Leah Blevins – First Time Feeling – CD-Review

cover Leah Blevins - First Time Feeling 300

Review: Michael Segets

Wer denkt nicht von Zeit zu Zeit an die eigene Jugend zurück und an das, was man damals so verzapft hat? Die aus Kentucky stammende Sängerin und Songwriterin Leah Blevins gibt uns mit „First Time Feeling“ einen Einblick in ihre Vergangenheit, wobei die zeitliche Distanz zur Jugendphase bei ihr noch nicht besonders groß ist. Die zurückliegenden Jahre waren wohl wild und einige Hindernisse säumten ihren Selbstfindungsprozess. Nach der Scheidung ihrer Eltern fand sie Halt bei ihren Großeltern. Von ihrer Familie schon früh musikalisch gefördert, zog es sie nach Nashville.

Blevins siedelte schließlich nach Dallas um, wo Paul Cauthen sie unter seine Fittiche nahm. Zusammen mit Blevins und Beau Bedford produzierte Cauthen ihr Debütalbum. Das starke „Believe“ schrieben alle drei gemeinsam. Bedford und Cauthen steuern zudem die Gitarren auf dem Opener „Afraid“ bei. Das Arrangement des Stücks trägt dabei die Handschrift von Cauthen.

Der Beat sowie die R&B-Elemente, mit etwas Disco-Feeling gepaart, erinnern an sein „Room 41“. „Mountain“, das er ebenfalls mitkomponierte, ist hingegen als klassische Americana-Ballade – einschließlich Geigenpassage und Backgroundchor – angelegt.

Insgesamt schlägt Blevins auf ihrem Longplayer ruhige Töne an. Ihr heller Sopran passt in das Americana-Genre und im Zusammenspiel mit den harmonischen Melodien weckt er nostalgische Gefühle. Dass dieser Retro-Eindruck gewollt ist, zeigt das Coverbild. „First Time Feeling“ wirkt wie ein Klassiker und geht unmittelbar ins Ohr. Auch „Beautiful Desaster“ dreht sich um die Liebe, allerdings um eine bereits gescheiterte. Der Track ist atmosphärisch daher etwas dunkler. Beide Songs sind hervorragend, wobei der letztgenannte für mich noch um eine Nasenlänge vorne liegt.

Beziehungen bearbeitet Blevins ebenso in den anderen Songs. So wirft sie bei „Magnolias“ ein Schlaglicht auf ihre ehemalige Familiensituation. Meist steht aber das Verhältnis zu einem Partner im Fokus. Dabei durchzieht stets ein Riss die Beziehung – sei es bei „Clutter“ oder „Mexican Restaurant“ und selbst bei dem eigentlich optimistisch angelegten „Little Birds“. Gründe für diesen Bruch liegen in ihrer sensiblen Wahrnehmung und ihrem kritischen Selbstbild.

Ihre Selbstreflexivität kleidet Blevins in poetische Verse, was ihr besonders eindrucksvoll bei „Fossil“ gelingt. Der Titel ist im Hintergrund mit sanft hallender Gitarre versehen, was nochmal auf den Mitproduzenten Cauthen hindeutet. Meist wurden die ersten Takes für die Veröffentlichung ausgewählt, weil in diesen wohl die Spontanität und unmittelbare Intensität von Blevins Gesang am besten zur Geltung kam.

Leah Blevins „First Time Feeling“ zeigt eine junge Frau, die auf ihre Jugendjahre von einem erwachsenen, selbstreflexiven Standpunkt aus zurückblickt. Wie unlängst bei Morgan Wade bestechen viele von Blevins Texte durch ihre authentisch wirkende Schonungslosigkeit sich selbst gegenüber.

Es scheint, dass sich eine frische Generation von Musikerinnen mit einem neuen Selbstbewusstsein Gehör verschafft. Mit eingängigen Melodien bleibt Blevins meist den Traditionen der Americana-Szene verhaftet, scheut sich aber nicht, diese bei manchen Songs neu zu interpretieren, wobei sie auf die Erfahrung von Paul Cauthen und Beau Bedford zählen konnte.

Crabtree – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Americana

Tracks:
01. Afraid
02. Beautiful Disaster
03. First Time Feeling
04. Little Birds
05. Fossil
06. Magnolias
07. Clutter
08. Believe
09. Mexican Restaurant
10. Mountain

Leah Blevins
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