Ian Noe – River Fools & Mountain Saints – CD-Review

Review: Michael Segets

„Letter To Madeline“ von Ian Noes Debütalbum „Between The Country“ (2019) tönt regelmäßig durch meine Lautsprecher. Nun präsentiert der Songwriter ein Duzend neuer Stücke, die über die letzten zwei Jahre verstreut entstanden und aufgenommen wurden. „River Fools & Mountain Saints“ festigt seinen Ruf als aufstrebender Songwriter.

Mit der lyrischen Qualität seiner Texte nimmt Noe einen Spitzenplatz unter den Storytellern seiner Generation ein. Wie der Titel schon nahelegt, spielt er mit Dualismen und entwirft damit stimmige und stimmungsvolle Charakterzeichnungen seiner Protagonisten. Narren und Heilige und alle dazwischen vom Kriegsveteranen bis zur Dealerin bevölkern seine Texte.

Inspiration holt er sich dabei von den Menschen des ländlichen Kentucky sowie von der bergigen Landschaft seiner Heimat. Naturgewalten, Isolation und Einsamkeit – nicht zuletzt wegen der Pandemie – zählen daher zu seinen Themen. Noe selbst bezeichnet sein Albums als romantisch, da es bei ihm um Befreiung geht. Allerdings muss man schon sehr genau auf die Lyrics achten, um optimistische Zwischentöne wahrzunehmen. Die meisten Songs wirken eher getragen. Stilistisch changieren sie zwischen Folk und Outlaw-Country, also irgendwo zwischen Bob Dylan und Steve Earle.

Das Album steigt mit der ersten Single „Pine Grove (Madhouse)“ ein. Der eingängige Track zählt zu den opulenter instrumentalisierten Stücken des Longplayers. Die zweite Auskopplung „River Fool“ ist typischer für den Teil seiner Songs, der einen Country-Einschlag aufweist. Wie bei „Strip Job Blues 1984“ ist eine Geige präsent, bei „Lonesome As It Gets“ eine Pedal Steel. Dies sind allesamt gute Nummern, die aber im Verlauf der CD noch getoppt werden.

Ein Song, der mich direkt überzeugt, ist „Tom Barrett“. Obwohl er unaufgeregt und gleichmäßig erscheint, entwickelt er eine dichte Atmosphäre. Dies schafft er durch die Orgel im Hintergrund und das gedämpfte Schlagzeug. „Ballard Of A Retired Man“ ist noch eine Spur ruhiger. Mit seinen starken sprachlichen Bildern lässt er einen in einer wehmütigen Stimmung zurück. „Appalachia Haze“ und „One More Night“ legt Noe ebenfalls akustisch und fast minimalistisch an. Beim letztgenannten Song überrascht der Einsatz eines Waldhorns. Noe gelingt mit ihm erneut eine wunderbar gefühlvolle Ballade.

Die elektrische Gitarre wird dann bei „POW Blues“ und dem besonders starken „Burning Down The Prairie“ ausgepackt, die zwischen Country Rock und Outlaw Country liegen. Mit den beiden Songs zeigt sich Noe nochmal von einer neuen Seite, die dem Gesamtwerk zugutekommt. Abwechslung in die Begleitung bringt zudem das Klavier bei „Mountain Saint“. Derry DeBorja (Jason Isbell And The 400 Unit ) konnte Noe für die Keyboards gewinnen. Bemerkenswert sind zudem die unterschiedlichen Klangfarben, die das Schlagzeug im Verlauf des Longplayers erzeugt.

Den Abschluss der CD bildet das Medley „Road May Flood/It’s A Heartache“. Der Hit von Bonnie Tyler hat nichts mehr von seinem Bombast, allerdings unterlegt Noe den Song passagenweise mit orchestralen Streichern. Diese bleiben aber unaufdringlich, was zeigt, dass Noe die Kunst beherrscht, seine Songs zwar instrumental auszubauen, aber nicht zu überladen.

Mit „River Fools & Mountain Saints” etabliert sich Ian Noe als hervorragender Songwriter. Das Hinhören auf die Texte und die musikalischen Nuancen lohnt sich. Die ruhigen Songs entwickeln eine atmosphärische Tiefe, in die man sich gerne hineinziehen lässt. Die rockigen und countryfizierten Titel bieten dazu einen gelungenen Ausgleich, damit Depressionen nicht aufkommen.

Lock 13 Records/Thirty Tigers – Membran (2022)
Stil: Folk, Country

Tracks:
01. Pine Grove (Madhouse)
02. River Fool
03. Lonesome As It Gets
04. Strip Job Blues 1984
05. Tom Barrett
06. Ballard Of A Retired Man
07. Mountain Saint
08. One More Night
09. POW Blues
10. Burning Down The Prairie
11. Appalachia Haze
12. Road May Flood/It’s A Heartache

Ian Noe
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