Furtado, K’Naan, Selena Gomez), dem Rapper RoccStar (der hier aber nur Harmoniegesänge beisteuern darf) oder Jerry Wonda (Fugees, Mary J. Blige, Akon).

So haben sich dadurch einige momentan unabdingbar erscheinende Sachen wie Synthies, Drum-Loops und chorale ‚Ohohoh‘- und ‚Ladidadidei‘-Harmoniegesänge, die mir gerade auch in meiner geliebten Nashville-New Country-Szene z. T. mächtig auf den Keks gehen, eingeschlichen. Sie passen aufgrund ihrer erträglich gehaltenen Dosierung aber hier zur Struktur der Lieder, meist im Stile ihres damals so erfolgreich eingeschlagenen Debütalbums gehalten, trotzdem ganz gut. Und ihre tolle variable Stimme leistet wie immer natürlich auch ein Übriges.

Weitere potentielle Hitkandidaten sind eingängige, zwischen Pop und Rock wandelnde Stücke wie das flockige „Take My Number“ , „A Little Hard Hearted“ (leicht beatleske Note), „Like A Preacher“ (mit schön passenden sakralen Piano- und Orgeltönen) oder das verspielt klingende „A Little Bit Of Me“, allesamt mit von hohem Wiedererkennungswert gekennzeichneten Refrains verziert.

Meine absoluten Favoriten sind allerdings das herrlich lässig, dezent bluesig, groovende „Do It Again“ (schöne Slide- und E-Gitarre), das an ihr „Bring Me Some Water“ erinnernde schroff rockende „Monster“, das cool dahinstampfende „All The Way Home“ (wieder klasse Gitarren, herrlich rotziger Gesang der Etheridge) oder das in der Tradition von Bon Jovis „Dead Or Alive“ gehaltene „Stranger Road“ (z. T. mit Banjo und Harp) mit viel staubigem Outlaw-Country-Flair.

Fazit. Melissa Etheridge legt auf dem deutschen Plattenlabel SPV mit „This Is M.E.“ ein sehr persönliches Album vor, das sie wieder in die Nähe ihrer stärksten Momente, wie beim Erstling oder bei „Skin“, bringt. Erstaunlich, wie gut sie es dabei schafft, moderne Komponenten mit ihrem doch eher sonst spartanisch angelegten Musikstil zu verbinden, ohne sich dabei allzu stark zu verleugnen. Ihre spürbar transportierte Euphorie wirkt dabei teilweise ansteckend und sehr authentisch. Alle Texte (wenn auch in absolut schwer lesbarer Mini-Miniaturschrift) und viele Bilder aus ihrem Musik- und Privatleben sind im beigefügten Booklet enthalten. Ein tolles weiterzuempfehlendes Werk!

SPV (2015)
Stil:  Rock & More

01. I Won’t Be Alone Tonight
02. Take My Number
03. A Little Hard Hearted
04. Do It Again
05. Monster
06. Ain’t That Bad
07. All The Way Home
08. Like A Preacher
09. Stranger Road
10. A Little Bit Of Me
11. Who Are You Waiting For

Melissa Etheridge
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